PROLOG
Die Sonne strahlt. Es sind mindestens 30° Celsius und nur die angenehme Luft des Atlantik sorgt für etwas Abkühlung. Trotz des bombastischen Wetters sieht man kaum eine Menschenseele auf den Straßen. Ich renne entlang der Avenida Buenos Aires und kann schon von weitem das Estadio Riazor sehen. So gern ich dort bin, ich muss weiter... noch 30 Minuten. Das wird knapp. Auf meinem Weg fliegen Möwen hinter mir her und die Sonne brennt erbarmungslos auf meinen Nacken. Aber ich kann mich nicht aufhalten lassen. Oder besser - ich will es nicht.
Ich habe die Häuser der Stadt hinter mir gelassen und spurtete mit letzter Kraft den Hügel am Kap der Stadt hinauf. Endlich da! Der Herkulesturm. Wahrzeichen meiner Heimatstadt: A Coruña. Normalerweise sind immer Menschenmassen unterwegs, doch heute sieht man nur vereinzelt ein paar Touristen. Ich setze mich in den Schatten des Turms, nehme einen tiefen Schluck aus meiner Wasserflasche und schaue auf die Uhr. Noch 5 Minuten... Ich bin mega aufgeregt!
Um zu wissen, warum dieser Tag so besonders ist, sollte ich wohl die näheren Umstände erklären. Wie bereits erwähnt befinden wir uns in der galicischen Stadt A Coruña am nordöstlichen Ende Spaniens. Eine bedeutende Hafenstadt, die schon vor den Römern von Kelten und Phöniziern genutzt wurde. Der Herkulesturm wurde übrigens von den Römern als Leuchtturm errichtet. In dieser schönen Hafenstadt wohnen ungefähr 400.000 Menschen. Und alle von ihnen sind begeisterte Fussball-Fanatiker. Natürlich, spielt man doch in einer der Top-Ligen Europas. Und die Nachbarn aus Portugal stehen den Spaniern in Sachen Fussballverrücktkeit in nichts nach. Der ganze Stolz der hiesigen Fans ist unser Verein - Deportivo de la Coruña!
Doch es steht nicht gut um Deportivo. Hat sich A Coruña im Jahr 2000 noch zum ersten spanischen Meister dieses Jahrtausends gekrönt, ist davon leider nicht mehr viel übrig. Geldverschwendung, schlechte Transfers und noch schlechtere Entscheidungen. Der Verein ist quasi pleite, spielt seit Jahren gegen den Abstieg. Kurz gesagt: In der jetzigen Form ist der Verein nicht überlebensfähig. Weswegen heute hoffentlich ein neuer Meilenstein gesetzt wird und eine neue Ära in der Geschichte unseres Vereins beginnt.
Noch 2 Minuten... Wer ich bin, fragt ihr euch? Ich bin niemand besonderes. Quintillo Arameñas ist mein Name und ich arbeite für einen kleinen Fischereibetrieb am Hafen. Natürlich habe ich auch versucht in die Jugend von Deportivo zu kommen. Aber leider bin ich nicht sonderlich talentiert. Dafür ist meine Leidenschaft für diesen Sport und diesen Verein umso größer! Ich würde mich selbst als Deportivos größten Fan bezeichnen! Das reicht natürlich nicht aus, dass Geschichten über mich erzählt werden. Geschichten werden über andere erzählt. Nur noch ein paar Sekunden... Ich krame aus meiner Tasche mein Tablet und logge mich auf der Vereinsseite ein. Es beginnt eine Pressekonferenz. Ich möchte euch gern so eine Geschichte über eine besondere Person erzählen. Und der Protagonist ist der Mann, der gerade zu sehen ist.
Gonzalo Raúl Aspas wird der neue Trainer und Manager bei Deportivo! Ihr kennt ihn wahrscheinlich nicht. Aspas war damals Jugendspieler bei Deportivo. Ein Riesentalent! Leider wurde seine junge Karriere durch eine schwere Knieverletzung beendet, die nie richtig kuriert werden konnte. Der Schock saß bei ihm und den Fans tief, weshalb er sich aus der Öffentlichkeit zurück zog. Doch er war schon immer ein pfiffiges Kerlchen, sodass er im Unternehmen seines Vaters anfing und dieses schlussendlich auch übernahm. Er schien auf einer Welle des Erfolgs zu schwimmen. Er machte seine Trainerscheine, war ein gern gesehener Gast im regionalen Fernsehen und hat den Bezug zu seinem Verein nie wirklich verloren. Aufgrund seiner kräftigen Statur, die er als Spieler hatte, war sein Spitzname von Anfang an Herkules. Dem Namensgeber des Turms, an dessen Fuß ich gerade sitze. Dem Wahrzeichen unserer Stadt. Und Aspas schickte sich an das Wahrzeichen von Deportivo zu werden. "Niemand kann Herkules schlagen!" und "Nichts ist zu schwer für Herkules!" riefen ihm die Fans in der Jugend von den Rängen zu. Und nun erwartete jeder von ihm, dass er das auch als Verantwortlicher wahr machte. Es gibt durchaus leichtere Aufgaben. Doch die ganze Stadt vertraut ihm. Und alle hoffen, dass er diese Aufgabe meistert.