Der bemerkenswerte Weg des Emmo W.

  • Black Friday hin oder her – der eine oder andere hier wird es sich schon gedacht haben: Emmo und Malte verschwinden nicht einfach so. Und richtig: jetzt sind sie wieder da, und das sogar in „voller Pracht“. Der Titel ist auch wieder der alte, trotz der vielfach zu Recht bemängelten „Emmo-Schwäche“. Aber weil die Zeit nicht nur in der Realität, sondern auch in der FM-Welt inzwischen vorangeschritten ist, erhält die Story in diesem ersten Post eine andere Blickrichtung. (Wer das danach Folgende schon aus dem Board oder aus der Zeit vor dem Black Friday kennt, kann einen großen Sprung machen.)


    Sprungmarken:
    Abschnitt 1: Der Weg zum ersten Vertrag
    Abschnitt 2: Emmo startet durch
    (Fortsetzung nach dem Gate-Crash)
    Abschnitt 3: Emmo und Malte rocken Lübeck
    Abschnitt 4: Aus Jungs werden Männer
    Abschnitt 5: Emmo will mehr
    Abschnitt 6: Der VfB Lübeck in der Bundesliga
    Abschnitt 7: Neue Ordnung, neue Zeitrechnung
    Abschnitt 8: Auf dem Weg (möglichst) nach ganz oben

    Abschnitt 9: Projekt Titelverteidigung



    Pro-Prolog
    (1. Juli 2015)


    „Es ist einfach unglaublich!“, rief Emmo und drehte sich mit ausgebreiteten Armen unablässig im Kreis. „Einfach unglaublich!“


    Ich war mir nicht sicher, was er damit meinte: die Wohnung, in der wir uns hier befanden und die jetzt seine war, die Wahnsinns-Saison, die wir gerade mit dem VfB Lübeck hinter uns hatten, das ganze Geld, das zurzeit nur so herumzuflattern schien, oder vielleicht all das zusammen. Auf jeden Fall war er eindeutig glücklich, zufrieden und stolz auf das, was er erreicht hatte. Und das zu Recht.


    „Du hast es dir wirklich verdient.“, sagte ich und setzte mich mit der Tasse Kaffee, die ich mir gerade in der Küche eingegossen hatte, auf einen der Kartons.


    „Nein, halt – nicht darauf!“, wollte Emmo mich bremsen, aber es war schon zu spät. Unter mir gab es ein leichtes Knacksen, und ich schoss sofort wieder hoch. „Na, macht nichts!“, lachte Emmo dann. „Das war nur die Schreibtischlampe von meinem Alten. Und ich fürchte, er wird sie mir wieder reparieren wollen.“


    Wir lachten beide. So zufrieden wie heute hatte ich Emmo lange nicht erlebt. Oder vielleicht noch nie. Gestern hatte er den ganzen Tag zusammen mit seinen Freunden Möbel und Kisten geschleppt, und seit heute war er stolzer Mieter dieser Wohnung in der Lübecker Innenstadt. Er hatte völlig recht, es war kaum zu glauben, wie sich sein Leben in den letzten vier Jahren verändert hatte.



    „Komm, wir setzen uns in die Küche.“, schlug er vor. „Da gibt es wenigstens schon mal zwei freie Stühle.“


    „Wo hast du eigentlich heute Nacht geschlafen?“


    „Och, auf der Matratze, die jetzt im kleinen Zimmer an der Wand lehnt. Ich musste ja heute früh gleich erst mal den PC und den Router klarmachen.“


    „Ach, Mensch, hätte ich fast vergessen: ich hab' ein bisschen Frühstück mitgebracht.“


    Dann saßen wir in Emmos Küche und mampften Croissants, Brownies und Ananas, dazu gab es schon etwas abgekühlten Kaffee und ungekühlten Orangensaft.


    „Ein etwas eigenwilliges Frühstück!“, lachte er, langte aber doch von allem zu.


    „Du kannst sagen, was du willst, ich finde es super gemütlich bei dir.“


    Er nickte, während er kaute. In den nächsten Tagen würde er hier noch viel zu tun haben, aber natürlich halfen ihm seine Freunde auch dabei, die Wohnung einzurichten. Eigentlich hatte ich ihm zur Feier des Einzugs eine Flasche Champagner mitbringen wollen, aber die lag jetzt zerbrochen unten vor dem Hauseingang, weil sie mir bei dem Versuch, Emmos Klingelknopf ohne Verlust der Brötchentüte zu erreichen, aus der Hand geglitten war.



    „Sag mal, Malte, was ich dich schon länger mal fragen wollte: Wie bist du eigentlich zum VfB gekommen?“


    „Kannst du dich gar nicht daran erinnern?“


    „Nee, nur ganz dunkel. Ich muss auch ehrlich zugeben, dass ich ziemlich wenig über die Geschichte unseres Vereins weiß.“


    „Na“, sagte ich, „das müssen wir aber ändern. Willst du noch Kaffee?“


    „Danke, lieber von dem O-Saft.“


    Und während ich ihm eingoss, begann ich ihm schon in gedrängter Kürze das Wichtigste über den Verein für Bewegungsspiele Lübeck von 1919 e.V. zu erzählen.



    Vor hundert Jahren wurde Fußball vor allem in unorganisierten Straßenclubs gespielt. Einer dieser Straßenclubs in Lübeck nannte sich Hansa, und dessen Spieler gründeten am 1. April 1919 den BSV Vorwärts, der aber 1933 als Arbeitersportverein von den Nazis verboten wurde. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, im Sommer 1945, gründeten Sportler des von den britischen Besatzern aufgelösten Polizeisportvereins der Stadt und des ehemaligen BSV Vorwärts den VfB Lübeck als Rechtsnachfolger des früheren Straßenfußballclubs.


    Bis zur Einführung der Bundesliga pendelte die Fußballmannschaft des VfB zwischen Oberliga und Amateurliga der britischen Besatzungszone, ehe sie sich 1963 für die Regionalliga Nord – die zweite Klasse unter der Bundesliga – qualifizieren konnte. Elf Jahre lang spielten die Lübecker zweitklassig und erreichten 1969 einmal die Teilnahme an der Aufstiegsrunde zur Bundesliga, wo sie aber von fünf Teams Letzter wurden. 1974 verpassten sie die Qualifizierung sowohl für die neue 2. Bundesliga als auch für die Amateuroberliga und wurden mit einem Schlag viertklassig. 1995 und 2002 gelang dann jeweils für zwei Jahre der Aufstieg in die Zweite Liga, aber ab 2008 sorgten finanzielle Schwierigkeiten dafür, dass mehr als die Viertklassigkeit nicht drin war und 2013 sogar ein Zwangsabstieg in die Schleswig-Holstein-Liga erfolgt wäre – hätte nicht das Trainergespann um Malte Womerde die Geschichte neu geschrieben.



    „Boh, dann sind wir ja jetzt so gut wie seit über zehn Jahren nicht mehr!“, staunte Emmo.


    „Das stimmt. Und vielleicht ist unsere Erfolgsstory ja noch gar nicht an ihrem Gipfel angekommen!“


    „Und wie sah es im Pokal immer so aus?“


    „Tja, da haben wir es 2004 immerhin einmal bis ins Halbfinale geschafft, ehe wir bei Werder Bremen unglücklich mit 2:3 ausgeschieden sind. VfB-Trainer war damals übrigens Dieter Hecking. Aber den Landespokal Schleswig-Holstein konnten wir seit 1956 insgesamt elfmal nach Lübeck holen.“


    „Dieter Hecking? Krass! Gab es denn sonst noch bekannte Trainer hier?“


    „Einer hatte den schönen Namen Heinz Spundflasche; der hat den VfB 1963 in die bundesweite Zweitklassigkeit geführt. Später gab es bekannte Namen wie Peter Nogly, Heinz Höher, Karl-Heinz Körbel und Uwe Erkenbrecher, um nur einige zu nennen.“


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    (Quelle: kicker.de – Karl-Heinz „Charly“ Körbel, 6-facher Nationalspieler)


    Aber ich erzählte Emmo natürlich auch noch von den größten Rivalen des VfB. Da war zunächst der 1. FC Phönix Lübeck, der bis in die dreißiger Jahre unbestritten die Nummer eins in der Stadt war. Nach dem Krieg gab es häufig heiße Lokalderbys, bis hin zu dem legendären 7:5 im Aufstiegskampf 1988. Heute ist Phönix ein unterklassiger Verein und spielt in der Kreisliga Lübeck.



    Traditionell heiß umkämpft war auch immer das Schleswig-Holstein-Derby zwischen dem VfB und Holstein Kiel. Da hatten – vor allem im Pokal – meistens die Kieler die Nase vorn. Dennoch waren die Lübecker zuletzt überwiegend die Nummer eins im nördlichsten Bundesland.


    [Blocked Image: http://s1.directupload.net/images/140406/ip4qfft3.jpg]
    (Quelle: de.wikipedia.org – Übersicht über die bestplatzierte Mannschaft in Schleswig-Holstein)


    „Ansonsten gibt es in jüngerer Zeit noch eine leidenschaftliche Rivalität mit dem FC St. Pauli.“, erklärte ich weiter.


    „Na, dann können wir uns ja diese Saison endlich mal wieder auf Derbys mit heißen Fanreaktionen gefasst machen!“, konstatierte Emmo. „Pauli spielt ja jetzt mit uns in einer Liga.“


    „Stimmt. Und nicht mehr nur Zweite gegen Zweite, wie wir es jetzt jahrelang zur Genüge hatten.“


    „Sag mal, und du? Wie bist du damals hier zum Club gekommen? Ich weiß nur noch, dass du irgendwann bei meinen Eltern auftauchtest.“


    Ich nickte. „Willst du die kurze oder die lange Fassung hören?“


    „Die lange!“, sagte er ohne zu zögern.


    „Okay. Dann sollten wir aber vielleicht doch mal die beiden großen Sessel drüber freiräumen und es uns gemütlich machen.“ Und dann fing ich an: „Das war irgendwann im Juni 2011, also vor ziemlich genau vier Jahren. Du musst damals, warte mal – ja, du warst gerade vierzehneinhalb Jahre alt…“

  • Lektoratsoffizier Panthera meldet sich (erneut) zum Dienst!


    Gut zu wissen, dass du Womerde und Emmo wieder rausfischen konntest. Jetzt erst mal den Anker klarieren, bevor wir den Inhalt festmachen können:
    Den ersten Abschnitt dieser Neuauflage muss ich für mich erst mal einordnen. Irgendwie hoffe ich ja immer noch darauf, dass sich das verlorene Versatzstück wieder auffindet, denn dieser Part ist (aus der Perspektive eines Stammlesers) ein großer inhaltlicher Sprung. Fast liest er sich wie der Beginn einer neuen Story, aber dafür werden die beiden Charaktere nicht detailliert genug eingeführt. Das ist aber nicht schlimm, da die Mehrheit die Vorgeschichte ja kennen wird (notfalls im Board nachlesen) bzw. die Wiedereinführung ja nebenher einfließen kann.
    Was mir inhaltlich auffällt, ist dass Emmo mal wieder sehr erwachsen rüberkommt. Der Rest ist halt eine Zusammenfassung der Vereinsgeschichte aus Wikipedia. Sympathisch vorgetragen zwar, aber halt nicht in so großer Schöpfungshöhe, als dass ich viel darüber sagen könnte.


    Also ich hoffe auf eine wundervolle Fortsetzung deines bisherigen Erfolgsmodells. Mast- und Schotbruch!

  • Ich bin froh, dass ihr beide den Weg hierher gefunden habt und nun die FMWelten bereichert. Der eine mit seiner Story, die wieder gut geschrieben und viel versprechend rüber kommt. Der andere mit seinen Kommentaren, die sich wirklich sehr gut lesen.


    Wenn jetzt noch Lancelot wieder aktiver würde ... ach nee, wat wär datt schön.


    Ich freue mich auf alle Fälle auf mehr!

  • Panthera: Super, dass du wieder dabei bist, Lektoratsoffizier! :manual: Aber zunächst mal heißt es nur: rühren! Denn der erste Abschnitt ist ja sattsam bekannt, wenn man ihn im Board verfolgt oder das (verschütt gegangene) pdf gelesen hat. In der kleinen Rahmenhandlung ist Emmo tatsächlich schon etwas reifer, denn da befinden wir uns ganze vier Jahre in der Zukunft! (Siehe ansonsten auch mein Gespamme im Spam-Thread.)


    @siika: Schön, dass wir dich froh machen. Und Lancelot wird für diese Story sowieso unbedingt gebraucht! :hutab:



    Abschnitt 1: Der Weg zum ersten Vertrag


    Prolog


    Als ich Emmo zum ersten Mal begegnete, war er 14 Jahre alt. Das war im Sommer 2011. Er kickte mit ein paar anderen Jungs und Mädchen auf dem Bolzplatz hinter dem großen Wohnkomplex, in dem überwiegend vielköpfige Familien mit geringem Einkommen leben. Es war sommerlich warm, die Kids hatten Ferien, aber ihre Eltern nicht das Geld zum Verreisen. Also traf man sich draußen, und die meisten derer, die keinen Bock auf Rumhängen und Alk hatten, spielten Fußball.



    Es waren viele. Zu viele für den kleinen Platz mit den löcherigen Toren. Und dennoch fiel einer von ihnen sofort auf, und das war Emmo. Er tanzte seine Gegner auf dem engen Spielfeld förmlich aus, verteilte die Bälle ein ums andere Mal klug an seine Mitspieler und lenkte das Geschehen so geschickt, dass seine Mannschaft zwangsläufig als Sieger vom Platz ging.


    An den folgenden Tagen beobachtete ich den Jungen des Öfteren, und es wurde mit jedem Mal offensichtlicher, dass er ein riesiges Talent besaß. Einmal, als er nach einem Spiel auf dem Weg in einen der Wohnsilos war, kamen wir miteinander ins Gespräch. Ich erfuhr, dass er dieselbe Schule besuchte, auf die auch meine Kinder gegangen waren, und dass er in keinem Verein spielte, weil seine Eltern weder für die Mitgliedsbeiträge noch für die Sportausstattung Geld auszugeben bereit waren. Okay, dachte ich, da muss man etwas tun. Ich fragte Emmo zuallererst selbst. Seine Reaktion erstaunte mich total: Nein, sagte er, das geht auf gar keinen Fall. Seine Eltern würden ihn auslachen. Und wenn überhaupt, dann müsste zuerst sein älterer Bruder Kevin gefördert werden. Das sagte er. Aber in seinen Augen konnte man etwas ganz anderes lesen.


    In der nächsten Woche sprach ich mit Emmos Eltern. Der Vater, Frank Winter, arbeitete als Springer in einem Fuhrunternehmen, die Mutter war arbeitslos. Sie hatten vier Kinder: Saskia, die Älteste, dann Kevin und Emmo, schließlich noch die kleine Ivonne. Zuerst verhielten sie sich mir gegenüber sehr reserviert, nahezu feindselig, aber das gab sich allmählich, als sie erfuhren, was für Möglichkeiten ich für ihren Sohn zu sehen meinte. Immerhin erklärten sie sich damit einverstanden, dass ich den Jugendtrainer des Sportvereins ansprach, immer vorausgesetzt, dass sie nichts, aber auch gar nichts zu bezahlen hatten.


    Zehn Tage später waren Kevin und Emmo eingetragene Mitglieder des VfB Lübeck.




    1. Teil: Ein ungewöhnliches Talent
    (1. Juli 2011)


    In der nächsten Zeit ging ich, wann immer ich konnte, zum Jugendtraining und stellte fest, dass Emmo sich sehr gut in das Team einfügte. Er selbst war mächtig stolz darauf, dem Verein anzugehören und sein Wappen auf der Brust zu tragen, und stets, wenn ich kam, begrüßte er mich, indem er mir zuwinkte. Meistens gingen wir anschließend zusammen nach Hause, und er erzählte mir, wer die anderen Jungs in seiner Klasse, der B-Jugend, waren.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Am besten verstand er sich mit Pan und Lan, und die drei wurden bald ein unzertrennliches Trio, das sich auch auf dem Platz nahezu blind verstand. Pan Thera war ein sehr robuster Linksverteidiger, der eigentlich Panaiotis hieß und Eltern griechischer Abstammung hatte. Lan dagegen war sehr schnell auf der rechten Seite unterwegs; sein Name war Lancester Christopher Lott, aber alle nannten ihn nur Lan. Schon im Training ließ sich erkennen, dass sich da ein sehr effektives Dreieck bildete, denn entweder versorgte Pan Emmo von der linken Abwehrseite mit langen Pässen oder rechts holte sich Lan die Bälle von hinten, sauste die Außenlinie entlang und brachte präzise Flanken nach innen. Stark in der Abwehr war auch Ingo, gemeinsam mit Emmo der Jüngste im Team, der alles, was bis zu ihm durchkam, konsequent nach vorne drosch, und für die meisten Tore sorgte Wolfgang, der zurzeit wohl als der stärkste Spieler des Teams gelten konnte.


    Allerdings hatten die Winters mir auch zu verstehen gegeben, dass es mit Emmos schulischen Leistungen nicht immer zum Besten bestellt war. Deswegen sprach ich nach einer Woche den Jugendtrainer an, der Daniel Celio hieß.


    „Emmo ist ja sehr willig, mehr für die Schule zu tun“, sagte ich, „aber in ein paar Fächern bräuchte er unbedingt Nachhilfe, und das Geld dafür haben die Eltern einfach nicht.“


    „Nein, Herr Womerde, ich sehe da überhaupt keine Probleme.“, war die Antwort. „Der Emmo scheint tatsächlich ein immenses Potenzial zu besitzen, und da zeigt sich der Verein dann gerne auch einmal großzügig. Ich will sehen, was ich machen kann, aber in so einem Fall lässt sich bestimmt eine geeignete Lösung finden.“



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Es war ein sehr freundliches und fruchtbares Gespräch, aber es stellte sich auch heraus, dass Herr Celio nur ein ehrenamtlicher Mitarbeiter war, der weder großen Einfluss auf das Vereinsgeschehen hatte noch sonderliche Qualitäten als Trainer vorweisen konnte.


    „Wenn Sie beim VfB mehr für Ihren Schützling erreichen wollen“, riet er mir, „dann sollten Sie sich direkt an die Leitungsebene wenden.“


    „Naja“, sagte ich, „Schützling ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Ich habe nur den Eindruck, dass Emmo unbedingt gefördert werden sollte und dass die Eltern da anscheinend ein bisschen überfordert sind.“


    Aber ich befolgte seinen Rat. Und so lernte ich noch am selben Tag Jérôme Vollborn, den Präsidenten des Vereins, kennen. Er lud mich in sein großzügig ausgestattetes Büro ein, bot mir Kaffee und schon nach erstaunlich kurzer Zeit das Du an.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Also, Malte, du sprichst da einen ganz wunden Punkt an.“, gab er unumwunden zu. „Die Jugendarbeit liegt bei uns ziemlich im Argen. So ungern ich das sage: es liegt schlicht und einfach am lieben Geld. Gerade kürzlich habe ich versucht, einen kompetenten Jugendtrainer einzustellen, aber wenn du unser Budget sehen könntest, dann wüsstest du, was ich meine.“



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Er sah mich mit einem betont leidenden Blick an, der bei mir Zweifel aufkommen ließ, ob er nicht konnte oder nicht wollte. Wie er da in seinem wuchtigen Chefsessel thronte, machte er eher den Eindruck, als wäre es ihm völlig gleichgültig, ob er einem Fußballverein oder einem beliebigen anderen Unternehmen vorstand. Aber immerhin gelang es mir ihn dazu zu bewegen, Emmo einen Mentor zuzuteilen, der sich um seine Integration in den Club kümmern und ihm bei Fragen und Problemen zur Seite stehen sollte. Es handelte sich dabei um Gottfried Ehrenreich, einen Mittelfeldspieler aus der zweiten Mannschaft, der das Amt dann auch sehr gern annahm.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Ja“, sagte er bei einem ersten kurzen Gespräch, „ich habe schon gehört, dass wir da so ein großes Jugendtalent haben sollen. Bin mal gespannt, ob wir sogar eines Tages zusammen in einer Mannschaft stehen. Auf jeden Fall kann ich ihn beim Donnerstagstraining immer mal zur Seite nehmen und ihm dies und das zeigen und erklären.“


    Gottfried war 23, also selbst nur neun Jahre älter als Emmo. Seine stärksten Positionen (RM, OM, ZM) entsprachen denen von Emmo und wie jener war er der Typ eines Spielmachers. Seit einem Jahr spielte er für die Reserve des VfB und hatte einen Vertrag bis zum 30. Juni 2015.


