33. Teil: Rückrundenvorbereitung
(1. Januar 2013)
Die ersten Tage des neuen Jahres waren geprägt von heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Leitern der ersten und der zweiten Mannschaft, Gaston Deneuve und Marius Mattle. Auch Kristian wurde mit hineingezogen, und alle im Verein bekamen es mit. Es herrschte eine saumäßige Stimmung. Über die wahren Gründe sprach niemand, aber jeder konnte sie sich an seinen zehn Fingern abzählen: Dem großen Zampano ging der Allerwerteste auf Basisgefrorenem, weil er den wie selbstverständlich eingeplanten Aufstieg zu verpassen drohte.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte ich Kristian, der mich ja stets so aufopferungsvoll unterstützt hatte.
„Danke.“, winkte er ab. „Da muss ich allein durch.“
Gastons größtes Problem war seine unnatürliche Mischung aus Selbstherrlichkeit, Ehrgeiz und Neid. Der Neid traf die beiden ungleich erfolgreicheren anderen Trainer des Vereins. Beide wurden von ihm unter den nichtigsten Vorwänden angepöbelt und heruntergemacht. Aber für Kristian gab es auch ein ganz konkretes Thema, um das er schwer zu kämpfen hatte.
„Stell dir vor, er will mir meine besten Jungs wegnehmen.“, klagte er. „Dabei sind wir doch nur so gerade eben drauf und dran, das Ziel zu erreichen, das er selbst vorgegeben hat: den Aufstieg der A-Jugend in die dritte Liga!“
Tatsächlich gab es da einige bemerkenswerte Talente in seiner Truppe. Allein in seiner Stammelf befanden sich etliche Juwelen, auf die die beiden Männertrainer begehrliche Blicke warfen.
Dabei war es geradezu lächerlich offensichtlich, was zu passieren drohte, wenn Gaston oder Marius die besten Spieler abzogen. Denn das waren zunächst einmal Christian (LV) und Hans-Jörg (RV), und man konnte drauf wetten, dass die A-Jugend nicht deshalb mit 28:8 Toren das beste Torverhältnis der Liga hatte, weil ihr Torwart etwa die Schwächen der Abwehr ausbügelte. Im Gegenteil: Hany (TW) war vorige Saison bei uns noch ein super Rückhalt gewesen, hatte sich seither aber kaum verbessert. Doch außer ihm und vielleicht noch Marco (DM) und Fabian (IV) weckte praktisch das ganze Team die Begehrlichkeiten der anderen Trainer, und deshalb hatte Kristian ganz zu Recht Sorge, dass er den erreichbar scheinenden Aufstieg vorzeitig in den Wind schreiben konnte, wenn das große Plündern losging.
Nun, wie es aussah, konnte ich ihm dabei ebenso wenig helfen wie er mir bei meinem Problem mit den fehlenden 90.000 Euro. Wenigstens das Trainingslager, das am 3. Januar begann, konnte ich dank meiner Vorsorge problemlos vom Vereinskonto bezahlen, und es wurde wieder für alle, die dabei waren, eine sehr fröhliche und zugleich lehrreiche Angelegenheit.
Etwa die Hälfte der Zeit war rum, als in der Mittagspause, die jeder zur freien Verfügung hatte, Emmo zu mir angerannt kam.
„Hey, was ist los?“
„Gute Neuigkeiten.“, sagte er und zeigte mir sein Handy. „Hier guck, was Pan auf Facebook gepostet hat: Er ist ab sofort Stammspieler in der A!“
Ich zögerte. „Hmm, das ist ja schön für Pan. Dann hat Kristian wahrscheinlich doch den Christian Kraetschmer abgeben müssen.“
„Ja, sieht so aus.“
Ich rief den Jugendtrainer gleich an, aber schon als er abnahm, merkte ich, dass er durchaus guter Dinge war.
„Nee, das mit dem Christian war natürlich schon überfällig.“, erklärte Kristian. „Hier bei uns hat er zwar Riesiges geleistet, aber er hat sich den Sprung zu den Männern verdient, keine Frage. Das Gute aber ist: ich habe Marius überreden können, dass er mir die anderen alle noch lässt. Er ist ja eh auf einem guten Weg und kann noch nicht mal sicher sein, ob ihm die Ligameisterschaft was nützt, wenn die Erste nicht auch aufsteigt. Und wir kommen auch so gut hin, glaube ich. Pan wird sich in seine Aufgabe reinknien, und am Ende ist er mindestens ebenso gut, das sage ich dir.“
„Das freut mich.“, sagte ich.
„Nur weißt du, was komisch ist? Eigentlich hätte Gaston den Christian gleich in sein Team nehmen müssen, denn er ist allemal stärker als das, was bei ihm auf der linken Abwehrseite spielen kann. Aber nein, er sagt, der soll erst mal in der Reserve Erfahrung sammeln.“
„Das ist ein Fehler, wenn du mich fragst.“
„Sehe ich auch so. Du, wart's ab – irgendwann macht der Deneuve seinen letzten Fehler, da kannst du Gift drauf nehmen.“
„Und dann?“
Er machte eine kurze dramatische Pause, ehe er sagte: „Dann bist du dran!“
Nun, erst einmal absolvierten wir ein rundum gelungenes Trainingslager. Mit dabei gewesen waren natürlich auch unsere beiden Neuen, die sich gleich problemlos in das Team einfügten.
Von den beiden versprach ich mir noch mehr Sicherheit in der Defensive. Letztes Jahr hatten wir in der vierten Liga mit Abstand die wenigsten Gegentore kassiert, und auch jetzt standen wir im Vergleich nicht ganz schlecht da. Dass wir vorn immer noch relativ wenig trafen, fiel dann nicht groß ins Gewicht, wenn in der Regel die Null stand.
Die Stimmung war jedenfalls bestens. Etwas bekniffen waren nur die Jungs, deren Positionen jetzt von den beiden Neuen okkupiert werden sollten. Schließlich hatten wir jetzt vier Torhüter und drei linke Verteidiger.
Als Ersatzkeeper empfahl sich fraglos Kai, der bislang sämtliche Spiele gemacht hatte und im Trainingslager seinen verletzungsbedingten Rückstand wieder aufgeholt hatte. Für Bude sprach allein sein etwas größeres Talent, sodass er, wenn er dazu bereit war, als dritter Torwart bleiben konnte. Noch klarer war die Situation auf der linken Abwehrseite: Tobias war von Beginn an gesetzt, Florian hatte wie Kai jedes Spiel gespielt und Piotr, einen netten, aber unbegabten Jungen, hatte ich nur zweimal kurz eingewechselt. Bevor ich eine Entscheidung verkündete, ließ ich dem Team aber noch Zeit, sich selbst mit der Situation auseinanderzusetzen.
Am Wochenende kam es dann zum zweiten Mal zu dem Ereignis, das – wenn es nach Kristian ging – künftig durchaus regelmäßig stattfinden konnte: ein Aufeinandertreffen von Profis und Jugendmannschaft. Selbstredend fanden auch wir uns alle am Trainingsplatz ein.
Diesmal gaben sich die Männer allerdings keine Blöße. Nur Hany (TW) durfte stolz auf sich sein, denn er hielt einen Elfer. Aber auch sonst schlugen sich Pan, Lan, Kevin und Co. achtbar, und am Ende gab es ein standesgemäßes 6:0.