[headline]Lieben & Leben an der Lohrheide - Damien de Jahn in Wattenscheid[/headline]
Prolog
Das Leben spielt manchmal die tollsten Komödien. Mir war aber nicht nach Lachen zumute, als ich und meine Freundin Nadine Florian Schulze gegenübersassen. Es war wenig tröstlich, dass dieser auch nicht unbedingt überglücklich dreinsah, und sich nicht entscheiden konnte, was ihn mehr interessierte – die vollgeramschte Tischplatte des edlen Schreibtischs oder seine Finger.
Er seufzte tief, und brach schliesslich das Schweigen. "Das ist nun natürlich ne dumme Situation." Das war es tatsächlich. Er konnte natürlich nichts dafür, dass Nadine mit einem Temperament gesegnet war, dass zwischen Pyrenäen und Ural seinesgleichen suchte.
Klar, sie war hauptberuflich Florians Tochter, aber selbst ihr musste es einleuchten dass ihr Boyfriend natürlich einem Beruf nachgehen musste, wenn er alle Zelte in der Heimat abbrach um bei ihr zu sein. Daran scheiterte sie grandios: Sie stürmte in die Lektorenabteilung der örtlichen Tageszeitung, machte mir eine kinoreife Szene auf deren Höhepunkt sie mir (völlig unzurecht) unterstellte, alles von der Praktikantin bis Chefredakteurin zu...naja, das tut nichts zur Sache. Jedenfalls war ih nun arbeitslos, und da trat Florian Schulze auf den Plan.
Nadines Anliegen war einfach: Ihr Kerl war ihretwegen arbeitslos, und Papa solls nun richten, und dem Auserwählten einen Job besorgen. Am besten einen wo er wenig arbeiten musste und viel Zeit für sie hatte. Achja, und natürlich sollte es da keine Frauen geben, weil man ja den Kerlen nicht einen Moment den Rücken zudrehen konnte, ohne das sie...nun ja, auch das tut nichts zur Sache.
Florian Schulze wollte gerade sein Bedauern über die Unfähigkeit zu helfen ausdrücken, als das Telefon klingelt. Erleichtert, dass Unvermeidliche verschoben zu haben, hob er ab. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich allerdings schlagartig "Was soll das heissen der Blank will nicht? Mehr Kohle? Kann er knicken!" Nun begann auch noch eine bisher unscheinbare Ader auf seiner Stirn zu schwellen. "Es gibt keinen Verhandlungsspielraum! Wir suchen uns wenn anders!" Ich bewunderte die Selbstbeherrschung, mit der Schulze es vermied, das Handy gegen die Wand zu pfeffern. Nach gut einer halben Minute hatte er sich wieder unter Kontrolle, und er nahm ein letztes Mal, mehr Alibi halber meinen Lebenslauf zur Hand.
Er runzelte die Stirn und murmelte "UEFA-B-Lizenz also – das trifft sich gut. Ganz ausgezeichnet sogar..." Der Tonfall gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht. Da hatte Schulze aber seinen nicht unbeträchtlichen Körperumfang schon aus dem Ledersessel hochgehievt und sich meiner Hand bemächtigt. "Damien de Jahn, als Präsident ist es mir ein besonderes Vergnügen, sie als Trainer der Kampfmannschaft des SG Wattenscheid 09 begrüssen zu dürfen!"
Der SG Wattenscheid 09 ist keine der wirklich grossen Adressen im deutschen Fussball, ja nicht mal im Ruhrpott.
Lange sind die Zeiten vorbei, als man unter Hannes Bongartz in der Bundesliga spielte, und wenn es auch nie für die ganz grossen, sprich internationalen Ziele reichte, war man doch einige Zeit die Nummer 1. In Bochum.
Der Klassenerhalt bei gleichzeitigem Abstieg des VfL Bochum wurde 1992/93 wurde an der Lohrheide wie ein Meistertitel gefeiert. Umso bitterer als darauf ein Absturz folgte, der nicht wie der des VfL in der zweiten Spielklasse endete. Am 11. Juni 2010 findet sich der SG Wattenscheid 09 in der NRW-Liga, der 5. Spielklasse wieder.