    „Das wäre natürlich super.“, erklärte ich. „Vor allem kann er bestimmt auch hin und wieder jemanden gebrauchen, zu dem er mit Schulproblemen und dergleichen kommen kann.“


    „Also, kein Ding – da ist er bei mir immer richtig.“, versicherte Gottfried, und ich hatte das Gefühl, dass er es wirklich ehrlich meinte.



    2. Teil: Ein unverhofftes Interview
    (7. Juli 2011)


    Schon am nächsten Donnerstag erschien Gottfried tatsächlich beim Jugendtraining, sprach mit Emmo und den anderen, zeigte ihnen ein paar Tricks und alle hatten offensichtlich Spaß. Ich hielt mich etwas abseits, wechselte höchstens mal ein paar Worte mit Daniel Celio, der sich hier buchstäblich um alles kümmerte. Übrigens auch um technische Dinge und EDV-Fragen, was mir später noch einmal sehr nützlich werden sollte. Und plötzlich fiel mir am gegenüberliegenden Spielfeldrand ein Typ auf, den ich irgendwo schon mal gesehen hatte.


    „Wer ist eigentlich der da drüben, mit dem Notizblock? Gehört der hier irgendwie dazu?“


    „Ach, das ist so ein Pressefuzzi.“, erklärte Daniel. „Normalerweise verfolgt der alles, was die Erste macht. Dass er heute hier ist, wundert mich allerdings auch.“


    Und da fiel mir auch ein, woher er mir bekannt vorkam. Als ich neulich beim Training der Männer mit Gottfried sprach, stand er genauso lauernd in der Gegend herum wie jetzt da hinten. Presse? Was konnte es für die denn hier Interessantes geben? Aber das sollte ich dann schon recht schnell erfahren. Denn gerade, als ich nach dem Training heimwärts abziehen wollte, sprach mich der Mann von hinten an.


    „Herr Womerde?“


    Ich wandte mich um. Woher kannte der meinen Namen?


    „Kennen wir uns?“


    „Ulrich Leitenberg, Lübecker Express.“ Er reichte mir die rechte Hand entgegen, der Kuli steckte noch zwischen Zeige- und Mittelfinger. Ich griff vorsichtig hin, sodass es nach einem Handschlag aussah, ohne dass eine Verletzungsgefahr bestanden hätte.


    „Worum geht es?“



    „Herr Womerde, wie man hört, wächst in der B-Jugend eine hervorragende Spielergeneration heran. Was dürfen wir in Zukunft von diesen Jungs erwarten? Ist es das beste Team, das der VfB je zu seiner Jugendabteilung zählen konnte?“


    Ich war einfach nur baff. Der Mann wirkte ja nicht unsympathisch, aber diese Direktheit machte mir irgendwie zu schaffen. Ich beschloss, mich zurückhaltend zu geben. Vielleicht würde er dann ja doch eher die Leute interviewen, die zum Verein gehörten und wirklich etwas zu sagen hatten.


    „Naja, die Jungs sind schon alle super. Aber das beste Team… ich weiß nicht. In der Jugend kommt es ja jedes Jahr zu Verschiebungen, etliche aus der Vorsaison spielen jetzt in der A-Jugend, dafür sind Jüngere nachgekommen und einige sind auch ganz neu im Verein.“


    Herr Leitenberg kritzelte irgendwas, ehe er fortfuhr.


    „Besonderes Aufsehen erregt der junge Emmo Winter, der als Jahrhunderttalent gehandelt wird. Was ist da dran? Ist der Junge wirklich so gut? Und passen er und sein Bruder als Bolzplatzkicker überhaupt in eine richtige Mannschaft, auch was den Charakter betrifft?“


    Meine Güte, der hatte sich ja richtig krasse Fragen zurechtgelegt. Über die musste ich selbst erst mal nachdenken. Doch auf die Schnelle antwortete ich ihm:


    „Ja, der Emmo, der kann wirklich was. Sie haben recht, dass sich jetzt im Verein erweisen wird, was er in einem echten Team beisteuern kann. Für Kevin gilt im Prinzip dasselbe. Das hängt dann natürlich auch sehr vom Trainer ab.“ Ich verkniff mir aber eine Bemerkung dazu, dass es dem Verein anscheinend am Geld für einen ordentlichen Jugendtrainer fehlte. Doch auch da hatte er schon gleich den richtigen Riecher.


    „Angesichts der finanziellen Lage drängt sich die Frage auf, ob Jungs wie die Winters, Thered, Zurawsky, Thera, Henn oder auch Lott überhaupt jemals für den VfB auflaufen werden. Bei einem anderen Verein wäre doch für solche Leute eine bessere Infrastruktur vorhanden, von den finanziellen Aussichten ganz zu schweigen.“


    Wahnsinn, dieser Leitenberg kannte ja sogar die Namen der Jungs! Wieso, schoss es mir durch den Kopf, hatte er sich so mit dem B-Jugendteam befasst? Ob Gottfried ihn mobilisiert hatte, oder Daniel? Oder er war einfach nur so einer von diesen irren Journalisten, die sich in ein Thema verbeißen in der Hoffnung, damit mal bei ihrer Zeitung groß rauszukommen.


    „Stimmt schon, das liebe Geld.“, sagte ich sibyllinisch. „Hier beim VfB sprudelt es jedenfalls nicht gerade, und ich persönlich bin sowieso chronisch pleite.“ Dazu versuchte ich ein vielsagendes Grinsen. „Aber in diesem Alter, glaube ich, wollen die Jungs vor allem spielen, und das können sie hier jedenfalls. Ihre Mannschaft spielt in der vierten B-Jugendliga, und da treffen sie auf Gleichaltrige, die genau so wild auf Fußball sind wie sie. Und aufs Gewinnen.“


    Nun, sehr intelligent fand ich die Antwort selbst nicht, aber Herr Leitenberg war's zufrieden. Er machte sich noch ein paar Notizen und verschwand dann in Richtung seines schwarzen Golf, der auf dem Parkplatz des Vereinsgeländes stand. Schwarzer Golf – das passte zu einem wie Ulrich Leitenberg.

  • 3. Teil: Vielversprechender Beginn
    (10. Juli 2011)

    Hm, könnte man auf die Idee kommen, dass es da einen Maulwurf gibt?, dachte ich bei mir. Bislang wurde über die wahre Begabung des Jungen nur vereinsintern gesprochen und innerhalb einer Woche weiß irgendein schmieriger Reporter schon davon? Das kann kein Zufall sein!

    Aber egal. Jetzt konnte es für Emmo erst einmal richtig losgehen. Das erste Spiel würde seine Mannschaft am 18. August daheim gegen Hessen Kassel zu bestreiten haben, aber bis dahin blieb noch einige Zeit, die hoffnungsvolle B-Jugendmannschaft des VfB Lübeck auf eine erfolgreiche Saison vorzubereiten. Emmos Qualitäten und Eigenschaften sprachen jedenfalls stark dafür, dass er zur Startelf zählen würde.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Mit Jérôme Vollborn, dem Präsidenten, traf ich mich jetzt häufiger, zumal wir eine gemeinsame Leidenschaft für schottische Whiskys entdeckt hatten.

    „Ich habe beschlossen“, kündigte er bei einem Glas Ardbeg Single Malt an, „mich in nächster Zeit mehr um unsere Jugend zu kümmern. Als Erstes habe ich gleich mal einen Jugendtag veranstalten lassen, und siehe da: wir konnten sogar ein weiteres Talent entdecken.“


    (Quelle: Screenshot FM12)


    André war Stürmer, was ganz gut passte, da Wolfgang Zurawsky bislang der Einzige für diese Position war; andererseits stellte er für diesen keine wirkliche Alternative dar, eher nur einen Ersatz oder gelegentlich einen Partner, wenn mit zwei Spitzen gespielt werden sollte.

    Bei zwei weiteren Fragen zog Jérôme mich sogar zu Rate, ehe er eine Entscheidung traf.




    (Quelle: Screenshots FM12)


    „Was meinst du, Malte“, fragte er am Sonntagvormittag am Telefon, „könnte der eine Bereicherung für Emmo und das Mittelfeld sein?“ Er sprach von dem 15-jährigen Jawanza; elf Tage zuvor waren wir uns ohnehin sofort einig gewesen, dass eine Erweiterung des B-Jugend-Kaders für den geforderten Preis von 25.000 Euro nicht lohnte. Dmitrijs war damit schlichtweg zu teuer. Und auch jetzt hörte ich ihm deutlich an, dass er Zweifel hatte.

    „Glaube ich nicht.“, sagte ich daher auch. „Der Junge säße wohl eh nur auf der Bank. Einen ballsicheren Spieler für das zentrale Mittelfeld könnten wir noch ganz gut gebrauchen, aber Jawanza bringt einfach nicht die nötige Qualität mit.“

    Jérôme brummte zufrieden, wobei ich nicht sicher war, ob seine Zufriedenheit meiner Antwort, ihm selbst oder dem Whisky galt, von dem er sich, wie ich durch das Telefon hören konnte, offenbar gerade wieder nachschenkte – am Sonntagvormittag! Wie bei unserer ersten Begegnung hatte ich Zweifel daran, wie interessiert er wirklich am Fußball war.


    4. Teil: Trainer gesucht
    (15. Juli 2011)

    Aber Mitte Juli überraschte er mich ein weiteres Mal, als er doch tatsächlich das Geld für ein siebentägiges Trainingslager lockermachte.

    „Es sind ja noch Ferien, da tut es den Jungs nur gut, wenn sie mal zusammen rauskommen.“, sagte er.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Emmo war begeistert! Auch seine Freunde Pan und Lan sowie sein Bruder Kevin bedankten sich bei mir, obwohl ich eigentlich herzlich wenig dazu beigetragen hatte. Gleich am nächsten Tag ging es los, und obgleich das Trainingslager lokal leicht erreichbar war, wurde sogar ein Mannschaftsbus eingesetzt. Eine Woche lang konnten Emmo und Kevin nun ihre Kameraden näher kennenlernen, Taktiken und Fähigkeiten üben und – was für sie das Größte war – zum ersten Mal überhaupt in ihrem Leben so etwas wie Urlaub machen.

    Emmos Fitness, Frische und Form stiegen leicht an, und seine Stärke hatte sogar auf allen Positionen von 34 auf 37 zugelegt.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Vielleicht war das erfolgreiche Trainingslager auch der Grund dafür, dass Stimmen laut wurden, die nach qualifizierter Jugendförderung verlangten.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Jérôme erzählte mir mit einiger Ratlosigkeit davon. Zwar war es ihm gelungen, mit Marius Mattle einen Amateurtrainer einzustellen, der auch durchaus seine Qualitäten als Jugendtrainer gehabt hätte. Aber da sein Vertrag bis zum 30.06.2014 lief, gab es keine Möglichkeit, mit ihm eine Versetzung auf den Jugendtrainerposten zu vereinbaren.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Ich hab ihn gleich gefragt, ob er auch bereit wäre, statt der Reserve die Jugend zu übernehmen.“, berichtete er. „Sogar von Emmo habe ich ihm erzählt und versucht, ihm den Aufbau eines solchen Talentes schmackhaft zu machen. Aber er wollte partout nicht.“

    Es blieb also zunächst alles, wie es war. Am 30. Juli sah ich mir im Vereinshaus zusammen mit Emmo und seinen Freunden die Zusammenfassungen der DFB-Pokalspiele im Fernsehen an. Natürlich waren sie alle für den VfB Lübeck, der aber leider schon in der ersten Runde zu Hause mit 0:2 gegen den FSV Frankfurt ausschied. Von den Erstligisten flogen Hertha und Schalke in Trier bzw. Offenbach aus dem Wettbewerb, was für einige Schadenfreude sorgte. Gejubelt wurde auch bei jedem Tor, das die Bayern gegen Holstein Kiel erzielten; 0:6 gingen die Nordkonkurrenten unter, die man auch in der Jugendliga unbedingt hinter sich lassen wollte.

    Emmo legte indessen im Training Sonderschichten ein, um gezielt an seinen Schwächen zu feilen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Und dann endlich kam die freudige Nachricht:


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Jérôme schickte mir eine SMS, um mich davon in Kenntnis zu setzen, dass er sich doch zu diesem Schritt durchgerungen hatte. Zwar belastete der neue Mitarbeiter das Gehaltsbudget um stolze 18.400 Euro und ich vermutete stark, dass Extras wie Trainingslager und Jugendtage so bald nicht wieder in Frage kommen würden, aber mir – und vor allem den Jungs – sollte es recht sein. Gerade als ich die SMS gelesen hatte, rief mich übrigens Daniel Celio an.

    „Mensch, Womerde, wie haben Sie den Boss denn dazu gekriegt?“ Seine Stimme klang eher etwas bedrückt als begeistert, und dass er mich immer noch siezte, zeigte mir, dass er mir nicht gerade dankbar dafür war, nun seine ehrenamtliche Tätigkeit als Jugendtrainer aufgeben zu müssen. Andererseits blieb bei vier Jugendmannschaften immer noch genug für ihn zu tun.

    Gleich am nächsten Tag sprach ich Kristian Gentner an, und ich muss sagen, ich hatte einen recht guten Eindruck von ihm. Er war jung und motiviert, und er war ein Mann für die Offensive. Für Emmo schien mir das genau das Richtige zu sein.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Ja, ich habe schon von dem Wunderknaben gehört“, sagte er, was zunächst eher distanziert und skeptisch klang. „Wollen mal sehen, wie er sich einfügt, wenn es richtig losgeht.“

    Natürlich hatte er recht. Emmo hatte noch nie in seinem Leben ein Ligaspiel bestritten, und es war keineswegs sicher, dass er mit dem Druck ebenso locker umgehen konnte wie bei einem Kick mit Freunden oder im Training. Seine Schwierigkeiten in der Schule sprachen vielleicht eher dagegen. Nun, jetzt waren es ja nur noch zwei Wochen bis zum Start.


    5. Teil: Jetzt geht's los
    (3. August 2011)

    Meine Familie entwickelte indessen übrigens ein recht gespaltenes Verhältnis zu meinen neuen Aktivitäten. Sabrina, meine Frau, konnte man gut immer mal mit einem Geschenk besänftigen oder indem man mit ihr essen oder tanzen ging. Dann störte sie sich auch nicht daran, dass ich in letzter Zeit wieder häufiger den Golfplatz besuchte; denn dieses Hobby teilte ich mit Jérôme, dem Präsidenten, und dabei konnten wir uns gut über die Vereinsinterna austauschen. Mein Sohn Simon hatte zwar nichts gegen Fußball, aber gerade hatte er mich zum Opa gemacht, was natürlich ausgiebig gefeiert wurde, ihn aber jetzt doch – neben seiner Arbeit als Gärtner – sehr beschäftigte. Meistens, wenn ich ihm begegnete, blickte er ausgesprochen unausgeschlafen aus der Wäsche. Meine Tochter Silvia hingegen, eine tüchtige 27-jährige Physikerin, fand Fußball neuerdings nur noch doof. Naja, so ist das eben.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Aber zurück zum Verein: Für die erste Mannschaft des VfB Lübeck ging es in der Regionalliga Nord um einen Platz in der oberen Tabellenhälfte, während die Reserve in der fünftklassigen Schleswig-Holstein-Liga eher gegen den Abstieg spielte. Letztere startete mit einem erfreulichen 3:2 beim NTSV Strand in die Saison. Emmo sah sich hingegen mit seinen Freunden das Heimspiel der Ersten gegen den VFC Plauen an und freute sich, dass er jetzt als Vereinsmitglied umsonst ins Stadion An der Lohmühle durfte. Weniger gefreut haben sich die Jungs über das Ergebnis, denn der VfB unterlag in einem schwachen Spiel mit 0:2, wobei Torhüter René Melzer noch Schlimmeres verhinderte.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Damit lagen die Männer nun erst einmal auf Platz 15. Die Liga hat 18 Mannschaften, von denen vier absteigen. Ein dramatischer Fehlstart also für einen Verein, der sich eigentlich nach oben orientieren wollte. Angeblich wankte sogar schon der Stuhl des Trainers und Managers. Ich selbst muss zugeben, dass das meiner neu aufgekommenen Fußballeuphorie einen gehörigen Dämpfer bescherte, und um mich zu entfrusten, kaufte ich mir erst einmal eine Playstation, mit der ich wenigstens gewinnen konnte, sooft es mir gefiel.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Beim nächsten Golftermin mit Jérôme lernte ich übrigens auch Daniel Lippmann, den Co-Trainer, kennen. Ein netter Kerl, und er plauderte auch ein bisschen über den Cheftrainer, der ziemlich auf Mister Oberwichtig machte und für Leute wie mich natürlich schon gar nicht zu sprechen war. Macht nichts, denn Emmo war noch jung, und wenn seine Leistungen für die erste Mannschaft interessant werden konnten, war der Typ vermutlich nicht mehr da.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Noch bevor es für die B-Jugend richtig losging, gewannen die Männer – Gottseidank – ihr zweites Ligaspiel. Aus Cottbus nahmen sie beim Spiel gegen Energie II ihre ersten drei Punkte mit, und das durch ein beachtliches 4:1. Stürmer Domogoj Duspara erzielte zwei Tore.

    Aber dann war es endlich so weit: Die B-Junioren 4 – also Emmos Team in der vierten Jugendliga – trat auf heimischem Platz gegen die Gleichaltrigen vom KSV Hessen Kassel an. Nominell war dieser Gegner eher schwächer einzuschätzen. Emmo stand von Beginn an auf dem Platz, und man konnte ihm ansehen, wie aufgeregt er war.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Aber seinen Mannschaftskameraden, die zum Teil ja bereits seit Jahren im Verein spielten, ging es offenbar nicht anders. Der Schiri hatte kaum angepfiffen, da zappelte der Ball schon zum ersten Mal im Netz – leider in dem der VfB-Jungs. 0:1 nach nur zwei Minuten! Das war ein Schock, und es sollte noch schlimmer kommen. Gut zehn Minuten später wurschtelte sich so ein Kassel-Bubi durch die Hintermannschaft, die Innenverteidiger Ingo und Angelo gingen nur halbherzig zur Sache, und schon stand es 0:2.


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    Zur Pause war die Stimmung dementsprechend gedrückt. Aber an diesem Punkt war zu merken, dass Kristian, der Jugendtrainer, genau der Richtige für ein Team wie dieses war. Er munterte sie auf, lobte den Einsatz, den sie nach den beiden Toren tatsächlich gezeigt hatten, und gab sich überzeugt, dass sie noch einiges reißen würden – wenn nicht in diesem Spiel, dann doch jedenfalls in den folgenden. Und siehe da: es wurde eine komplett andere zweite Halbzeit. Auch Emmo, dem in Halbzeit eins kaum etwas gelungen war, kam nun zu einer Chance.


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    Die Gangart wurde härter, Stephan (RV) und Lan (RM) sahen jeweils gelbe Karten, aber der Trainer war's zufrieden und feuerte die Jungs von der Seitenlinie an.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Zunehmend dominierten sie das Spiel, doch es war ihnen auch anzumerken, wie viel Kraft es gekostet hatte. Kristian erkannte das und nahm erst Emmo und dann auch Stephan raus, für sie kamen Gunnar Schweins (OM) und Torge Minkwitz (RV) aufs Feld. Am Ende hatte sich dann doch immerhin noch eine deutliche Überlegenheit der Lübecker ergeben, auch wenn die nichts Zählbares gebracht hatte. Fürs Erste tröstete Kristian seine Jungs damit, dass sie nun im Training gezielt die Schussgenauigkeit und die Chancenverwertung verbessern würden, während er sie ausdrücklich für ihr gutes Passspiel lobte.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Die besten Noten (jeweils 2,5) verdienten sich übrigens Torwart Hany und Wolfgang, der als einzige Spitze auflief, während Emmos Bruder Kevin (DM) die schwächste Leistung ablieferte (5,5). In der Tabelle blieb nun erst einmal ein unbefriedigender 13. (vorletzter) Platz, punkt- und torgleich mit dem 1. FC Magdeburg.


    (Quelle: Screenshot FM12)

  • 6. Teil: Erste Erfolge
    (16. August 2011)

    Am Abend des folgenden Tages traf ich mich mit Kristian Gentner im Finnegan, wo wir uns jetzt öfter zusammen das eine oder andere Bier genehmigten – er Guinness, ich doch eher Pils.


    „Macht sich gut, der Emmo.“, fand er. „Hat sich im ersten Spiel gleich ordentlich reingefunden und ein paar gute Szenen gehabt.“

    Ich freute mich, dass er das auch so sah. „Blöd ist nur“, wandte ich ein, „dass die B-Jugend ihre Spiele immer montags hat.“

    „Ist das ein Problem?“

    „Naja, da ist er halt gleich an zwei Tagen in der Schule abgelenkt: am Montag wegen der Aufregung vor dem Spiel und am Dienstag, weil er nur an das Match vom Vortag denkt. Jetzt sind ja noch Ferien, aber wenn es dann ernst wird, tut er sich vielleicht doch schwerer als nötig.“

    „Ach, ich denke, das gibt sich.“

    „Wollen wir's hoffen.“

    Kristian zeigte zwar viel Verständnis und Interesse für die Probleme der Jungs, aber mit der Schule hatte er es offenbar selbst nie so gehabt, sodass ihm das nicht so wichtig schien. Viel lieber sprach er mit mir über die Perspektiven seiner Arbeit.

    „Hast du dir schon mal die C-Jugend angesehen?“, wollte er wissen. Nein, hatte ich nicht. „Da gibt es einen, der ist jetzt mit seinen 14 Jahren schon ganz schön weit. Robert Schumann heißt der, wie der Komponist. Nächstes Jahr spielt er, wenn nichts dazwischen kommt, mit Emmo in einer Mannschaft. Macht sich sehr ordentlich im Mittelfeld, so ein Typ Ballgewinner, weißt du?“


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Er mochte recht haben. Andererseits war ich schon froh, wenn ich mir die ganzen Namen aus Emmos Team halbwegs merken konnte. Deshalb fragte ich ihn, was er von den anderen Jungs der B hielt.

    „Naja, die sind schon ganz okay. Ingo zum Beispiel, der ist ja auch erst vierzehn, spielt 'nen sehr ordentlichen Innenverteidiger. Und Emmos Kumpels, Pan und Lan, aus denen kann auch noch was werden. Bin gespannt.“

    Gespannt war ich auch. In drei, vier Jahren, wenn Emmo hier vielleicht in der ersten Männermannschaft mitmachte, würden einige seiner jetzigen Freunde vielleicht auch noch dabei sein.

    „Meinst du“, wollte ich wissen, „der Verein kann die alle so fördern, wie sie es verdient haben.“

    „Hm, ist natürlich vor allem auch eine Geldfrage. Der Verein ist chronisch knapp, und wenn, dann fließt das Geld natürlich in den Profibereich. Selten, dass wir davon was sehen. Und jetzt stand neulich auch noch unser Trainingsplatz unter Wasser, was den Manager sicher mächtig wurmt, weil er da für uns in die Tasche greifen muss.“

    Kristian sollte recht behalten – schon am nächsten Wochenende war der Schaden repariert. Dafür wurde aber mitgeteilt, dass diese Woche jeder sein Trikot vom Spiel selber waschen lassen sollte, um es am nächsten Montag in Magdeburg wieder tragen zu können. Alle maulten, vermutlich aber am meisten die Mütter und Väter, die letztlich für die Wäsche sorgten.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Gern hätte ich ja mal mit dem Manager über seine Vorstellungen zu Jugendförderung, Kostenverteilung und sportlichen Zielen gesprochen. Seinen Namen wusste ich immerhin: er hieß Gaston Deneuve, hatte im Juli die Nachfolge von Peter Schubert angetreten, der immerhin drei Jahre lang Cheftrainer gewesen war, und galt als großer Hoffnungsträger von Fans, Stadtrat und lokaler Presse. Jérôme, der Präsident, hatte seine Einstellung zwar mitgetragen, äußerte sich aber stets zurückhaltend oder ausweichend, wenn ich das Thema in diese Richtung lenkte. Von Kristian erfuhr ich nur, was auch Daniel Lippmann schon angedeutet hatte: Fußvolk wie ich, Fans oder Spieler der zweiten Reihe kamen an ihn grundsätzlich nicht heran.

    Am Sonnabend landete „seine“ Erste dann auch endlich ihren ersten Heimsieg, und zwar mit einem 3:1 gegen die Zweite von Pauli. Kadahl schoss zwei Tore, Duspara das dritte. Emmo und seine Freunde waren begeistert; für das Spiel am Montag hätte es keine bessere Motivierung geben können. Nur ich hatte schlechte Laune, denn Sabrina schaffte es in zwei Tagen zweimal, beim Nachhausekommen die Garage nicht genau in der Mitte zu treffen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Aber dann holte Emmos Team endlich den ersten Punkt, und dabei waren die Magdeburger mit dem 1:1 am Ende noch gut bedient. Nach einer Stunde waren sie glücklich in Führung gegangen, als die Lübecker Hintermannschaft unaufmerksam war. Denn in der 57. Minute verletzte sich Kevin, der zwar noch zwei Minuten über den Platz humpelte, dann aber durch Gunnar Schweins ersetzt werden musste. Und postwendend setzte ein Magdeburger Verteidiger einen Glücksschuss in die Ecke, unerreichbar für den ansonsten wieder sehr sicheren Hany im Tor.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Was folgte, war ein konsequentes Anrennen der Grünen auf das Tor der Blauen, und das zum Teil sehr ordentlich. Doch es dauerte bis zur 88. Minute, ehe der hochverdiente Ausgleich fiel.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Da gab es nun für Emmo kein Halten mehr. Mit einer Stafette um den halben Platz feierte er sein erstes Tor, bis die anderen ihn endlich kurz vor Hanys Kasten einholten und zu Boden warfen. Danach waren sie dann allerdings sichtlich zu fertig, um noch etwas reißen zu können, aber immerhin: der erste Punkt war geholt, und das bedeutete Platz 11 in der Tabelle.


    7. Teil: Eine kleine Serie
    (23. August 2011)

    Kevins Verletzung war zum Glück nicht schlimm. Es handelte sich um eine Wadenprellung, und nach ein paar Tagen konnte er beim Training schon wieder mitmachen. Ich war sehr erleichtert darüber, denn Emmos Eltern hätten ihr Einverständnis mit dem Vereinsfußball vielleicht auch dann in Frage gestellt, wenn sie darin eine Gefahr für die Gesundheit ihrer Söhne gewittert hätten. Und schließlich stand der Schulbeginn vor der Tür.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Sonnabends saßen Emmo und seine Freunde jetzt immer zusammen entweder im Stadion An der Lohmühle oder zu Hause vor dem Internetradio, um die Spiele der Männer zu verfolgen. Die wahnsinnige Aufholjagd im Spiel beim ZFC Meuselwitz, wo die Mannschaft aus einem 0:3 noch ein 3:3 machte, regte sie mindestens ebenso auf wie das anschließende Heimspiel gegen den Tabellenführer RB Leipzig, wobei wohl kaum betont zu werden braucht, dass alle eine heftige Aversion gegen den Retortenclub mit Größenwahn-Tendenz hatten. Leider ging der VfB gegen den – abgesehen von den Derbys – Lieblingsfeind der Lübecker sehr deutlich mit 0:3 unter.

    Das tat allerdings der seit dem Montag davor herrschenden Euphorie keinen Abbruch, denn da hatte die B-Jugend erstmals ein Spiel gewonnen. Kristian rief mich sogar unmittelbar nach dem Schlusspfiff auf dem Handy an, obwohl ich wenige Meter von ihm entfernt selbst noch am Spielfeldrand stand.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Ja, ja!“, brüllte ich in mein Handy, noch ganz aufgelöst nach dieser fulminanten zweiten Halbzeit. „Alle haben super gespielt. Und Kevin hat sogar eine Vorlage gegeben!“

    „Meinst du, die Eltern erlauben eine kleine Feier ihrer Jungs heute Abend?“, wollte er wissen. Der anstehende erste Schultag war, wie er wusste, im Hause Winter ein heißes Thema.

    „Ich kümmere mich darum.“, versprach ich, und glücklicherweise konnte ich wenig später mit positiver Vollzugsmeldung zu der Truppe dazustoßen, die auf dem Weg zu Haus und Garten der Familie Lott war.

    „Mensch, die Hachinger habt ihr ja super abgefertigt!“, begrüßte ich Emmo und Kevin, und auch Kristian war voll des Lobes.


    „Das System mit Wolfgang als einziger Spitze funktioniert jetzt bestens. Die Jungs im Mittelfeld füttern ihn ständig mit guten Pässen. Aber auch die Abwehr war heute Spitze – das erste Spiel ohne Gegentor!“

    Tatsächlich hatten sich außer Wolfgang, dem Doppeltorschützen, auch die Verteidiger Pan und Angelo Bestnoten verdient (1,5), zudem erneut Keeper Hany. In der ersten Halbzeit war nicht viel mehr passiert, als dass Lan (RM) sich eine gelbe Karte einfing.

    „Völlig überflüssig.“, kommentierte der, während er den Grill seiner Eltern auf der Gartenterrasse anschmiss. „Klar komme ich einen Tick zu spät, aber der Schiri war heute auch etwas zu kartengeil.“

    Da mochte er recht haben, denn fünf Gelbe waren für ein B-Jugendspiel für mein Empfinden recht viel; auch Pan (LV) und Kevin (DM) hatten welche bekommen. Aber in Hälfte zwei war es dann auch ziemlich hoch hergegangen.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Emmo allerdings hatte seine besten Szenen in der ersten Halbzeit und musste eine Viertelstunde vor Schluss wieder für Gunnar Platz machen.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    In der Tabelle war die Mannschaft jetzt um zwei Plätze auf den neunten Rang vorgerückt und lag drei Punkte hinter Tabellenspitze und Aufstiegsplätzen. Ein paar redeten im Überschwang sogar schon von der Dritten Liga. Kristian und ich grinsten uns nur an, und alle freuten sich über die tolle Stimmung, die die Jungs jetzt nach ihrem ersten Erfolg hatten.

    Am nächsten Sonnabend kam es in der Bundesliga übrigens zum Nordderby in Bremen, wo der HSV 0:1 verlor – sehr zum Leidwesen der meisten, denn zwischen dem VfB und dem HSV besteht seit eh und je eine Fanfreundschaft (nur Ingo war happy, denn er ist großer Werder-Fan). Ansonsten drohte es dieses Jahr in der höchsten Spielklasse wieder eher langweilig zu werden, weil die Bayern der Konkurrenz bereits auf und davon zogen. Lübeck II war aber immerhin nach fünf Spielen Zweiter in der Schleswig-Holstein-Liga.

    Ärgerlicherweise verletzte Kevin sich dann beim Training erneut.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Zwar stellte sich die Verletzung als nicht allzu schwer heraus, aber meine Sorge, die Eltern Winter könnten ihre Jungs urplötzlich vom Spielbetrieb abmelden, blieb im Hintergrund immer vorhanden. Umso erfreuter war ich, als beide am Wochenende mit nach Kiel durften, wo sich A-, B- und C-Jugend gemeinsam das Derby zwischen Holstein und dem VfB ansahen. Zur allgemeinen Begeisterung siegten unsere Männer mit 2:1, und nach dem nächsten Heimerfolg gegen den Berliner AK führte Deniz Kadah, das Idol unserer Offensivspieler, sogar die Torschützenliste der Liga an.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Und auch für Emmos Mannschaft lief es in den nächsten Wochen erfreulich. Weitere drei Spiele lang blieben sie ungeschlagen, die Abwehr zeigte sich weiter verbessert, nur mit der Torausbeute haperte es irgendwie. Nach dem sechsten Spieltag lag das Team auf Platz 6, allerdings nun schon fünf bzw. vier Punkte hinter den Aufstiegsplätzen.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Beide Tore gegen Essen und Verl erzielte übrigens Raphael (LM), eins per Elfmeter, das andere nach einem schönen Solo aus dem Mittelfeld heraus. Für Emmo liefen die Spiele alle irgendwie gleich: Er kam nicht richtig in Tritt, konnte sein Potenzial kaum zeigen und wurde jeweils für Gunnar ausgewechselt. Im siebten Spiel, in dem sie Ende September den ZFC Meuselwitz empfingen, stellte Kristian dann um und brachte Emmo und Gunnar nebeneinander von Beginn an.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Aber das Experiment ging gründlich schief, die Mäusewitze gewannen 1:0. Dennoch hielt Kristian an der neuen Taktik fest, die sie unter der Woche ständig übten, und siehe da, sein Mut wurde am nächsten Montag wenigstens halbwegs belohnt: Beim 1. FC Heidenheim gab es ein 1:1, und Emmo glänzte als Vorbereiter.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    In der 67. Minute fiel dann aber doch noch der Ausgleich. Kristian brachte Torge Minkwitz (IV) für den gelbverwarnten Ingo, aber in der Offensive gab es nun mal keine echte Alternative auf der Bank, und so blieb es bei dem Unentschieden.

    Nach der Rückkehr der Mannschaft aus Heidenheim sprach ich Kristian mal auf ein Thema an, das bei den letzten Spielen mehr und mehr ins Auge sprang.


    „Mir fällt auf, dass die Schiedsrichter unseren Jungs gegenüber sehr spendabel mit gelben Karten sind. Findest du das nicht auch?“

    Aber er winkte nur ab. „Jugendlicher Überschwang!“, sagte er lachend. „Ich bin froh, dass einige da recht energisch zur Sache gehen, vor allem in der Abwehr.“

    „Na, sehr energisch würde ich dazu sagen. Pan zum Beispiel, der räumt zwar ganz schön auf, aber vier Gelbe in acht Spielen – ist das nicht ein bisschen zu viel des Guten? Und Ingo und Bekir haben auch schon je drei.“

    „Naja, zugegeben, da gibt es noch so einige technische Schwächen, und manch einer trifft dann schon mal eher den Mann als den Ball. Aber guck doch andererseits mal, wer noch keine Karte bekommen hat!“

    Ich sah auf den Zettel, auf dem ich mir die Statistiken notiert hatte. „Also, da ist erst mal Hany, der Keeper. Na gut. Ja, Emmo hat auch noch keine. Raphael, Gunnar, Lan - alles Mittelfeldspieler. Und Stephan, der Rechtsverteidiger.“

    „Siehst du, und das ist vielleicht das einzige brauchbare Ergebnis, das deine Statistik da hervorbringt: Der Stephan, das ist einer, der braucht keine Fouls. Behalte den mal im Auge!“

    Etwas verlegen drehte ich meinen Notizzettel in den Händen und musste zugeben, dass er wohl recht hatte. Aber dennoch beschloss ich, mir weiterhin Notizen zu machen und Statistiken zu führen. Ganz sicher würde auch Kristian für die eine oder andere Information mal dankbar sein.


    (Quelle: eigene Tabellengrafik)

  • 8. Teil: Rückschläge
    (8. Oktober 2011)

    Nach acht Spielen lagen wir immerhin auf einem recht ordentlichen siebten Platz. Je fünf Plätze trennten uns nach oben wie nach unten von den aktuellen Auf- und Abstiegskandidaten.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Bei der Mannschaftsbesprechung vor dem nächsten Spiel gegen Jena lobte Kristian ausdrücklich die Abwehrspieler, denn immerhin hatten sie bis dahin die wenigsten Tore der Liga zugelassen. Andererseits fiel auch die schwache Torausbeute der Offensive auf. Fünf Spiele waren es jetzt noch bis zu der langen Winterpause, und Kristian setzte – angesichts der zuverlässigen Abwehr – weiter auf das 4-1-4-1-System mit Emmo und Gunnar im offensiven Mittelfeld.

    „Aber, Jungs“, wurde er dann deutlich, „wenn wir nicht noch da unten in den Abstiegskampf rutschen wollen, dann brauchen wir Tore! Setzt die Flügel ein, wie wir es im Training machen – da seid ihr stark! Emmo, du kannst dich ruhig auch mal als zweite Spitze nach vorn trauen, wenn Rapha oder Lan den Ball sicher haben. Oder wenn die Außenverteidiger aufrücken, Pan und Stephan.“

    Die Jungs nickten. Sie wollten endlich den dritten Saisonsieg. Doch erneut nützten alle guten Vorsätze nichts – gegen Carl Zeiss Jena setzte es ein 0:1, und die Enttäuschung war riesig. Emmo hätte in der Nachspielzeit um ein Haar noch den Ausgleich erzielt und war insgesamt einer der Besten, aber vor allem Wolfgang verstolperte die einfachsten Bälle und machte sein schwächstes Spiel.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Durch diese Niederlage rutschte die Mannschaft auf Platz 11 ab, immerhin unverändert fünf Punkte vor den Kielern, die auf Abstiegsplatz 13 lagen. In zwei Wochen stand im Lohmühle-Stadion das Derby gegen Holstein an, das natürlich unbedingt gewonnen werden musste.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Okay, Jena ist Jena.“, beschwor Kristian die Jungs beim nächsten Training. „In Osnabrück nächste Woche, da können wir vielleicht schon wieder punkten. Aber Holstein – ich muss euch nicht sagen, was es heißt, gegen die zu spielen! Und gegen die womöglich zu verlieren!“

    Ein allgemeines Aufjaulen war die Antwort, und einer rief:

    „Die machen wir fertig!“

    Nun, was soll man sagen: damit war die Niederlage vergessen und das nächste große Ziel unausweichlich festgelegt.

    In den folgenden Wochen hatten Kristian und das Team allerdings mit einem ganz neuen Gegner zu kämpfen: dem nahenden Winter. Hany (TW) und Pan (LV) fielen gegen Osnabrück mit Erkältungen aus, Bekir (DM) sogar für fünf Wochen mit einem Außenbandriss, den er sich bei einer Balgerei auf dem Schulhof holte, als er auf den nassen Steinplatten vor dem Eingang unglücklich ausrutschte. Dennoch gab es am 17. Oktober bei den Lilaweißen ein verdientes 0:0, erneut mit einer sicheren Abwehr, und Ersatzkeeper Stefano gab ein solides Debüt.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Auch Wolfgang (ST) zählte wieder zu den Besten, obwohl er kein Tor machte. Umso entsetzter waren alle, als er am Mittwoch ohne Sportsachen, dafür mit einem spektakulären Nasenverband zum Training erschien:

    „Ey, Wolle, mit wem hast du dich denn geprügelt?“

    Aber zum Lachen war eigentlich keinem zumute. Jeder hatte am Tag zuvor mitgekriegt, wie er im Training einmal mit dem Pfosten Bekanntschaft gemacht hatte, aber keiner nahm das sonderlich ernst. Doch jetzt stand fest:

    „Die Nase ist gebrochen. Das Spiel gegen Holstein kann ich vergessen.“ Und man merkte, dass er dabei mit den Tränen kämpfte.