Das Team
Ich spazierte die Seitenlinie entlang. Das Lohrheide-Stadium ist zwar keine Schönheit aber mit seinen 16.000 Plätzen (davon mehr als ein Drittel Sitzer!) eine der eindrucksvolleren Spielstätten in der NRW-Liga.
Dieses Stadion würde für die nächsten 2 Jahre meine Heimat sein, für durchaus stolze 3.900 Euro im Monat – vorausgesetzt weder Nadine noch Fabian "Nenn mich doch Schwiegerpapa!" Schulze hätten vorher die Schnauze von ihm voll.
Die Chancen dafür standen realistisch gesehen nicht allzu gut. Nadines Temperament war berüchtigt, und man kam nicht umhin zu merken, dass sie es von Papa Schulz geerbt hatte. Alles an und für sich kein Problem – aber ob die Amateur- und Teilzeitkicker der klaren Nummer 2 in Bochum nun das Zeug zum vom "Schwiegerpapa" geforderten Aufstieg hatten, wird sich erst weisen müssen. Das Geld ist leider auch knapp, 100 Jahre Vereinsjubiläum hin oder her.
Ein Mann im Trainingsanzug kam mir entgegen. Sebastian Menz ist mein Co-Trainer und Übungsleiter der Zweiten Garnitur, ein Bär von einem Mann. "Begrüsse sie, Herr de Jahn – ich führ sie mal rum und stell ihnen die Jungs vor."
Die Truppe ist überdurchschnittlich jung – 20 Jahre im Durchschnitt, und wenn Michael Baum mit seinen 28 nicht wäre, ich wäre mit meinen zarten 25 der Älteste in der Kabine.
Tor
Hier führt kein Weg an Jan Euler vorbei – der Junge hat einen gewaltigen Abschlag, ist sehr agil und hat keine Angst vor dem Ball. Flanken und hohe Bälle sind noch nicht sein Ding, aber das kommt noch mit der Erfahrung.
Philipp Kunz ist eindeutig die Nummer 2 zwischen den Pfosten. Die Reflexe sind zwar passabel, aber was dem Jungen durch die Arme rutscht ist schlichtweg nicht mehr feierlich.
Verteidigung
Da haben wir mal den Baum. Michael Baum steht im Abwehrzentrum, trägt die Kapitänsbinde (wahrscheinlich traut sich nur keiner der Kleinen, ihm die abzunehmen) und köpft alles weg was ihm vor die Stirn kommt. Neben ihm steht Carsten Sichler – auch wenn der 23-Jährige ein Verteidiger der alten Schule ist, ist er sehr viel weniger robust, aber dafür schneller als Baum.
Auf der Aussenbahn fängt das Grauen an. Wir haben 4 Leute die sich als linker Verteidiger ausgeben. Das Kevin Adade der beste aus der Reihe ist, ist eher bedenklich für das Team als schmeichelhaft für ihn. Er hat ein rudimentäres Verständnis der Konzepte von "Deckung" und "Ballannahme", aber keinen Funken Spielverständnis. Abgesehen davon hab ich schon Sechsjährige besser passen sehen.
Marcel Schütze ist, auch wenn er gerne mal nen leichten Pass verstolpert, schon bedeutend höher einzuschätzen. Aber für das Spiel mit Offensivverteidigern brauchts immer noch zwei – hier fehlt mir ergänzendes Spielermaterial.
Auch rechts ging hier bislang Quantität vor Qualität - 5 Hände gehen hoch, als ich frage wer hier Rechter Verteidiger spielen kann. Der einzige dem ichs halbwegs abkaufe, ist Marcello Asta. Gut, er ist nun kein David Alaba und wirds auch nie werden, aber er kann hin und wieder nen passablen Pass spielen. Moderner Aussenverteiger wird aus ihm allerdings nie einer werden – Flanken und Dribbelkünste sind absolut indiskutabel.