    Zwei Tage vor dem großen Match trafen die zweiten Männermannschaften von Holstein Kiel und dem VfB Lübeck aufeinander. In der Schleswig-Holstein-Liga war die Tabellensituation ähnlich wie bei der B-Jugend: Der VfB belegte einen Mittelfeldplatz (8.), Holstein stand unten (18.). Dennoch gab es in Kiel nur ein enttäuschendes 0:0 – das wollten wir natürlich besser machen!



    (Quelle: Screenshots FM12)




    9. Teil: Das erste Derby
    (24. Oktober 2011)

    Endlich kam der ersehnte Tag. Ich traf Emmo und seine Freunde schon zwei Stunden vor Anpfiff am Nebenplatz des Lohmühle-Stadions, wo sie sich warmliefen und aufgeregt miteinander über das bevorstehende Match diskutierten.


    Wenig später traf auch Kristian ein, dann ging es ans Umziehen und ein letztes leichtes Training.

    „Kennst du den Schiri?“, fragte ich ihn, während er die Jungs mit Zurufen immer wieder bremsen musste, sich nicht jetzt schon zu verausgaben.

    „Sepp Müller heißt der.“, antwortete er. „Soll dafür bekannt sein, dass er durchaus schon mal mutige Entscheidungen fällt. Selbst erlebt habe ich ihn allerdings noch nicht.“

    „Hm“, machte ich, „mutige Entscheidungen – was soll das sein?“

    Kristian zuckte mit den Schultern. „Kein Ahnung, ist so ein Bright-Future-Ausdruck. Ich denke mal, er zückt gern seine Karten.“

    Da fiel mir natürlich wieder meine Statistik ein. „Noch mehr Karten als normal?“, fragte ich und sah ihn bedenklich an.

    „Also, das sag mal nicht den Jungs! Die sollen so spielen wie immer und sich nicht verrückt machen lassen.“

    Ich stimmte ihm zu, und wie sich herausstellen sollte, lag er damit wieder mal vollkommen richtig.

    Das Spiel begann mit einer Chance für den linken Mittelfeldspieler von Holstein, der Hany (TW) zu tunneln versuchte, aber das ließ der natürlich nicht mit sich machen. Fast als wäre es eine Strafe, musste der Kieler LM nach einer Viertelstunde mit einer Knöchelverletzung ausgewechselt werden.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Danach war das Spiel sehr von Vorsicht und Taktik geprägt. Erst gegen Ende der ersten Hälfte wurde es lebhafter. Da holte sich zunächst Wolfgangs „Sub“ André (ST) eine gelbe Karte ab, dann war es ein Kieler Innenverteidiger, der zuerst André (ST) und dann Emmo (OM) böse von den Beinen holte. Sofort war auch klar, wie der Ruf der Schiedsrichters zu verstehen war: Er schickte den Jungen umgehend mit Gelb-Rot zum Duschen (39.). Wir waren in Überzahl! Wenig später vergab Pan (LV) unsere einzige nennenswerte Chance in Halbzeit eins.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Nach der Pause, in der die mir bis dahin unbekannten „Webmaster Sören and the Kelugis“ zu hören waren, ging es dann sehr engagiert weiter. Gunnar (OM) und Raphael (LM) wurden verwarnt, der Kieler ST musste verletzt vom Platz und auch Lan (RM) ging nach einer ordentlichen Leistung runter; für ihn kam Stephan Baier (RM) zu seinem zweiten Einsatz. Doch dann hielten alle den Atem an, als Ingo (IV) mit einer couragierten Grätsche den Ball verfehlte …


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Inzwischen stand die halbe Schule am Spielfeldrand, und das Pfeifkonzert gegen den Schiri war ohrenbetäubend. Kristian blickte einmal kurz zu mir herüber und zuckte nur mit den Schultern. Ich nickte ihm zu; bei einem derartigen Spiel hätten auch Ermahnungen im Vorfeld so etwas sicher nicht verhindert.

    Als es zehn Minuten vor Schluss immer noch 0:0 stand, entschloss Kristian sich zu zwei weiteren Wechseln in der Abwehr. Er nahm Angelo (IV) und Pan (LV) vom Platz und brachte Marcel und Florian, die schon gegen Osnabrück gute Leistungen gezeigt hatten. Doch wenn er damit vorhatte, das Unentschieden zu sichern, dürfte er selbst am meisten über die Szene in der 86. Minute überrascht gewesen sein.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Unnötig zu sagen – und kaum wirklich zu beschreiben – , was das bei den Spielern auf dem Platz und ihrem Anhang auslöste. Das entscheidende Tor so kurz vor Schluss, und das gegen den Erzfeind aus Kiel, erzielt vom Ersatzmann, der bis dahin überhaupt nur einmal wenige Minuten gespielt hatte! Nach 92 Minuten pfiff Sepp Müller das Spiel ab, und die VfB-Jungs waren restlos fertig, aber total glücklich und mit sich zufrieden.

    Wir hatten dadurch in der B-Junioren-Liga 4 nicht nur einen Sprung um drei Plätze voran auf Rang 8 gemacht, sondern die Kieler zugleich ans Tabellenende befördert, was am Dienstagnachmittag ausgiebig im Vereinshaus gefeiert wurde. Kristian gab sogar eine Runde Limettenbrause aus, die bei den Jungs zurzeit extrem angesagt war. Praktisch jede Szene des Spiels wurde noch einmal und immer wieder detailliert durchgegangen, und auch Ingos Rote Karte – die erste der Saison – war natürlich ein heiß diskutiertes Thema. Kurz gesagt: dieser Sieg war der bestmögliche Motivator, den man sich für die B-Jugend überhaupt wünschen konnte. Das sollte sich auch in den kommenden zwei Spielen noch eindrucksvoll erweisen.

    Ich persönlich war es übrigens gerade in dieser Zeit mehr und mehr leid, alle Wege zwischen dem Lohmühle-Stadion, zu Hause, dem „Finnegan“ und wo sonst noch alles zu Fuß zurücklegen zu müssen. Doch leider war ich nach einem beruflichen Flop noch ziemlich klamm. Für einen ordentlichen Kleinwagen hätte es zwar inzwischen gereicht – da hätte mir auch mein Sabrinchen nicht reinzureden gehabt, auch wenn sie ihren ja immer mal hier und da ein wenig rund machte. Aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, dass es unbedingt mein Traumauto sein musste, und für den hatte ich momentan noch nicht genug Kohle zusammen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Stattdessen ging ich mal wieder mit Jérôme und Daniel – dem Präsidenten und dem Co-Trainer – Golf spielen, und siehe da, ich machte erste Fortschritte.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Und während wir das um diese Zeit immer feuchter und tiefer werdende Grün abschritten, sprachen wir natürlich auch über den neuerlichen Erfolg der B-Jugend, denn die hatten tags zuvor auch Preußen Münster geschlagen.

    „Diesmal habe ich sogar mal bei dem Spiel vorbeigeschaut“, sagte Jérôme beiläufig, „und siehe da, die Jungs sind ja wirklich gar nicht mal so schlecht.“

    „Nicht so schlecht?“ Innerlich kochte ich über diese Bemerkung, aber ich gab mir einen Ruck und ließ mir nichts anmerken. „Findest du also auch, dass es sich lohnt, auf die Nachwuchsförderung Wert zu legen?“

    „Aber ohne Frage, mein lieber Malte! Dieser Junge da vorn, der ist ja anscheinend gar nicht zu bremsen. Hat ja auch wieder sein Törchen gemacht.“

    Jérôme, das hatte ich in den letzten Wochen verstärkt feststellen müssen, interessierte sich eigentlich überhaupt nicht für Fußball. So schien es jedenfalls. Er war der Präsident, spielte Golf und kannte Gott und die Welt. Obwohl: Gott kannte er eigentlich überhaupt nicht und von der Welt nur die Leute, die ihm irgendwie nützlich erschienen. Und aus irgendeinem Grund gehörte ich zurzeit dazu, wobei mir sehr bewusst war, dass das nur eine sehr vorübergehende Situation war, die ich ausnutzen musste.

    „Ja, der Emmo.“, sagte ich deshalb. „Ein Riesentalent!“ Obwohl das Tor, das er bei seiner kurzen Stippvisite in der ersten Halbzeit gesehen hatte, auf Wolfgangs Konto gegangen war.


    (Quelle: Screenshot FM12)


    Bis auf die beiden Tore von Wolfgang und Kevin war – trotz guter Leistungen beider Teams – überhaupt nicht viel passiert, aber so etwas fiel dem Präsidenten natürlich nicht wirklich auf.

    „Überleg' dir mal zusammen mit Daniel hier und dem Jugendtrainer, wie heißt er noch…?“

    „Kristian Gentner.“

    „Richtig. Gebt mir einfach Bescheid, wenn ihr was braucht. Man muss nämlich immer auch an die Zukunft denken und sich nicht nur mit dem zufrieden geben, was gerade ist.“

    Nach diesem tiefgreifenden philosophischen Statement – Daniel und ich grinsten uns nur verstohlen an – wechselte er dann wieder das Thema und ließ uns an der wichtigen Welt eines Vereinspräsidenten teilhaben, während er auf dem finalen Green ein ums andere Mal das Loch verfehlte.

  • 10. Teil: Ab in die Winterpause
    (7. November 2011)


    Was aber eine knappe Woche später folgte, war das beste Spiel, das die B-Jugend bis dahin gemacht hatte.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Wolfgangs Hattrick war dabei natürlich der absolute Höhepunkt, aber alle, wirklich alle hatten ihren Anteil an diesem beeindruckenden Sieg – dem höchsten der Saison.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Auch Emmo ließ, vor allem in der ersten Halbzeit, mehrmals sein Talent aufblitzen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Nach dem Spiel und noch mehr am nächsten Tag im Vereinshaus wurde dementsprechend gefeiert, fast noch euphorischer als nach dem Holstein-Spiel, denn zur Winterpause, die nun bis zum 20. Februar dauern würde, hatten wir uns auf einen kaum für möglich gehaltenen fünften Platz hochgearbeitet, nur noch vier Punkte hinter einem Aufstiegsplatz!



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Zweieinhalb Wochen später feierte Arne seinen 63. Geburtstag. Arne Rolff war seit Juli Scout beim VfB Lübeck und wegen seines Alters und seiner Erfahrung bereits eine echte Institution. Jeder mochte Arne – das ging gar nicht anders – und Arne war stets für jeden da, der sich an ihn wandte, bevorzugt, wenn es um das Thema Fußball ging. Ich muss gestehen, dass ich ihn erst an diesem Tag näher kennenlernte, und solange er für den VfB tätig war, bin ich danach immer mit allem, was mich bewegte, zu ihm gegangen. Mit der Zeit entstand zwischen uns eine echte Männerfreundschaft, die die Abende manchmal mit zu viel Whisky, den er ebenso schätzte wie ich, noch öfter aber mit Ergebnissen, die mich wirklich weiterbrachten, enden ließ.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Alle waren sie da an diesem Freitagabend: Daniel, Marius und Kristian, die drei Trainer; nur der Cheftrainer der Ersten war sich natürlich mal wieder zu fein dafür, mit den Vereinsangestellten zu feiern. Sogar Jérôme schaute für ein, zwei Stunden vorbei, nicht ohne allerdings darauf hinzuweisen, dass er noch eine äußerst wichtige Verabredung mit dem Lübecker Bürgermeister hatte. Daniel Celio, der ehrenamtliche Mitarbeiter, fehlte ebenso wenig wie Paul Klinke, seines Zeichens Privatlehrer, der unter anderem Emmo Nachhilfestunden gab.


    „Sag mal, Arne“, wollte Marius, der Amateurtrainer, wissen, nachdem er sich am Büffet den Teller vollgeschlagen hatte, „was hältst du eigentlich von diesem Emmo. Kommt da ein neuer Netzer oder Ballack auf uns zu?“


    Arne sah ihn erst ernst an, dann ging seine Miene in ein nachsichtiges Lächeln über. „Ach, weißt du, ich schaue mir zurzeit – Gaston wollte das so – vornehmlich 15- bis 23-Jährige in ganz Deutschland an. Und auch in England habe ich immer wieder dieselbe Erfahrung gemacht: Wenn sie als Kinder oder Jugendliche mit ihrem Talent beeindrucken, dann bedeutet das noch lange nicht, dass sie später unter den Profis ebenfalls herausfallen.“


    „Du meinst, es ist noch zu früh für ein Urteil?“


    „Nicht nur das. Sieh mal: Wenn so ein Junge mit 14 oder jetzt bald 15 in der Talentbewertung die volle Sternezahl hat, dann bedeutet das noch lange nicht, dass seine Spielstärke von zum Beispiel 37 kontinuierlich und linear bis 70, 80 oder 90 ansteigt. Dafür braucht es mehr. Im Gegenteil: bei solchen Spielern wirst du es immer wieder erleben, dass sie in den Auf- und Abwertungsrunden gesagt bekommen: Der macht zu wenig aus seinem Talent! Und rumms – kriegen sie ein, zwei Punkte abgezogen oder verlieren sogar einen Stern.“


    Mir gab dieses Gespräch, das sich noch länger an diesem Abend fortsetzte, sehr zu denken. Stand Emmo womöglich so ein Schicksal bevor? Das ewige Talent zu bleiben, aber nie ein wirklich guter Fußballer zu werden? Nun, es war wohl jetzt noch entschieden zu früh, das festzustellen. Aber man würde diese Möglichkeit zweifellos im Hinterkopf behalten müssen.


    Am 10. Dezember bestritt die erste Mannschaft ihr letztes Ligaspiel des Jahres, und zwar beim VFC Plauen, der Tabellenzweiter war und damit um einen Platz – und einen Punkt – vor dem VfB lag. Daniel Celio war es, dem es gelang, dass auf dem großen Bildschirm im Vereinshaus die Live-Übertragung des NDR angeschaut werden konnte. Unnötig zu sagen, dass alle Spieler der vier Jugendteams dabei waren, sogar die meisten Spieler der Reserve kamen dazu.


    Und was wurde das für ein Fußballfest! Mit fliegenden Fahnen gingen die Plauener unter und mussten dem VfB für die Zeit der Winterpause den zweiten Tabellenplatz überlassen. Nach einer Viertelstunde schoss Duspara das 0:1, was auch der Halbzeitstand war.


    [Blocked Image: http://s14.directupload.net/images/130730/j959mfhj.jpg]
    Duspara (links) tanzt die Plauener Abwehr aus. (Quelle: vfb-luebeck.de)


    Damit war aber längst noch nicht Schluss. Nach der Pause drehten die Hansestädter erst so richtig auf: Zekiri (49.) und Duspara (52.) ließen unverzüglich jede Hoffnung der Gastgeber schwinden, und in der 78. Minute machte Duspara sogar seinen Hattrick perfekt. Jedes Tor wurde mit immer größerem Jubel gefeiert, und als Kadah in der Schlussminute auch noch das 5:0 erzielte, kannte die Euphorie im Vereinshaus keine Grenze mehr.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Tatsächlich schien damit nun der Aufstieg in die Dritte Liga nicht mehr unerreichbar. Als ich am selben Abend daheim noch bei einem letzten Glas Whisky in meinem Lieblingssessel saß – Sabrina hatte sich längst ins Bett verzogen – , überlegte ich, dass es durchaus nicht ausgeschlossen war, dass Emmo eines Tages mit diesen Spielern gemeinsam auf dem Platz stand. Domogoj Duspara (ST) war neun Jahre älter als er, Deniz Kadah (ST) zehneinhalb und Ermir Zekiri (ST) knapp acht. Kevin Kluk (ZM) und Marius Winkelmann (ZM), die heute jeder zwei Torvorlagen gegeben hatten, trennten sogar nur gut sechs Jahre von Emmo; im Grunde war das eine Generation. Nun, mit der Zeit würde es sich erweisen, ob Arne mit seiner Skepsis recht behielt oder ob nicht vielleicht doch ein wirklich erfolgreicher Fußballer aus Emmo werden konnte.


    Alle Kicker des VfB Lübeck gingen nach diesem Erfolg jedenfalls äußerst zufrieden in die Winterpause. Bis auf einen: Marcel Glasner (RV), der in den letzten Wochen zunehmend gute Leistungen gezeigt hatte, verletzte sich auf dem eisharten Trainingsplatz und musste mit einem Riss der Plantarissehne 25 Wochen pausieren! Das bedeutete für ihn wohl das vorzeitige Saisonende. Alle Spieler der B-Jugend zeigten sich geschockt. In den folgenden Tagen sammelten sie für ihn, und dank der Unterstützung einiger der „Großen“ kam ein stattliches Sümmchen zusammen, von dem ihm noch vor Weihnachten eine nagelneue Xbox geschenkt wurde.



    11. Teil: Ein kalter Winter
    (15. Dezember 2011)


    Und dann, am 15. Dezember, war es an mir, geschockt zu sein:



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Sag, mal – ist das dein Ernst?“, konnte ich mir als spontane erste Reaktion nicht verkneifen. Und das war natürlich ein fataler Fehler.


    „Sonst fällt dir dazu nichts weiter ein?“, war die prompte empörte Gegenfrage.


    „Äh, entschuldige mal! Wenn ich mich nicht sehr verzählt habe, dann wirst du nächstes Jahr 44, gar nicht davon zu reden, dass ich gerade 52 geworden bin! Wenn wir jetzt noch einmal ein Baby bekommen, dann hat das gleich mit seiner Geburt zwei fast 30 Jahre ältere Geschwister und ist schon seit über einem Jahr Onkel oder Tante, nämlich von Simons Sohn Patrick, deinem Enkelsohn!“


    Nun, schlimmer hätte ich es nicht machen können. Andere Männer würden sich freuen, in dem Alter noch mal Vater zu werden, und überhaupt stünde für sie schon fest, dass sie das Kind will und so weiter, und so weiter. Kurz und gut: Wir hatten für einige Wochen einen handfesten Ehekrach. Und ich verbrachte die Feiertage teils allein zu Hause, teils im Finnegan und teils im Verein, dem ich jetzt auch als Mitglied beitrat.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Bei der Vereinsweihnachtsfeier begegnete ich übrigens auch zum ersten Mal Gaston Deneuve, dem Manager und Trainer der ersten Mannschaft. Er war mir herzlich unsympathisch. Zum Glück brauchte ich das in keiner Weise vor ihm zu verbergen, denn er nahm mich praktisch überhaupt nicht wahr. Gut, er mochte ja gerade einen recht beachtlichen Lauf mit seinem Team haben – für mich blieb er ein arrogantes A****loch, und mit dieser Meinung stand ich, wie ich rundherum erfuhr, durchaus nicht alleine da.


    Ungleich netter war es hingegen bei der Feier von Emmos fünfzehntem Geburtstag, der mit viel Getöse am 28. Dezember im Vereinshaus gefeiert wurde. Am meisten diskutierte Themen waren nach wie vor das Plauen-Spiel, die Herbstmeisterschaft des FC Bayern und die erfreuliche Mitteilung von Kristian Gentner, dass er beim Vorstand die Buchung eines erneuten Trainingslagers für die B-Jugend hatte erreichen können. Es sollte am 29. Januar beginnen. Natürlich ging es aus Kostengründen wieder nur ins unmittelbare Umland, und angesichts des Wetters und der Jahreszeit versprach es diesmal weit trister zu werden als zuletzt im Sommer, aber das tat der allgemeinen Freude nicht den geringsten Abbruch.


    Anfang des neuen Jahres kam übrigens Gottfried Ehrenreich zu mir, und ich muss sagen, ich fühlte mich ausgesprochen geschmeichelt, dass er es mir als Erstem eröffnete:


    „Malte, offen gestanden würde ich gern die Mentorenrolle für Emmo niederlegen. Meine persönlichen Ziele haben zurzeit einfach Vorrang, und da wäre ich einfach nicht mehr der Richtige für ihn.“


    „Ich habe schon gesehen“, musste ich einräumen, „dass du nicht mehr als passender Mentor bewertet wirst. Leider gibt es anscheinend auch keine echte Alternative.“



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Ja, weißt du, ich will jetzt unbedingt in die erste Mannschaft. Ich habe mich auch stärkemäßig verbessert und hoffe, dass Gaston mich demnächst mal berücksichtigt. Da lenkt so eine Mentorenaufgabe nur ab.“



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Natürlich tat mir das leid, auch wenn ich Gottfried gut verstehen konnte. Emmo würde einstweilen ohne Mentor auskommen müssen, und ich hoffte stark, dass ihn das in seiner engen Situation zwischen Schule, Elternhaus und Verein nicht in ein Ungleichgewicht brachte.


    Überhaupt nutzte ich den grauen und kalten Januar für allerlei interessante Gespräche bei wärmenden Getränken. Mit Emmos Vater trank ich Glühwein an einem Stand beim Holstentor, während wir über die Perspektiven seines Sohnes sprachen, und ich war sehr erfreut zu hören, dass die Eltern ihre Bedenken inzwischen weitgehend abgelegt hatten. Voraussetzung war allerdings, dass das anstehende Zeugnis keinen Anlass zu größeren Sorgen gab. An den Rand des Trainingsplatzes brachte Daniel Celio jetzt immer häufiger heißen Tee für die Jungs, und Arne Rolff öffnete eine Flasche zwölfjährigen Glenmorangie, als ich ihn besuchte.


    „Was hast du auf dem Herzen, mien Jong?“, fragte er und schenkte uns großzügig von dem Highland-Whisky ein.


    Der Grund für meinen Besuch waren Anfragen, die ich seit Ende Oktober immer mal wieder bekam.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Ich weiß überhaupt nicht, was ich davon halten soll.“, erklärte ich.


    „Na, irgendwie müssen die ja auf dich aufmerksam geworden sein.“, sagte er. „Hast du denn überhaupt einen Trainerschein?“


    Nun muss ich an dieser Stelle vielleicht doch einmal etwas mehr über mich erzählen. Im Juli 2011, unmittelbar bevor ich Emmo zum ersten Mal begegnete, war ich gerade grandios mit einem Management-Projekt gescheitert. Okay, war sicher alles mein Fehler, obwohl ich betonen möchte, dass ich mir immer einiges auf meine Managementfähigkeiten zugutegehalten habe. Aber der Versuch, mich als selbstständiger Unternehmensberater niederzulassen, war wohl schon die erste schlechte Idee, und als ich dann auch noch den Auftrag annahm, die Geschäftsleitung eines mittleren Technologieunternehmens zu coachen und deren strategisches Management zu übernehmen, habe ich mich eindeutig glatt verhoben. Naja, vielleicht war da auch etwas Pech dabei. Nur Sabrina hatte natürlich von Anfang an geahnt, dass das schiefgehen würde, und vielleicht hätte ich wirklich besser nicht all unsere verfügbaren Mittel – einschließlich ihres Erbteils von der Mutter – investieren sollen.



    Aber es war nun einmal passiert. Das Geld war futsch, mein schöner Alfa auch, und wir zogen in eine Mietwohnung um, die zwar nicht groß, dafür aber recht lauschig war. In Falkenfeld, etwas spießig vielleicht, aber ganz nett. Ich bezog ALG II und Sabrina verdiente mit diversen Jobs etwas dazu, sodass wir ganz ordentlich über die Runden kamen.


    Das alles erzählte ich nun auch Arne. Nur etwas ausführlicher, was seine Miene von interessierter Konzentration über mitleidiges Lächeln bis hin zu schierem Entsetzen wechseln ließ.


    „Verbraucherinsolvenz, im Ernst?“, fragte er.


    „Scht!“, machte ich und sah mich um, als könnte uns hier in seiner Wohnung jemand belauschen. In Wahrheit war es nur so, dass niemand davon erfahren durfte, wenn ich irgendwie zu Geld kam, denn das hätte ich sofort dem Treuhänder abliefern müssen. Allerdings war ich bislang auch noch zu keinem zusätzlichen Heller gekommen.


    „Ein Job als Trainer käme also schon deshalb gar nicht infrage.“, mutmaßte er hellsichtig.


    „Richtig. Ich bin nur etwas ratlos, wie solche Vereine wie der TuS Mechtersheim auf mich kommen.“


    „Na, sie werden ein bisschen in deiner Vergangenheit gekramt haben, nachdem du jetzt immer mal hier und da als der Entdecker eines großen, jungen Talentes im Gespräch bist.“


    „Bin ich das?“


    Er nickte. „Ich denke schon.“


    „Okay“, gab ich dann zu, „ganz früher habe ich mal als Trainer gearbeitet. Untere Liga, zweite Mannschaft eines Dorfvereins, gar nicht weit von hier. Ist aber beinahe dreißig Jahre her.“


    „Na also, da hast du's.“


    Am Ende war ich froh, dass nun jemand über mich Bescheid wusste, mit dem ich reden und von dem ich einiges Verständnis erwarten konnte. Aber dass ich einen Trainer- oder Managerjob annahm, kam während der nächsten Jahre nicht in Betracht. „Wohlverhaltensperiode“ nennen sie das; ich nenne es Stillhalteabkommen. Buchstäblich jeden Cent, den ich über Hartz IV hinaus verdiente, hätte ich abführen müssen. Ausgeschlossen!

  • 12. Teil: Halbzeitstatistiken
    (7. Januar 2012)


    Ich beschränkte mich also weiterhin darauf, die Entwicklung des VfB Lübeck im Allgemeinen und von Emmo Winter im Besonderen zu beobachten. Zudem intensivierte ich mein Statistik-Management, was mir wenigstens ein wenig das Gefühl gab, meine Fähigkeiten sinnvoll einsetzen zu können.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Die Erste Mannschaft lag also jetzt nach 18 Spielen nur einen Punkt hinter dem Aufstiegsplatz (den leider ausgerechnet die Kieler belegten). Mit der Chancenverwertung seiner Mannen konnte Gaston Deneuve durchaus zufrieden sein, mit dem Publikumszuspruch dagegen nicht so ganz.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Außerdem war zu konstatieren, dass der VfB die unfairste Mannschaft der Liga hatte, mit 27 gelben und zwei roten Karten, die sich Sven Schaffrath (IV) und Kevin Kluk (ZM) eingefangen hatten. Duspara und Kadah bildeten mit zusammen 20 Toren den stärksten Sturm der Liga, Keeper René Melzer zählte zu den drei notenbesten Spielern.


    Mittelmäßig lief es dagegen für die Reserve, die trotz eines starken Angriffs nur Achter in ihrer Liga war.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Die A-Junioren waren übrigens zur Halbzeit Neunter von 14 Mannschaften in der vierten Liga, die D-Junioren Dritter mit Aufstiegsambitionen. Bei den B-Junioren führte unser Wolfgang zusammen mit drei anderen Jungs die Torschützenliste der Liga an und war schon zweimal zum Spieler des Spiels erklärt worden.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Von den 12 Toren seines Teams hatte er mit Abstand die meisten erzielt, und darauf war das Spiel der Mannschaft ja auch angelegt. Die besten Noten verdiente sich außer ihm aber vor allem die Abwehr.



    (Quelle: eigene Tabellengrafiken)


    Alle diese Informationen und Statistiken legte ich säuberlich in entsprechenden Dateien auf meinem Computer ab. Dabei konnte ich nicht einmal sagen, weshalb. Irgendwie hatte ich durch Emmo und all die netten Menschen, mit denen ich im Verein und um ihn herum zu tun hatte, nach Jahrzehnten endlich wieder Spaß am Fußball gefunden und an allem, was sich mit ihm verband. Wenn ich ganz ehrlich war, verspürte ich sogar mitunter einen gewissen Reiz an der Vorstellung, doch mal wieder als Trainer oder Manager aktiv zu werden. Trotz der Pleite vom vorigen Jahr bildete ich mir ein, dass ich durchaus noch Managerqualitäten besaß, und indem ich die Entwicklungen hier beim VfB aufmerksam beobachtete, gewann ich so langsam auch ein Bild davon, was getan werden konnte, um einen Verein und eine Mannschaft erfolgreich zu führen.


    Zudem kamen immer wieder Anfragen von fünft- und viertklassigen Clubs, ob ich nicht bei ihnen das Ruder übernehmen wolle. Manchmal ertappte ich mich dabei, dass ich daraufhin gern mal zum Handy gegriffen hätte. Ob ich der Versuchung irgendwann doch noch einmal erliegen würde?


    Sogar Sabrina bemerkte eine Veränderung an mir. Und zwar in positiver Hinsicht. Dabei kam mir natürlich auch zugute, dass es mir – dank einer Erinnerungsfunktion im FM-Notizblock – erstmals seit Jahren gelungen war, ein wichtiges Datum nicht zu vergessen.



    (Quelle: Screenshot FM12)



    13. Teil: Einige Verbesserungen
    (29. Januar 2012)


    Dieser Tage riet mir ein Bekannter, ich sollte doch vielleicht als Spielerberater für Emmo auftreten. Dann könnte ich vielleicht auch hoffen, dadurch aus meinem finanziellen Schlamassel herauszukommen. Nun, ich nahm mir vor, darüber nachzudenken.


    Ende Januar gab es zunächst Zeugnisse, und Emmos schulische Leistungen waren zwar weiterhin unterdurchschnittlich, aber nicht katastrophal. Wie alle anderen durfte er in das lokale Trainingslager mitfahren. Nur Marcel (RV), der wegen seiner schweren Unterschenkelverletzung weiterhin ausfiel, fehlte leider – ebenso wie ein weiterer Junge, der seit Kurzem nicht mehr dazugehörte.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Überrascht war davon, glaube ich, niemand wirklich. Ivica (IV) war in dieser Saison ein einziges Mal zum Einsatz gekommen, und das auch nur per Einwechslung gegen Sandhausen, acht Minuten vor Schluss. Er zählte zu den Jüngsten im Team, galt als der fußballerisch Schwächste und hatte, wie jeder mühelos erkennen konnte, überhaupt kein Talent. Als er dann anfing, den anderen heimlich, während sie auf dem Trainingsplatz waren, in der Kabine Juckpulver in die Sachen zu streuen, und sich noch so einige andere Eskapaden leistete, setzte Kristian ein Exempel. Die anderen waren zuerst entsetzt, Ivica rannte heulend und schimpfend nach Hause, aber letztendlich hatte nun wohl jeder begriffen, dass es hier nicht nur um Spaß und Launen des Einzelnen ging, sondern dass ein Team sich formen und zusammenhalten muss.


    Vergnügt, fit und munter kamen sie dann nach einer Woche zurück, nur Raphael (LM) hatte sich eine Erkältung eingefangen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Ich holte natürlich sofort wieder meine Statistikaufzeichnungen hervor und verglich die aktuellen Stärkewerte mit der Situation nach dem letzten Trainingslager im Sommer. Am meisten verbessert hatte sich danach Wolfgang (ST, +3), aber auch Hany (TW), Bekir (DM), Lan (RM) und Emmo hatten gut zugelegt (+2). Alles in allem waren die Jungs nicht nur technisch und konditionell besser, sondern auch reifer geworden. Kristian war voll des Lobes, als er mir von seinen Erfahrungen und Erlebnissen während dieser sieben gemeinsamen Tage berichtete. Zwölf von ihnen würden ja in der nächsten Saison um eine Jugendklasse aufrücken, und die meisten von ihnen, so prophezeite er, waren heute schon so weit, dass sie sich nicht hinter den Älteren verstecken mussten.


    Dass ich auf Emmos Entwicklung ein besonderes Augenmerk legte, muss wohl nicht besonders betont werden. Beinahe alle Werte in den Kategorien Feldspieler und Verfassung hatten sich verbessert, ganz besonders seine langen Pässe (+7). Zudem war er beachtliche 8 cm gewachsen und besaß nun bereits – das beeindruckte mich am meisten – eine optimale taktische Ausbildung (7/7). Offenbar verstand Kristian sich sehr gut auf die Vermittlung von Taktik und Theorie.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Aber bekanntlich sind Theorie und Praxis zwei Paar Schuhe. So gut Emmo sich in Training und Trainingslager auch präsentierte, in den Punktspielen war er bislang noch einiges schuldig geblieben. Sein bisheriger Notendurchschnitt lag bei 3,8; von denen, die die Mehrzahl der Spiele mitgemacht hatten, waren nur Kevin (4,0) und Bekir (4,1) schlechter. Nach dem nächsten Training sprach ich ihn deshalb mal darauf an.


    „Das Trainingslager lief ja ganz gut.“, begann ich.


    „Hm, stimmt. Hat auch viel Spaß gemacht. Und ich glaube, ich habe viel dazugelernt.“


    „Wär' nur halt gut, wenn man davon in den nächsten Spielen auch ein bisschen mehr sehen würde.“


    Emmo nickte. „Irgendwie läuft manchmal noch vieles an mir vorbei.“


    „Pass auf, ich schlag' dir was vor.“, sagte ich dann. „Was du brauchst, ist jemand, der dich individuell berät. Der dir ein paar Dinge zeigt und erklärt, die beim Training in der Gruppe nicht vorkommen.“


    „Du meinst, so eine Art Spielerberater?“


    „Wenn du es so nennen willst, ja. Allerdings nicht mit dem Ziel, dich zu größeren Vereinen zu bringen. Noch nicht. Wichtig wäre nur, dass du den Kopf freikriegst. Und dass du lernst, deine Stärken noch mehr einzusetzen. Vielleicht kann man sogar sagen: du musst egoistischer werden, damit das Team noch mehr von deinem Talent profitiert. Und du auch.“


    Emmo verstand zwar noch nicht so genau was ich meinte, erklärte sich aber einverstanden. Anschließend sprach ich mit Kristian und Daniel, dann auch mit Paul, dem Nachhilfelehrer. Und schließlich mit Emmos Eltern. Wir vereinbarten, dass ich dreimal die Woche eine Stunde lang ein Spezialtraining mit Emmo absolvierte: mal Fitness, mal Technik und Taktik, mal Mentaltraining. Daneben sprachen wir über seine Ansichten über die Schule und alles andere, was ihn beschäftigte. Und wir verstanden uns gut, das kann man wohl so sagen.


    Ganz nebenbei bekam ich dadurch nach langer Zeit mal wieder Gelegenheit, mich als Trainer zu betätigen, auch wenn es nur in kleinem Rahmen war. Doch immerhin, vielleicht war es doch nochmal ein Anfang für eine neue Karriere…


    Bevor es aber am 20. Februar für die B-Jugend mit dem Spielbetrieb weiterging, waren erst einmal die Männer dran, und sie starteten mit vier Punkten aus zwei Spielen recht erfolgreich in die Rückrunde. Platz 2 war der Lohn, und Duspara (ST) avancierte zum absoluten Helden der Fans wie der Jugendspieler, zumal er wenig später die alleinige Führung in der Torjägerliste übernahm.



    (Quelle: Screenshot FM12)

  • 14. Teil: Vielversprechender Rückrundenstart
    (20. Februar 2012)


    Doch dann kam der heißersehnte Wiederbeginn des Ligabetriebes im Jugendbereich. Gleich zum ersten Spiel ging es mit dem Mannschaftsbus ziemlich weit gen Süden, nämlich nach Kassel. Keiner der Jungs hatte vergessen, wie die Hessen ihnen im August die erste Niederlage beigebracht hatten, und dafür sollte es heute natürlich eine gepfefferte Revanche geben.


    Und die gab es! In einem für diese Altersklasse ausgesprochen hochklassigen Spiel fiel schon nach sieben Minuten das erste Tor durch Wolfgang (ST) nach einem Freistoß von Emmo, aber der Schiri wollte es aus unerfindlichen Gründen nicht anerkennen. Kristian musste seine Jungs von der Seitenlinie her erst einmal schwer beruhigen, so sehr regten sich einige über diese Entscheidung auf, aber dann reagierten sie mit überlegtem und sehenswertem Fußball. Nicht lange vor der Pause war es Lan (RM), der erneut Wolfgang (ST) geschickt in Szene setzte, und diesmal hatte auch der Referee nichts auszusetzen – es stand 1:0.


    Die zweite Halbzeit gehörte dann im Wesentlichen Emmo.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Zuerst hatte er noch Pech, als er mit einem Kopfball an der Latte der Kasselaner scheiterte, aber wenig später schloss er ein schönes Solo mit seinem zweiten Saisontor ab. Zu Recht waren alle am Ende total zufrieden mit sich und dem Ergebnis. In der Tabelle brachte uns das auf Platz vier voran, nur noch zwei Punkte hinter einem Aufstiegsplatz und drei hinter den führenden Sandhausenern.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Am nächsten Tag war die Euphorie nach dem gelungenen Rückrundenauftakt immer noch groß. Emmo kam über das ganze Gesicht strahlend auf mich zu und war stolz auf seine erste 2,0-Bewertung. Aber noch ein anderes Ereignis sorgte für Aufregung: Arne, der Scout, hatte am Vortag seine Videokamera nach Kassel mitgenommen und führte nun einen interessanten Zusammenschnitt des Spiels vor. Kristian, mit dem das natürlich abgesprochen gewesen war, ließ ihn immer mal wieder einzelne Szenen zurückspulen und erneut zeigen, verlangte Zeitlupen oder Standbilder und erklärte detailliert, was gut gelaufen war und was noch verbessert werden musste.


    Zwischendrin stieß Arne mich einmal an.


    „Fällt dir was auf?“, fragte er.


    Ich wusste nicht, was er meinte.


    „Na, achte mal auf den Jungen mit der Fünf!“


    „Mit der Fünf? Aber die Fünf hat doch Torge, und der hat gestern gar nicht mitgespielt.“


    Arne nickte und schmunzelte. „Ich meine ja auch nicht unsere Fünf, sondern die der Hessen.“


    Tatsächlich, da fiel es mir auch auf. Der Blondschopf trickste immer wieder gekonnt, verteilte die Bälle klug und geschickt von seiner DM-Position und überzeugte durch Robustheit und Stellungsspiel. Leider waren seine Kameraden damit zumeist überfordert, sodass im Endeffekt nicht viel dabei herauskam.


    „Der wäre vielleicht eine Option für uns.“, gab ich zu, auch wenn das für Kevin vielleicht ein Problem werden würde, weil er im defensiven Mittelfeld ja schon wegen Bekir nicht konkurrenzlos war. „Willst du ihn mal ansprechen?“


    „Hab' ich schon!“, verkündete Arne stolz. „Seit heute liegt seinen Eltern ein Angebot vor.“



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Sechzehn Jahre, sieben Sterne, erstklassige taktische Ausbildung und jetzt schon stärker als jeder Einzelne aus unserer Mannschaft! Sogar auf seiner vierten Position, als Innenverteidiger, ist er noch besser als unsere Abwehrspieler. Da musste ich es einfach mal probieren!“


    „Hm, was meinst du denn, was Gaston dazu sagt?“


    „Der Manager? Der weiß erst mal noch gar nichts. Aber wenn es so weit ist, dann soll der sich nur trauen, so ein Talent abzulehnen. Zweieinhalb Mille sind da praktisch geschenkt!“


    Ich stimmte ihm zu, obwohl ich eigentlich skeptisch war. Nach meinem Empfinden tat es jungen Talenten nicht gut, wenn um sie schon so früh ein Transferrummel gemacht wurde. Aber das sagte ich nicht. Eigentlich war ich auch nur deswegen überrascht gewesen, weil ich gar nicht gewusst hatte, dass einem so leicht ein derartiges Talent über den Weg laufen konnte.