Hier muss dringend ein Abwehrchef her, jemand der das Spiel lesen und meine Vorstellungen umsetzen kann.
Mittelfeld
Im defensiven Mittelfeld spielt niemand. Also klar, wir haben da Farat Toku, aber ganz ehrlich – das ist fast dasselbe wie nichts. Vielleicht sogar schlimmer. Wenn ich müsste würde ich da Daniel Kocak einsetzen – der Junge hat Potential, und wischt jetzt schon mit Toku den Boden auf, aber ich hab Skrupel einen 15jährigen zu verheizen. Mal ganz abgesehen davon, dass die Position meiner Ansicht nach prädestiniert für einen abgebrühten Routinier mit Spielführungserfahrung ist.
Links geht mir das Herz auf, auch wenn ich Tränen ausbrechen möchte. Tayfun Cakiroglu ist das was ich mir auf einer Aussenbahn wünsche: Schnell, dribbelstark, technisch beschlagen und endlich einer der Flanken schlagen kann. An dem werden wir viel Freude haben. Also bis zum 1.1.2010, weil mit dem Datum hat ihn mein Vorgänger an VfB Speldorf verkauft. Der Junge hat viel Potential, vielleicht gelingt es, ihn nach seinem Speldorf-Intermezzo wieder nach Wattenscheid zu lotsen. Ansonsten muss Dennis Pachutzki herhalten – könnte bei konsequenter Entwicklung auch mal einen guten Linksaussen abgeben, wenn auch nicht mit solch hervorragenden Anlagen wie Cakiroglu.
Rechts haben wir Bülent Gündüz, aber der ist nicht interessant – mir gehts um Norbert Kaul. Keine 15 Jahre alt und schon die Hoffenheimer am Arsch – kein Wunder, spielt er Gündüz doch jetzt schon im Schlaf an die Wand. Von den Anlagen her dasselbe Bild wie Cakiroglu – nur mal eben 5 Jahre früher und körperlich um einiges robuster. Der aktuelle Vertrag läuft bis 2012, mal sehen ob ich da eine vorzeitige Verlängerung erzielen kann.
Im Zentralen Mittelfeld läuft Tolga Öztürk auf – wenn man ihn keine Ecken treten lässt, und noch ordentlich Kondition bolzen lässt, ein sehr solider Allrounder. Simon Rudnik und Maximilian Schreier sind schlichtweg keine Alternative.
Das sogenannte Offensive Mittelfeld ist so ne Sache: Sowohl Cakiroglu als auch Kaul haben auf ihrer respektiven Seite kein Problem vorzurücken, aber in der Mitte klafft eine Lücke. Theoretisch ist Sven Wienecke hier die erste Wahl, aber praktisch gesehen ist die Wahl nicht gut. Wenn man mich fragen würde, was der Sven richtig gut kann, wäre ich überfragt.
Angriff
Ein kurzes Kapitel – auch hier wollen 5 Leute der Torjäger vom Dienst sein. Übrig bleibt Hajrullah Muni. Der 19-Jährige hat seinen Marktwert von 120.000 Euro nicht umsonst – er hat die Anlagen eines kompletten Stürmers - im Bereich Dribbling und körperliche Präsenz ist allerdings noch Raum nach oben. Faruk Gülgün und Kamen Hadzhiev[color=#000000] sind leider weder Ersatz noch Hilfe – die Entwicklung müsste sie schon sehr begünstigen, wenn sie ihr Weg noch ins Stammteam führen soll.
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Neuer Laptop, neues Forum, neuer Spielstand, neue Story, neues Glück.
im nächsten Update werden wir uns mit der Taktik und der Vorbereitung auseinandersetzen - Feedback ist natürlich gern gesehen, sowohl zum Layout als auch zum Inhalt - was fehlt euch an Info, was war zuviel?