    In den nächsten Tagen dachte ich gar nicht mehr daran. Viel mehr beschäftigte mich, dass es mal wieder eine kleine Meinungsverschiedenheit mit Sabrinchen gab. Jaja, ich weiß, schwangere Frauen sollte man sehr vorsichtig und rücksichtsvoll behandeln, aber ich hätte doch nun gern bald mal meinen Arctic Truck gekriegt. Das Geld dafür hatten wir inzwischen zusammen. Nur hatte dummerweise sie die Hand darauf, denn ich durfte ja wegen der Insolvenz offiziell nur gerade das Nötigste zum Überleben besitzen. Und Sabrina hatte beschlossen, dass wir angesichts des zu erwartenden Nachwuchses unbedingt eine Familienkutsche brauchten, etwa einen Ford C-Max, der stolze 25.000 Euro kosten sollte.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Außerdem nörgelte sie daran herum, dass wir immer noch zur Miete wohnten, und bestand darauf, dass wir für die Kleine partout ein Haus mit Garten bräuchten.


    „Die Kleine? Was für eine Kleine?“


    Das war natürlich wieder ein total fataler Schnitzer von mir.


    „Malte, ich bin schwanger – schon wieder vergessen?“


    „Halt mich bitte nicht für blöd! Ich weiß sehr wohl, dass du schwanger bist. Aber ich werde dir was husten von wegen die Kleine, das wird nämlich ein Junge werden!“


    Naja, und so weiter. Am Ende heulte sie und ich verstauchte mir den Zeh, als ich vor Wut gegen das Küchenbüffet trat, ganz zu schweigen von der Sauerei, als dabei das Honigglas herunterfiel und auf dem Flokati zerbrach. Das Fazit war, dass es bis auf weiteres kein Auto geben würde, eine Immobilie natürlich schon gar nicht, und bis zum nächsten Hochzeitstag, mit dem ich mich vielleicht hätte retten können, waren es auch noch elf Monate hin.


    Umso mehr wandte ich mich wieder dem Jugendfußball des VfB Lübeck zu. Das nächste Spiel im Lohmühle-Stadion endete 0:0 gegen den 1. FC Magdeburg, leider kein Sieg also, und wir rutschten wieder auf Platz 5 ab. Aber insgesamt war es eine Emmo-Show, was da ablief. Nach einer halben Stunde leitete er eine Riesenchance für Kevin (DM) ein, die dieser aber total verpatzte. Überhaupt gelang Emmos Bruder in letzter Zeit nicht viel; ich hoffte nur, dass das keine Auswirkungen auf den häuslichen Frieden der Familie Winter haben würde. Außerdem trat Emmo jetzt meistens die Ecken, und dreimal brachte er das gegnerische Tor damit mächtig in Gefahr, aber Bekir (LM) und zweimal Wolfgang (ST) machten nichts draus. Kurz vor Schluss hämmerte er dann noch einen Weitschuss knapp über die Latte und alle fanden, schon er allein hätte heute einen Lübecker Sieg verdient gehabt, ebenso wie Pan, der sich die Bestnote verdiente.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Doch dann, keine 24 Stunden später, war es mit meiner guten Laune schon wieder Essig.


    „Sind Sie der Assistent von Herrn Rolff? Den kann ich nämlich gerade nicht erreichen!“, dröhnte es mir aus dem Handy ins Ohr.


    Nein, ich bin nicht… wollte ich gerade sagen, aber der Anrufer interessierte sich anscheinend überhaupt nicht dafür, was ich etwa zu sagen gehabt hätte.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Na, nur gut, dass ich an diesem Abend nicht noch Sabrina begegnete; das hätte übel ausgehen können.


    Das 16. Saisonspiel der B-Jugend des VfB Lübeck brachte dann aber erstmals den Sprung auf einen Aufstiegsplatz, und wenn es in der vergangenen Zeit schon ziemlich viel Grund zum Feiern gegeben hatte, dann toppte dieser Erfolg das noch einmal gewaltig. Einige der Älteren hatten auf der Rückfahrt im Bus von Unterhaching nach Hause angeblich sogar Alkohol dabei. Das war zwar nur warm gewordener Sekt, mit dem sie sich mehr einsauten als betranken, aber Kristian und ich waren uns anschließend einig, dass dieses Problem möglicherweise auch noch auf uns zukommen würde.


    „In der A-Jugend musste ich neulich schon mal einen rausschmeißen, weil er sich hat volllaufen lassen.“, sagte er am nächsten Tag, als wir uns mal wieder im Finnegan trafen. „Zwar haben wir uns auf Schulprobleme als offizielle Begründung geeinigt, damit nicht die Eltern anderer Kinder hellhörig werden, aber es lässt sich nicht leugnen, dass wir da ein Thema haben, das immer mal wieder hochkocht.“


    Fürs Erste waren wir dennoch einfach nur stolz auf die Jungs. Wieder waren Pan (LV), Stephan (RV), Emmo und Wolfgang (ST), der auch – auf Vorlage von Lan (RM) – das Tor des Tages erzielte, die Besten, aber vor allem bewiesen sie sich in letzter Zeit alle super als Team.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Irgendwer hatte einen Ausdruck der Tabelle im Posterformat in den Vorraum des Vereinshauses gepinnt, und jeden Tag konnte man mindestens eine Handvoll Jugendspieler davor stehen und aufgeregt diskutieren sehen. Es standen noch zehn Spiele aus, und nach der erfolgreichen Bilanz von zuletzt sieben Spielen ohne Niederlage und 9:0 Toren waren sie verständlicherweise sehr optimistisch, dass der Aufstieg in die dritthöchste Spielklasse gelingen konnte. Allerdings standen die Spiele gegen sämtliche Teams der oberen Tabellenhälfte noch aus, und Kristian wurde auch nicht müde, die Jungs vor blinder Euphorie zu warnen.

  • 15. Teil: Wie gewonnen, so zerronnen
    (8. März 2012)


    Was mich angeht, so hatte ich in dieser Woche mal wieder so eine Begegnung der unheimlichen Art. Zum Verständnis muss ich vorausschicken, dass ich am Wochenende zuvor bei Freunden in München gewesen war, was ganz gut passte, denn so hatte ich mir am Montag noch das großartige Spiel in Haching ansehen können. Auch für Emmo war es gut, wenn ich bei seinen Spielen dabei sein konnte, was auswärts (wegen der Kosten) nicht immer leicht einzurichten war. Jedenfalls war mir da schon so ein eigenartiger Typ aufgefallen, der sich mehr für einige Leute am Spielfeldrand als für das Spiel selbst zu interessieren schien. Irgendwann stellte er sich neben mich und fragte mich über die Lübecker Spieler aus und wie ich die einschätzte.


    „Na, der Emmo“, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen, „der ist schon ein großes Talent. Der mit der Sieben. Aus dem kann durchaus mal was werden. Aber auch Pan und Lan und Ingo …“


    „Haben Sie den entdeckt?“, fragte er auf einmal.


    „Wie – wen?“


    „Na, den Emmo. Haben Sie den entdeckt?“


    Irgendwie war mir der Mann nicht recht geheuer. Er schien mehr über die Mannschaft und sogar über mich zu wissen, als er zugeben wollte. Ich wimmelte ihn halbwegs ab, und tatsächlich sah ich ihn nach dem Spiel mit einem anderen zusammenstehen, der einen nicht zu übersehenden Presseausweis am Hemdkragen angeklemmt hatte. Naja, und drei Tage später wusste ich dann, in welcher Ecke ich ihn einzusortieren hatte. Da flatterte mir nämlich ein völlig überraschendes Angebot ins Haus.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Ein Radiosender machte mir – mir! – ein Vertragsangebot! Über 34.176 Euro im Jahr, das waren im Monat… also, ohne Taschenrechner konnte ich das jetzt gerade nicht. Ohne zu überlegen, schlug ich sofort zu. Kein Zögern, ob man mehr Geld oder eine längere Laufzeit hätte verlangen können, und erst recht keine Debatte mit Sabrina – ich unterschrieb, tütete den Wisch ein und steckte ihn in den Briefkasten an der Ecke, ehe mir irgendwelche Zweifel kommen konnten.


    Die ließen dann allerdings nicht lange auf sich warten.


    „An dem Geld wirst du wohl nicht viel Freude haben, denke ich mal.“, war prompt Arnes Kommentar, als ich noch am selben Abend bei ihm aufkreuzte.


    „Du meinst, sie werden es mir wegpfänden.“


    „So weit solltest du es gar nicht erst kommen lassen. Ruf morgen den Treuhänder an, der in deinem Insolvenzverfahren zuständig ist, und beichte es ihm.“


    „Geheim halten kann man so was wohl nicht?“ Mist, dachte ich bei mir. „Da werden sich meine Gläubiger aber freuen.“ Arne nickte nur.


    Und als wäre das der Auslöser gewesen, begann nun eine eher unerfreuliche Zeit. Sabrina hatte sich einem Selbsterfahrungskreis werdender Mütter über vierzig angeschlossen und sprach kaum noch mit mir. Die Männermannschaft des VfB, die gerade noch Tabellenzweiter mit einem Punkt Rückstand auf Holstein Kiel gewesen war, verlor vier Spiele in Folge – darunter ein 0:6 gegen den Vorletzten BAK – und verabschiedete sich zusehends von ihren Aufstiegschancen. Und als wäre das nicht genug, endete auch die Erfolgsserie der B-Jugend abrupt. Auf ein 0:1 gegen Sandhausen folgte ein 1:2 in Essen – Torschütze: Angelo (IV) per Elfmeter – samt Absturz auf Platz 6. Alle ohne Ausnahme zeigten bescheidene Leistungen, und Kristian wies sie nur gnadenlos darauf hin, dass Überheblichkeit eben immer genau das zur Folge hat: Niederlagen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Woran hat es gelegen?“, fragte ich Emmo am Tag darauf.


    „Ich weiß auch nicht.“, brummelte er. „Sandhausen macht halt gleich vom Anstoß weg das Eins-Null, und dann lief gar nichts mehr. In Essen führen wir zwar, doch dann drehen die das Ding noch vor der Pause.“


    „Aber siehst du, genau das ist es: in beiden Spielen wäre noch genug Zeit gewesen, wieder das Heft in die Hand zu kriegen. Warum geht das nicht?“ Emmo zuckte nur mit den Schultern. „An wem hat's gelegen? An dir?“


    „Naja, sicher auch.“


    „Und an wem noch? Komm, raus damit!“


    Er zögerte. „Hm, ich will ja keinen schlechtreden. Aber Gunnar, der ist immer so eigensinnig. Und Kevin, okay, er ist mein Bruder, aber irgendwie spielt er nur Mist zusammen.“


    Das war es also. Ich fand es gut, dass er die anderen kritisch sah, und das sagte ich ihm auch.


    „Aber wenn etwas nicht okay ist und du das erkennst“, fügte ich auch hinzu, „dann musst du das ändern. Sonst wartet jeder auf den anderen und nichts passiert, außer dass alle sauer werden oder resignieren.“


    „Und wie soll ich das machen?“


    „Ganz einfach: sag' es ihnen!“ Und dann versuchte ich ihm zu erklären, wie man zu einem Führungsspieler wurde.


    Trotzdem: die zwischenzeitlichen Aufstiegshoffnungen waren erst einmal dahin. Zu allem Überfluss konnte man sich nicht mal mit der üblichen Schadenfreude in Bezug auf die Kieler trösten, denn Holstein hatte zuletzt zweimal gewonnen und die Abstiegsplätze verlassen. Und als wenn das nicht schon genug gewesen wäre, reihte sich auch noch die zweite Mannschaft des VfB Lübeck gnadenlos in die Peinlichkeitsserie ein.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Aber die Phase der allgemeinen Erfolglosigkeit hatte irgendwo auch ihr Gutes. In dieser Zeit wuchs ich ganz besonders mit dem Verein zusammen, und wäre da nicht dieses dämliche Insolvenzverfahren gewesen, hätte ich mir sogar vorstellen können, beim VfB einen Job anzunehmen.


    „Wie wäre es denn als Torwarttrainer?“, fragte mich Jérôme allen Ernstes, als wir auf dem Golfplatz über die schlechten Zeiten lamentierten. Ich hatte mein Handycap inzwischen immerhin auf 32 verbessert.


    „Torwarttrainer?“ Ich muss ziemlich blöde geguckt haben.


    „Naja, das wäre der einzige Trainerposten, den wir noch besetzen könnten. Und du hast doch einen Trainerschein, habe ich gehört.“


    Hatte er gehört, soso. Im Hören war er gut, keine Frage; vom Fußball verstand er dagegen, das wurde mir immer klarer, herzlich wenig. Zweiten Scout hätte ich ja vielleicht noch verstanden, aber Torwarttrainer?


    „Nee, du, danke. Ist ja nett gemeint, aber erstens ist das nun so gar nicht mein Metier, und zweitens, ähm…“


    Er sah mich forschend an. „Ist das liebe Geld das Problem?“


    „Naja, nicht so, wie du denkst.“


    Über meine finanzielle Bredouille wollte ich mit ihm nun nicht auch noch reden. Er fragte auch nicht weiter nach. Stattdessen sagte er nur:


    „Pass auf, ich stelle dir in das freie Bürozimmer im Vereinshaus einen Schreibtisch und ein Telefon, und dann machst du, was du für den Club für richtig hältst.“


    Ich bedankte mich artig und ließ ihn am letzten Loch doch noch gewinnen (obwohl das nicht ganz einfach war). Was er eigentlich von mir erwartete, war mir nicht recht klar. Aber am nächsten Tag stand da tatsächlich ein Schreibtisch in dem besagten Raum, dazu eine komplette Büroausstattung mit jeglicher Infrastruktur, die man sich wünschen konnte. Und das Stärkste stellte ich überhaupt erst am Abend fest, als ich mich noch fragte, ob ich auf dem komfortablen Sofa pennen oder doch zu Sabrina nach Hause gehen sollte. Beim Testen der Matratze – übrigens einer von höchster Qualität – rutschte mir einiges Papier aus der Sofaritze entgegen, und zu meiner grenzenlosen Verwunderung stellte ich fest, dass es sich um nichts anderes als um Geldscheine handelte. Einige. Euros. Um nicht zu sagen: einige hundert Euros!



    Ich steckte die Scheine ein und ging nach Hause.



    16. Teil: Aktivitäten
    (25. März 2012)


    Danach änderte sich für mich so manches. Durch das Geld, das ich nun immer häufiger in der Sofaritze fand, gewann ich eine ganz neue Unabhängigkeit. Sabrina erzählte ich nichts davon, allerdings sah sie mich manchmal irgendwie zweifelnd von der Seite an. Vermutlich dachte sie sich etwas, aber ich war nicht scharf darauf zu erfahren, was. Der Einzige, den ich einweihte, war Arne.


    „Denk' nicht groß drüber nach, nimm es!“, riet er mir. „Ohne Geld funktioniert nichts, auch im Sport nicht, nicht einmal im Jugendbereich. Und Jérôme, der ist zwar kein wirklicher Mann des Sports, aber er ist Geschäftsmann, und wenn der dir Geld gibt, dann kannst du dich drauf verlassen, dass er weiß, es lohnt sich für ihn.“


    „Was glaubst du, was ich tun soll?“


    „Was du bisher auch getan hast. Kümmer' dich um die Jungs!“


    Und das tat ich. Das Training mit Emmo machte gute Fortschritte. An meinem neuen Arbeitsplatz führte ich meine Statistiken weiter und erfasste auch allerlei anderes, das ich in Erfahrung brachte. Mit der Zeit wurde ich beinahe so etwas wie ein Schattenmanager; Gaston Deneuve hätte das vermutlich nicht sehr gefallen. Ab sofort besuchte ich jedes Spiel der B-Jugend, auch die Auswärtsspiele, und beobachtete sie und ihre Gegner noch genauer.


    Als Nächstes kam der SC Verl ins Lohmühle-Stadion, und da sah vieles schon bedeutend besser aus. Vor allem Emmo machte sein bis dahin bestes Spiel.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Ebenso beeindruckte mich Pan (LV), der sich die Note 1,0 verdiente, und auch Ingo (IV) und Lan (RM) zeigten eine glänzende Leistung. Zwar brachte uns dieser Sieg nur um einen Platz voran (Fünfter) und der Abstand zum Zweiten blieb bei vier Punkten, aber die Jungs gewannen ihr Selbstvertrauen wieder und ich – ich hatte das ganz persönliche Gefühl, noch etwas mehr mit den Erfolgen dieser jungen Kicker zu tun zu haben.


    Beim folgenden Auswärtsspiel ging ich dann sogar noch einen Schritt weiter. Mir war nämlich in der ersten Halbzeit beim Gegner ein Talent aufgefallen, über das ich mehr wissen wollte.


    „Arne“, sagte ich in der Pause zu unserem Scout, „könntest du mir mal einen Bericht über die Nummer acht der Mäusewitze machen? Der kommt mir nämlich recht vielversprechend vor.“


    „Aye aye, mien Jong.“, sagte Arne nur, und schon am nächsten Tag hatte ich sein Exposé auf dem Tisch.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Der 16-jährige Andrea war Italiener und überall im zentralen Mittelfeld einsetzbar, also gegebenenfalls eine interessante Ergänzung für Emmo, hinter oder neben ihm. Antritt und Ballkontrolle waren seine Stärken, während er auf den Flügeln (Flanken) und in der Abwehr (Tackling) Schwächen hatte. Außerdem war er unsicher bei langen Bällen, wie Arne festgestellt hatte. Aber insgesamt erschien es mir lohnend, ihm mal ein Angebot zu machen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Fünftausend Euro musste so ein Talent dem Verein doch eigentlich wert sein, fand ich. Und falls Jérôme sich wider Erwarten sträubte, konnte ich diesen Einmalbetrag notfalls auch selbst aufbringen. Dank meines Goldeselsofas.


    Das Spiel zwischen den B-Junioren aus Meuselwitz und Lübeck war übrigens leistungsgerecht 1:1 ausgegangen. Es war ein kampfbetontes Spiel, bei dem sich beide Teams derart neutralisierten, dass außer gelben Karten und Auswechslungen nichts weiter erwähnenswert gewesen wäre, hätte es da nicht die stürmische Anfangsphase gegeben.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Man konnte es also auch so ausdrücken: Andrea gegen Emmo 1:1. Dabei war das erste Tor besonders bemerkenswert. Direkt neben mir stand irgend so ein Klatschblattreporter und diktierte seinen Kommentar in sein Handy:


    „Dieses Tor war unglaublich. Lan C. Lott (RM) läuft quer, schaut beim Pass demonstrativ fast Richtung Mittelkreis und lupft den Ball dabei butterweich genau in den Lauf von Emmo Winter (OM), der mit der Innenseite den Ball an Torhüter Sidney Auriac (TW) vorbei bugsiert und das Leder genau in der Torecke versenkt. Absolute Weltklasse.“


    Ich musste schmunzeln, freute mich aber, wenn Lan und Emmo in irgendeiner Dorfzeitung derart huldvoll erwähnt wurden.


    Da Tabellenführer Jena ebenso wie Erfurt verloren hatte, brachte uns dieses Unentschieden sogar einen Platz nach vorn und bis auf drei Punkte an einen Aufstiegsplatz heran.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Und das wurde sogar noch getoppt von dem nächsten Spiel, das am darauffolgenden Montag auf dem Jugendplatz des Lohmühlestadions gegen den Tabellenführer 1. FC Heidenheim stattfand. Beim Hinspiel vor einem halben Jahr hatte es noch ein 1:1 gegeben, diesmal fielen wieder zwei Treffer, aber beide für uns.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Lan erzielte sein erstes Tor, und das gleich in der 3. Minute. Mit erstaunlicher Souveränität sicherte die Mannschaft danach ihren Sieg, der dank der überragenden Abwehr tatsächlich nie gefährdet war. Aber auch Wolfgang, der schon seit fünf Spielen nicht mehr getroffen hatte, gelang noch ein Tor, und das bedeutete nun zwar immer noch Platz vier, aber wegen Jenas Unentschieden nur noch mit einem Punkt Rückstand auf Platz 2.


    Am nächsten Wochenende wurde bereits die Deutsche Meisterschaft entschieden: Die Bayern hatten durchgezogen, woran sie von Saisonbeginn an niemanden ernsthaft hatten zweifeln lassen, und durften nun schon nach dem 31. Spieltag feiern. Nun, wir Norddeutschen nahmen das mit nur geringem Interesse zur Kenntnis. Moinmoin.

  • 17. Teil: Quo vadis?
    (16. April 2012)


    Zwei Tage später erhielt ich Nachricht auf das erste Spielerangebot, das ich in meiner gerade begonnenen, ja, nennen wir es ruhig wieder: Managerkarriere abgegeben hatte.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Naja, immerhin war es nicht wieder so eine unverschämte Absage wie bei Michael Zehnpfennig. Ich machte mir eine Notiz, schob sie dann aber beiseite und dachte einstweilen nicht weiter daran. Mehr zu denken gab mir dagegen schon eine Bemerkung des Zeitungsfritzen, der jetzt immer häufiger bei Spielen der Lübecker B-Jugend am Spielfeldrand zu finden war. Sein Name war, wie ich inzwischen herausgefunden hatte, Rob Referee, und er schrieb für mehrere Ostholsteinische Kur- und Werbeblättchen. Mir war irgendwie so, als wenn er einen weitaus bekannteren Bruder hatte. Bei dem Spiel in Jena, zu dem er eigens aus seiner Bäderprovinz angereist war, stand er mal wieder in meiner Hörweite – was bei seinem Organ kein Kunststück war – und brüllte in sein Diktiergerät:


    „Da muss der wechselwillige Mittelfeldspieler mehr draus machen!“


    Ich sah erst ihn an, dann die Spieler auf dem Feld – und schließlich gelang es mir zu rekonstruieren, von wem er da gerade gesprochen hatte. Der Junge, der soeben eine gute Chance vergeben hatte, war niemand anderer als Gunnar Schweins (OM). Wie das – Gunnar sollte sich mit Wechselabsichten tragen?



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Ich konnte es kaum glauben. Andererseits fiel mir dabei das erste Interview ein, das ich im vorigen Sommer mit Uli Leitenberg geführt hatte. Ob ich meinte, hatte er damals gefragt, dass wir unsere Talente bei der prekären Finanzsituation langfristig beim Verein halten könnten. Ehrlich gesagt, war mir diese Sorge bisher nicht ernsthaft gekommen. Das waren hier 14- bis 17-Jährige, die nur spielen wollen, hatte ich gedacht. Aber vielleicht war das ja doch eine Fehleinschätzung…


    Ich verzichtete darauf, Rob Referee danach zu fragen, woher er eine solche Information haben mochte. Doch wenn ich es mir recht überlegte, hatten Gunnars Leistungen zuletzt entgegen dem Trend des Teams eher nachgelassen, und Emmo war ja auch nicht gerade zufrieden mit ihm.


    Da ich heute aus dem Grübeln nicht rauskam, ging ich spät abends noch ins Finnegan. Montags war hier immer noch was los, seit man nach den Spielen der B-Jugend sicher sein konnte, den einen oder anderen aus dem Verein anzutreffen. Diese Spiele waren in letzter Zeit halt immer ein Thema. Kristian und Daniel Celio, die direkt mit dem Jugendtraining zu tun hatten, kamen meist ebenso wie die beiden anderen aus dem Trainerstab, Daniel Lippmann und Marius Mattle. Auf diese Weise war das Finnegan fast schon so etwas wie eine Stammkneipe des Vereins geworden.



    „Hey, Malte“, hörte ich sogleich Marius, den Amateurtrainer rufen, „komm her, setz' dich zu uns!“


    Ich bestellte ein Pils und nahm bei den anderen Platz.


    „Na, war wieder ein super Spiel heute, was?“, fuhr Marius gleich fort. „1:0 in Jena – das nenne ich doch mal eine gelungene Revanche für das Hinspiel. Und super, wie der flinke Lan gleich nach dreizehn Minuten da das Tor macht…“


    Er hatte offensichtlich schon ein paar Guinness mehr intus, als für eine sachliche Konversation hilfreich war. Gern hätte ich ja Kristian auf Gunnar und seinen angeblichen Wechselwillen angesprochen, aber der war gerade in ein Gespräch mit Daniel Lippmann vertieft.


    „Ja ja“, erwiderte ich deshalb wohlwollend, „tolles Spiel von ihm. Und auch von Stephan und Pan. Jetzt trennt uns nur noch ein Punkt vom Aufstieg!“



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Und den holt ihr auch noch!“, behauptete er mit leichtem Lallen und kippte sich ein weiteres halbes Guinness hinter. „Weissu, Malte, diese Jungs, dieses Jahr – das's was ganz Besonderes!“ Er nickte heftig, wie um sich selbst mit Nachdruck Recht zu geben. „Was ganz… Besonderes. Und weissu noch was? Ich habe da schon mal ssugegriffen! Gerade heute – einfach ssugegriffen!“


    Er sprach nicht weiter, sondern sah mich nur bedeutungsschwer an. Was hatte er gesagt?


    „Du hast zugegriffen?“, wiederholte ich ratlos.


    „Genau!“ Sein Stuhl wackelte bedenklich, als er Luft holte, um es mir zu erklären: „Drei Jungs aus der A-Jugend, die kommen jetzt nämlich ssu mir. Also, ich meine: in die Ssweite Mannschaft, nächste Saison.“


    „Aha, und wer ist das?“


    „Das sind, die heißen – warte, ich hab's mir aufgeschrieben.“


    Er kramte einen Zettel hervor, der ihm noch zweimal herunterfiel, sodass ich ihn aufhob und selbst las. Es handelte sich um Tim Bremser (OM), Franz Schöck (RM) und Marko Taten (TW), alle 18 Jahre alt. Mir sagten die Namen nichts, aber interessant war das doch. Im Grunde, so dachte ich bei mir, sollte ich mich auch mal intensiver mit den anderen Teams befassen, jetzt, wo ich mich mehr und mehr in das Management der „Nebengebiete“ des Vereins einarbeitete. Gaston Deneuve, der medienwirksame Frontmann, kümmerte sich ja bekanntlich eh nur um die erste Mannschaft. Ich merkte mir die drei Namen schon mal, reichte ihm den Zettel zurück und plauderte noch eine ganze Weile mit ihm und den anderen über allerlei Belanglosigkeiten.


    Worüber ich nicht sprach, war Gunnar. Und dass dessen Stammplatz vielleicht gerade nicht mehr ganz so sicher war, wie er meinte – falls an seinen Abwanderungsabsichten etwas Wahres dran sein sollte.


    Der 24. Spieltag am 23. April brachte dann zunächst erst mal wieder Ernüchterung. Zu Hause gegen Osnabrück fing sich die Abwehr nach 36 Minuten einen vermeidbaren Gegentreffer ein, fünf Minuten später musste Pan mit einer Verletzung vom Platz. Für ihn kam Andreas Möder (LV) zu seinem dritten Einsatz, was der Abwehr nicht gerade zu Stabilität verhalf. Zum Glück war Pans Verletzung nicht schwerwiegend; er schimpfte sogar auf Kristian, dass er ihn herausgenommen hatte, und musste nun tatenlos zusehen, wie dem Team nichts Rechtes gelang, vor allem kein Tor. Damit fielen wir auf Platz 4 hinter Jena zurück, aber da Sandhausen nur Remis gespielt hatte, war der Abstand zu ihnen auf nicht mehr als zwei Punkte angewachsen.


    Und einen Tag später nahm ich meine erste wirklich eigenmächtige Handlung vor. Ich unterbreitete Andrea Foggia ein verbessertes Angebot: 6.000 Euro Handgeld, also 1.000 Euro mehr als beim ersten Versuch. Ich war durchaus darauf eingestellt, das Geld aus eigener Tasche – sprich: aus der Sofaritze – bezahlen zu müssen. Und als hätte er davon gewusst (was aber eigentlich überhaupt nicht sein konnte), ließ Jérôme mich am Sonnabend zu sich kommen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Ich bedankte mich und nahm es als Ermutigung, tatsächlich den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, auch wenn er davon zunächst nicht mehr als nötig wissen musste.


    „Und wie sieht es mit dir aus? Bist du auch zufrieden?“


    Das bejahte ich eifrig. Dann erfuhr ich, dass er mal wieder mit mir Golf spielen gehen wollte. Und nicht nur das: er erzählte mir auch, dass er ein begeisterter Bergwanderer war.


    „Wär' das nicht auch mal was für dich, Malte? Nicht immer nur andere sich bewegen lassen, auch mal selbst was in Angriff nehmen!“


    Nun fand ich durchaus nicht, dass ich im Vergleich mit ihm Konditions- oder Figurprobleme gehabt hätte. Aber die Berge, die waren so gar nichts für mich. Ich liebte das platte Land, ging gern schwimmen oder über die Felder spazieren. Klettern konnten die Affen!


    „Och nö, lass mal.“, sagte ich, und er gab es fürs Erste auf.

  • 18. Teil: Das Derby, zweiter Teil
    (28. April 2012)


    Während die erste Männermannschaft trotz einiger Siege von Platz 4 in ihrer Liga und fünf Punkten Rückstand auf die führenden Kieler nicht wegkam, bereiteten wir uns mental, sportlich und mit allerlei Brimborium auf das zweite Derby vor, das am 30. April anstand. Die Holstein-Bubis hatten sich inzwischen tatsächlich auf Platz 11 hochgekämpft und waren vermutlich heiß auf Revanche. Aber wenn wir noch eine kleine Chance auf den Aufstieg haben wollten, mussten in diesem drittletzten Saisonspiel natürlich drei Punkte her. Pan war wieder dabei, sodass zu Beginn die Formation auf dem Platz stand, die zuletzt viermal hintereinander begonnen hatte.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Zur Unterstützung fuhr nicht nur der Mannschaftsbus nach Kiel, sondern mit vielen flatternden Schals und Fahnen folgten ihm auf der A20 und der B404 etliche Autos von Eltern, Freunden und Fans. Ich saß in einem Wagen mit den beiden Daniels und Marius Mattle, der in nüchternem Zustand durchaus ein angenehmer Kumpel war. Wir sprachen natürlich über Fußball.


    „Lautern und Augsburg sind ja nun abgestiegen. Hätte ich vor der Saison so auch nicht gedacht.“


    „Na, noch überraschender finde ich ja, dass ausgerechnet Hannover und Leverkusen das Pokalendspiel bestreiten! Keine Bayern, keine Dortmunder, nix mit Schalke oder Bremen…“


    „Aber was sagt ihr denn überhaupt zu den internationalen Wettbewerben?“


    „Also, das ist nun wirklich nur noch krass!“


    „Ey, ja, die Spanier, Weltmeister sein ist ja okay. Aber dass die in beiden Finalspielen beide Mannschaften stellen, da hört sich der Spaß denn doch auf, finde ich.“


    „Ich weiß gar nicht mehr – wer spielt da jetzt gegen wen?“


    „Na, in der Champions League Barcelona gegen Madrid und in der Europa League Bilbao gegen Sevilla.“


    „Irre!“


    So vertrieben wir uns die Zeit und waren uns auch weitgehend einig, dass die Spanier bei der bevorstehenden Europameisterschaft favorisiert waren. Aber schließlich wechselte das Thema dann doch wieder zu Emmo und seiner Truppe, und zu unserer Überraschung kamen wir in ein gut gefülltes Holstein-Stadion – natürlich auf dem Nebenplatz für die Jugendspiele. Und wie es schien, hielt sich die Anzahl der Fans beider Teams ungefähr die Waage.


    Das Spiel begann damit, dass sich der DM der Kieler gleich mal verletzte und runter musste. Ein Foul war aber nicht erkennbar gewesen. Doch unsere Jungs nutzten die Gunst der Stunde, um richtig Druck zu machen. Nach einer Ecke von Emmo köpfte Wolfgang (ST) in der vierten Minute noch einen halben Meter neben das Tor, aber schon eine Minute später machte er es besser.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Was für ein bilderbuchmäßiges Teamwork, dieses Tor! Der Lübecker Anhang brach synchron in Jubelgeheul aus und auch die Jungs auf dem Platz waren total aus dem Häuschen. Kristian musste sie danach erst einmal wieder regelrecht beruhigen, sonst hätte eine der folgenden Kieler Chancen leicht zum Ausgleich führen können. Dann dominierte aber wieder der VfB, und Emmo, Wolfgang und Lan hätten gut und gern die Führung schon mal erhöhen können. Die Holstein-Knaben sahen ganz schön blass aus. Da schied dann auch ihr RV mit Leistenproblemen aus und der HS handelte sich mit einer hilflosen Aktion eine gelbe Karte ein. Nach einer Kopfballchance von Gunnar (OM) pfiff der Schiri dann zur Pause.


    Daniel Celio hatte nicht nur für unsere Spieler, sondern auch für den VfB-Anhang Getränke mitgebracht, und die Stimmung war hervorragend. Allerdings erblickte ich einige Meter weiter unvermeidlicherweise mal wieder Rob Referee, wie er in sein Diktiergerät Sprachejakulationen betrieb.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Könnte, könnte… Rob Referee sollte ganz schön danebenliegen. Offenbar hatte der Kieler Jugendtrainer seinen Spielern in der Pause mächtig eingeheizt, denn die gingen wie die Berserker in die zweite Hälfte. Zunächst sah der eingewechselte DM nach einer übertrieben harten Attacke gegen Kevin (DM) gelb, und dann passierte es.



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    Was für ein unverdientes Glückstor! Jetzt jubelte natürlich der Kieler Anhang, aber vonseiten der Gästefans störten lautstarke Pfiffe die Freude. Holstein griff plötzlich an, und die nächste Verwarnung ließ nicht lange auf sich warten. Den Ersatz-RV traf es diesmal, und nur acht Minuten später sprang derselbe Spieler in seinem Übereifer völlig unnötig in Hany (TW) hinein. Gelb-Rot war die Folge, wir spielten in Überzahl! Und trotzdem taten sie sich schwer. Erst als Torge (RV) für Stephan (RV) gekommen war und Bekir (LM) für Raphael (LM), gelang ausgerechnet dem Spieler, den ich heute vielleicht nicht aufgestellt hätte, eine Art Geniestreich.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Donnerwetter!, entfuhr es mir nur. Und Emmo und Gunnar, die beiden OM, umarmten einander ganz so, wie das ein erfolgreiches Offensivduo tut, das noch viele Erfolge zusammen feiern will. Danach hatte jede Seite noch eine Torchance, aber dann war das Spiel aus und die Lübecker platzten vor Stolz darüber, auch im zweiten Derby erfolgreich gewesen zu sein.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Zwei Spieltage vor Schluss gab es nun nur noch vier Mannschaften, die um den Aufstieg kämpften, und der VfB war trotz der Niederlage vor einer Woche gut mit dabei! Nächste Woche ging es zum Tabellenfünften nach Münster, das würde nicht einfach werden. Und der letzte Gegner, Rot-Weiß Erfurt, war auch nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Insgesamt hatten wir eindeutig das schwerste Restprogramm, und wenn man ehrlich war, standen die Chancen trotz des knappen Rückstands auf Platz 2 nicht allzu rosig.


    Aber ich vertraute auf Kristian, dass er seine Jungs durchaus motivieren konnte. Unvorstellbar, wenn es Jérôme nicht noch kurz vor Saisonbeginn gelungen wäre, einen so engagierten und kompetenten Jugendtrainer zu verpflichten! Wahrscheinlich stünden wir dann heute eher da, wo die Kieler standen – und hätten bestimmt nicht zweimal gegen sie gewonnen.


    Ich für meinen Teil nahm mir Emmo vor mit dem Ziel, ihm zu einer Rolle im Team zu verhelfen, mit der er maßgeblich zum weiteren Erfolg beitragen konnte.


    „Alle Achtung“, sagte ich zu ihm, während wir ein paar schnelle Bälle wechselten, „zuletzt lief es bei dir ja überwiegend richtig gut.“


    „Naja, gegen Osnabrück, das war nichts. Aber sonst – stimmt schon, zwei Torvorlagen gegen Holstein und auch sonst…“


    „In der Vorwärtsbewegung geht es jetzt meistens über dich. Du bietest dich gut an, und die anderen profitieren auch von der zunehmenden Sicherheit, die du am Ball hast. Manchmal könnte es noch schneller und direkter gehen, dann kämt ihr auch öfter zum Abschluss.“


    „Mich stört nur immer, dass sich einige zu wenig anbieten. Ich steh' dann oft allein mit dem Ball da und komme nicht weiter.“


    Ja, dieses Problem wurde praktisch mit jedem Spiel offensichtlicher. Emmo nahm zwar eine sehr zuverlässige Funktion im Aufbau und in der Absicherung ein, aber es fehlte ihm eindeutig an Unterstützung. Sowohl von Gunnar als auch aus dem defensiven Mittelfeld kam einfach zu wenig. Ich schlug ihm vor, noch früher die Außen einzusetzen, denn Raphael und Lan machten da häufig mächtig Druck. Aber in der Mitte war er zu oft auf sich gestellt, da hatte er fraglos recht.


    Doch eine Lösung dafür sollte sich schon viel schneller als gedacht ergeben. Am übernächsten Morgen begab ich mich – nach dem Feiertag – gleich wieder in mein Büro, und was fand ich da vor?



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Das war allerdings der Hammer! Ich beschloss, mir den Jungen gleich mal anzusehen. Doch zuerst fiel mein Blick noch auf mein Handy, und dabei stellte ich fest, dass ich die letzte Nachricht darauf schon seit einiger Zeit mehr oder weniger unbewusst ignoriert oder verleugnet hatte. Sie stammte von Jérôme, dem Präsidenten.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Oh je, das war nun allerdings auch ein Hammer. Sollte ich mich dem Willen des Chefs beugen oder doch lieber auf die Exit-Taste unten drücken? Ich verschob die Entscheidung noch einmal bis auf weiteres und machte mich auf den Weg zum Trainingsplatz.

  • 19. Teil: Neue Besen kehren gut
    (2. Mai 2012)


    Zuerst beichtete ich natürlich Kristian, dass ich klammheimlich ein neues Talent eingeschleust hatte. Er hörte sich meine Geschichte an und amüsierte sich.


    „Du hast schon recht, genau so musst du das machen!“, sagte er anerkennend. „In den neun Monaten die ich hier bin, habe ich schon gemerkt, dass es nicht viel anders ist als in anderen Vereinen: Wenn eine Aktion nach spektakulärer Presse, eindrucksvollen Erfolgen oder finanziellem Gewinn aussieht, ist jedes Management gleich dabei. Willst du aber was für die zweite Reihe erreichen, für die Jugend oder für die Angestellten, dann bist du auf dich allein gestellt. Gut gemacht, Malte! Ich freue mich auf deine erste Neuverpflichtung.“


    Sein Lob tat mir gut. Dann traf der Neue auch schon ein, und Kristian machte sich mit ihm und ihn mit den anderen bekannt. Andrea sprach fließend Deutsch und war mit seinen 1 Meter 70 nicht gerade einer der Größten. Aber er beeindruckte sogleich mit seiner Ballkontrolle, seiner Entschlossenheit und seinem Antritt. Auch die taktische Ausbildung ließ nichts zu wünschen übrig. Ich vermutete stark, dass Kristian ihn für Gunnar entweder als OM oder hinter Emmo als ZM bringen würde, und das passte ja auch, wenn Gunnar sich tatsächlich mit Abwanderungsgedanken trug.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Auch mit Emmo sprach ich darüber. Er fand Andrea „ganz nett“ und wirkte einigermaßen erleichtert, dass er da möglicherweise mit einer gewissen Entlastung rechnen konnte.


    Alles in allem konnte ich also mit mir und der Situation der Mannschaft vollauf zufrieden sein. Oder? Konnte ich das wirklich? Am Abend saß ich mal wieder an dem Schreibtisch in meinem Büro und stellte mir die Frage, wie es eigentlich mit meiner Ehe aussah. Ein Blick auf den Kalender – und in mein FM-Notizbuch – sagte mir, dass Sabrina in drei Wochen Geburtstag hatte. Den durfte ich auf keinen Fall vergessen! In letzter Zeit war jeder von uns weitgehend mit sich selbst beschäftigt gewesen, was ganz gut funktionierte, aber einen möglicherweise recht zerbrechlichen Frieden darstellte. Verdammt, mir musste unbedingt ein gutes Geschenk für sie einfallen! Irgendetwas Geniales, das sie einfach nur umwarf! Denn dann konnte ich hoffen, erstens in Ruhe mit meiner Arbeit hier für den Verein weitermachen zu können und zweitens nicht in Erklärungsnöte zu kommen, woher ich denn plötzlich immer Geld hatte, wo doch eigentlich jeder Cent über dem Existenzminimum an den Treuhänder abzuführen war.


    Nun, dachte ich mir, es war ja immerhin Mai, der Monat der Wonne und der Verliebten, und deshalb schlug ich Sabrina gleich am nächsten Tag vor, ob wir nicht mit Simon, seiner Frau und unserem Enkel Patrick einen Wochenendausflug machen wollten. Und siehe da, sie zeigte sich sehr angetan von der Idee, rief auch gleich unsere Schwiegertochter an und vereinbarte ein gemeinsames Picknick im Grünen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Nach einem ausgesprochen harmonischen Wochenende kam es dann zu der Begegnung in Münster, dem vorletzten Spiel der Saison.


    Die Tabellensituation war klar: Jena war einen Punkt voraus, Sandhausen lag einen Punkt hinter uns. Eine dieser drei Mannschaften würde vermutlich neben Heidenheim den zweiten Aufsteiger stellen. Hinsichtlich der Tordifferenz waren die Unterschiede so knapp, dass jeder unbedingt gewinnen musste, um seine Chance nicht vorzeitig zu verspielen.


    Und unsere Jungs waren zu allem entschlossen!


    Der SC Preußen Münster, zu dem wir anreisen mussten, hatte sich selbst bis zum 16. Spieltag noch Hoffnungen auf den Aufstieg gemacht, war dann aber ins Mittelfeld abgerutscht. Auf mich wirkten die heimischen Spieler, wie sie da auf den Platz liefen und schon das Saisonende herbeizusehnen schienen, alles andere als gefährlich. Ganz anders Emmo und Co: Vom Anpfiff weg machten sie Druck, das Spiel fand zunächst praktisch nur in der Münsteraner Hälfte statt, und nach zehn Minuten war es auch praktisch schon entschieden.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Die Gastgeber konnten einem leidtun. Andererseits – was war das denn für eine megageile Offensive! Andrea, der Neue, fügte sich von Beginn an bestens in das Team ein und setzte gleich eigene Akzente. Seine Ecken von rechts kamen einfach nur zuckermäßig, und so schnell konnte man gar nicht gucken, wie erst Wolfgang und dann Emmo die hoch hereingetretenen Bälle über die gegnerische Torlinie brachten.


    Danach rief der Preußen-Trainer seinen Spielern zu, sie sollten ja zusehen, weitere Ecken zu vermeiden. Alle Umstehenden lachten. Aber er hatte ja recht! Tatsächlich ließ der Elan unserer Mannschaft etwas nach und Münster kam zu einer halben Chance. Eigentlich war es nur eine ziemlich uninspirierte flache Hereingabe des gegnerischen OM, in die sein RV hineingrätschte, aber plötzlich stand es nur noch 1:2!


    Dennoch war die Stimmung in der Pause recht gelöst.


    „Die habt ihr im Griff.“, sagte Kristian, und seine Spieler nickten entschlossen. Ich staunte mal wieder, wie sicher der Jugendtrainer mit seinen Zöglingen umging, denn als die wieder auf den Platz hinausrannten, merkte man ihnen den ungebrochenen Siegeswillen regelrecht an.


    Was dann folgte, war zwar kein schöner Fußball, aber ein souveränes Verwalten des nie in Frage stehenden Sieges. Nur manchmal flammte so etwas wie Spielwitz auf. Für endgültige Klarheit sorgte dann die 68. Minute, als der Schiri nach einem unbeholfenen Foul an Emmo im Strafraum auf den Punkt zeigte. Den letzten Elfer in Essen hatte noch Hebib (IV) geschossen, aber diesmal nahm Kevin sich entschlossen den Ball, und niemand machte ihn ihm streitig. Halbhoch neben den rechten Pfosten – es stand 3:1 für Lübeck.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Auf den anderen Plätzen blieb es bis zum Schluss spannend. Dann erfuhren wir aber, dass Jena nur ein 2:2 erreicht hatte. Sandhausen hatte zwar gewonnen, aber nur mit einem Tor Vorsprung, so dass die B-Jugend des VfB Lübeck jetzt tatsächlich auf dem zweiten Tabellenplatz lag! Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass der Jubel riesig war, und während der ganzen Heimfahrt wurden unentwegt und lauthals alle zur Verfügung stehenden Lieder gegrölt.


    Erst am nächsten Tag stellte ich fest, dass Spitzenreiter Heidenheim sogar verloren hatte. Damit ergab sich ein Gedränge an der Tabellenspitze, die den letzten Spieltag extrem spannend werden ließ.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Auf dem Papier sieht das nach einer lösbaren Aufgabe aus.“, sagte ich am Nachmittag, als Kristian mich in meinem Büro besuchte. „Heimspiel gegen die Erfurter, für die es um nichts mehr geht – wir haben es selbst in der Hand, ob wir aufsteigen.“


    Er stimmte mir zu. „Zumal wir im Hinspiel mit dem 3:0 unseren höchsten Saisonsieg gelandet haben. Ich denke auch, das könnte klappen.“


    „Und nun schon gerade mit Andrea, dem Neuen.“ Das war Daniel Celio, der das sagte. Immer öfter kamen auch andere Mitarbeiter zu mir, um über dies und das zu quatschen, am liebsten aber über die verheißungsvolle Entwicklung der B-Jugendmannschaft.


    „Naja, mal abwarten.“, bremste Kristian. „Diesmal lief es gut, aber er ist noch nicht wirklich integriert. Ich überlege sogar, ob ich ihn am nächsten Montag nicht zuerst mal draußen lasse.“


    Ihm schien sehr bewusst zu sein, dass Spannungen innerhalb des Teams – gerade in diesem Alter – ganz schnell zu Problemen führen konnten, die sich unmittelbar und sehr heftig auf dem Platz auswirkten. Deshalb hatte ich es gestern in Münster auch gut gefunden, dass er eine Viertelstunde vor Schluss Gunnar (OM) für Andrea gebracht hatte. Auch Stephan (RV) und Wolfgang (ST), die gut gespielt hatten, hatte er für Torge bzw. André rausgenommen. Auf diese Weise hatte jeder das Gefühl, vom Trainer berücksichtigt zu werden, und keiner durfte sich seiner Rolle allzu sicher sein.


    „Mag sein, dass das nicht falsch wäre.“, räumte Daniel ein. „Aber du musst schon zugeben, dass der Spruch mal wieder sehr gut passt: Neue Besen kehren gut!“



    20. Teil: Finale
    (14. Mai 2012)


    Es war der 14. Mai 2012. Die Lehrer, die in Emmos Klasse oder bei einem der anderen Jungs unterrichteten, wussten natürlich Bescheid, und deshalb wurde es für die Schüler ein reichlich fauler Montagvormittag, an dem mehr über Fußball gesprochen als unterrichtet und gelernt wurde. Alle wünschten den B-Jugendspielern heute Erfolg für ihr letztes Saisonspiel.



    (Quelle: eigene Tabellengrafik)


    Die schwerste Aufgabe hatte vermutlich Jena, denn sie mussten auf Patzer der anderen hoffen, und ihre Gegner aus Magdeburg hofften noch, den Abstieg vermeiden zu können, der für Meuselwitz bereits besiegelt war. Leider gelang es uns nicht, Live-Kontakt zu den anderen Plätzen herzustellen, und verständlicherweise hatte niemand Lust, heute nach Heidenheim, Meuselwitz oder Jena zu reisen, nur um uns am Handy Zwischenstände durchzugeben. Also konnte die Devise nur lauten: selbst gewinnen und die anderen machen lassen, was sie wollten. Das einzige Risiko, das dabei bestand, war das, dass Sandhausen womöglich um zwei Tore höher gewann als wir und uns damit überholte.


    Es begann dieselbe Formation wie zuletzt in Münster. Andrea und Emmo bildeten also die Offensive hinter Wolfgang, und das wirkte sich auch sehr schnell zählbar aus.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Im zweiten Spiel erzielte Andrea gleich sein erstes Tor – und was für ein wichtiges! Sogar Gunnar sprintete vom Spielfeldrand auf das Feld und beglückwünschte den Torschützen ausgiebig. Ich merkte Kristian an, mit welcher Freude und Erleichterung er das sah; offenbar hatte er doch so seine Zweifel gehabt, ob die beiden mit der Situation klarkommen würden.


    Weitere Chancen folgten im Fünf-Minuten-Takt, ehe noch vor der Pause die Entscheidung fiel.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Wolfgang war zweifellos der Spieler, der in der nächsten Saison am schwersten zu ersetzen sein würde. Überhaupt, so ging es mir durch den Kopf, würden von den elf Spielern, die da jetzt auf dem Platz standen, dann nur noch Ingo und Emmo dabei sein. Und wenn hier und in Meuselwitz bzw. Heidenheim alles glatt lief, dann würde diese fast komplett neue Mannschaft gegen die teils sehr viel stärkeren Gegner in der dritten Spielklasse klarkommen müssen!


    Aber zunächst einmal war die Freude in der Halbzeit natürlich riesig. Alle beglückwünschten auch die Abwehrspieler, die ihren Widersachern wieder einmal gar nichts erlaubt hatten. Und in der zweiten Hälfte spielten sie dann entsprechend entspannt. Zwar wollten sie eigentlich gegen diesen schwachen Gegner noch möglichst viele Tore erzielen, um ganz sicher zu sein, dass ihnen der zweite Platz nicht noch abhandenkam, aber viel wichtiger war jetzt natürlich, dass sie das Spiel sicher im Griff hatten. Kristian brachte noch Bekir und Torge für Angelo und Ingo in die Innenverteidigung, und dann durfte auch Gunnar wieder für Andrea aufs Feld. Er hatte sogar noch eine Torchance, die er vertändelte, aber da war längst alles gelaufen, nachdem Wolfgang noch ein weiterer Treffer gelungen war.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Daniel hatte inzwischen auch schon einen Kumpel in Thüringen angerufen, der ihm das Ergebnis des Spiels in Meuselwitz sagen konnte: Sandhausen hatte doch tatsächlich 1:2 verloren! Auf diese Nachricht hin erlaubte Kristian ihm sogar, eine mitgebrachte Flasche Sekt aufzumachen, die noch in der Kabine die Runde machte und ziemlich schnell – verschüttet? – leer war.


    Jena hatte ebenfalls 1:2 verloren, wodurch Magdeburg sich rettete und Holstein Kiel absteigen musste. Das sorgte zwar hier und da für ein hämisches Grinsen, aber mit den Lokalrivalen wären wir ja nun ohnehin in der nächsten Saison nicht zusammengetroffen. Heidenheim schlug Haching 3:1, sodass sie die Tabellenführung behielten, doch das störte jetzt wirklich überhaupt niemanden mehr.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Fazit: Wir hatten die mit Abstand beste Abwehr, dafür waren wir vorne vergleichsweise schwach. Kristian, der typmäßig eher für offensiven Fußball stand, gefiel das nicht sonderlich, aber nach dieser Leistung hielt er sich mit entsprechender Kritik natürlich zurück.


    Die erste Mannschaft des VfB Lübeck beendete die Saison übrigens nach einem dramatischen 3:2 gegen die Hertha-Reserve auf Platz 4 der Regionalliga Nord. Duspara wurde mit 25 Toren Zweiter in der Torschützenliste, ebenfalls Zweiter war Melzer bei den besten Torhütern. In der Fairplaytabelle langte es allerdings nur zum letzten Platz (4 rote Karten und 41 gelbe).



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Lübecks Reserve war in der Schleswig-Holstein-Liga Vierter geworden, acht Punkte hinter Aufsteiger Flensburg 08. Kaiserslautern und Augsburg mussten aus der Bundesliga absteigen, ihre Plätze nahmen künftig Cottbus und Düsseldorf ein. In die Zweite Liga stiegen Sandhausen und Jena anstelle der Absteiger Rostock und Union Berlin auf. Pokalsieger wurde Bayer Leverkusen, die europäischen Cups holten sich Barcelona und Sevilla. Daneben interessierte mich noch, welche Clubs im Jugendfußball am erfolgreichsten waren: Meister der A-Jugend wurde Borussia Dortmund, während sich in allen anderen Kategorien der FC Bayern die Trophäe holte. Nun gut, das war alles noch Lichtjahre von uns entfernt.


    Jérôme schaute nach dem Erfolg unserer Jungs übrigens nur einmal ganz kurz bei mir herein, weil er jetzt zum Saisonende mit Bilanzen, Lizenzantrag und diversen anderen Dingen reichlich ausgelastet war.


    „Glückwunsch zum Aufstieg!“, sagte er und klopfte dreimal auf die Ecke meines Schreibtisches. „Ist ja ein bisschen auch dein Erfolg.“


    „Danke.“


    „Und dann – nicht vergessen…“ Er zwinkerte mir zu, aber ich wusste im Moment überhaupt nicht, was er meinte.


    „Was – nicht vergessen?“


    „Den Berg! Such' dir schon mal einen schönen aus!“ Dann drehte er ab, und mir war so, als hätte er dabei ein wenig hämisch gelacht.

  • 21. Teil: Alles neu macht der Mai
    (15. Mai 2012)



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Diese Nachricht fand ich am Dienstag vor. Ich vermutete stark, dass Arne dahintersteckte. Er beobachtete ja nicht nur selbst Spieler und Jugendliche, sondern hatte auch sein in jahrzehntelanger Kleinarbeit zusammengestelltes Netzwerk an Verbindungen und Informationskanälen. Schon vor einer Weile hatte er mich auf einen talentierten Jungen aufmerksam gemacht: Lorenzo Oddo, einen beidfüßigen Mittelfeldspieler. Ohne große Erwartungen hatte ich ein Angebot für den 16-Jährigen abgegeben und seitdem nichts mehr von der Sache gehört. Und nun kam also ein Angebot hereingeflattert, das 35.600 Euro schwer war. Puh, was sollte ich tun?



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Die Informationen waren äußerst spärlich. Ein starker Rechtsverteidiger, der auch in der nächsten Saison noch für die B-Jugend spielen konnte, war natürlich nicht schlecht. Alle, die momentan für diese Position infrage kamen, standen auf dem Sprung in die A-Jugend: Stephan Henn, Torge Minkwitz, Andreas Möder und auch der immer noch verletzte Marcel Glasner. Aber so viel Geld? Als könnte mir das helfen, schob ich beim Nachdenken die Hand in die Sofaritze, aber natürlich wuchsen nicht derartig prompt die Scheine nach. Und schließlich war da auch immer noch Sabrinas Geburtstag, für den ich unbedingt ein passendes Geschenk brauchte.


    Kurz und gut: ich sagte zu. Was ich schon vier Tage später wieder bereute.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Ja, war ich denn irre? Okay, ich glaube ja – ich war irre! Irgendwie fühlte ich mich mitverantwortlich dafür, dass die Mannschaft in die dritte Jugendliga aufgestiegen war und nun in der nächsten Saison damit zu kämpfen hatte, die Abgänge einiger Leistungsträger zu kompensieren. Also erklärte ich mich auch zu der erhöhten Investition bereit. Sei's drum.


    Am selben Tag erhielt ich außerdem von Daniel Lippmann eine weitere Information, die mich zusätzlich beflügelte, an die Machbarkeit von sportlichen Erfolgen zu glauben, auch wenn sie mit der B-Jugend herzlich wenig zu tun hatte. Fünf Spieler des VfB Lübeck standen in der Elf des Jahres: René Melzer (TW), Marius Winkelmann (ZM), Kevin Kluk (ZM), Masami Okada (OM) und Domogoj Duspara (ST). Und schon am nächsten Donnerstag durfte ich erneut darüber nachgrübeln, ob ich nun einen Fehler gemacht hatte oder nicht.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Aber dann kam der große Tag! Sabrina wurde 44, unsere Tochter Silvia hatte ihr eine Torte gebacken und am Morgen standen wir an ihrem Bett und sangen – eher grauselig als schön – „Happy Birthday“.


    „Oh, ihr seid ja lieb!“, sagte sie verschlafen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Na klar!“, sagte ich vollmundig. „Und jetzt kommst du mit vor die Tür und siehst dir dein Geburtstagsgeschenk an!“


    Gemeinsam stapften wir hinaus, wobei ich ihr die Augen zuhielt und Silvia mich zweifelnd von der Seite her ansah. Ein paar Schritte führte ich Sabrina den Gehweg hinunter, dann nahm ich die Hand von ihren Augen fort.


    „Ta-daa!“, sagte ich.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Ich muss heute noch zugeben, dass ich Sabrinas Reaktion nicht wirklich verstand. Das war doch ein schickes Auto, so eines hatte niemand von meinen oder ihren Freunden, und wenn wir erst das Baby hatten, dann konnte man das bestimmt auch hinten quer legen. Wo also war das Problem? Aber sie machte ein Riesenproblem daraus, sagte, ich sollte das Auto selbst behalten, sie hätte ja eins, und da bräuchte man das Baby nicht hinten quer zu legen, sondern das käme gut gesichert auf den Beifahrersitz, denn mich würde sie ganz bestimmt nicht mehr mitnehmen. Und so weiter.


    Ich verkniff mir eine Bemerkung zu ihrem Kleinwagen, den sie ja schon mehrfach an die Garagenwand gesetzt hatte, und nahm den Schlüssel des Capri aufforderungsgemäß an mich. Als ich drin saß, fragte ich mich, ob ich sie vielleicht noch extra auf die beiden lustigen Würfel am Rückspiegel hinweisen sollte, die ihr bestimmt noch gar nicht aufgefallen waren. Aber dann unterließ ich das und fuhr mit meinem neuen Auto ins Büro.



    22. Teil: Kleine Eingriffe ins Management
    (27. Mai 2012)


    An diesem Wochenende war Pfingsten. Im Verein war nichts los, die meisten waren schon im Urlaub, die Spieler hatten frei oder hielten sich bei dem schönen Wetter mit Laufen fit. Ich nutzte den Sonntag zu einem Spaziergang über das Vereinsgelände. Das hätte ich schon längst mal tun sollen, aber erst in jüngster Zeit hatte ich begonnen, mich auch für die Angelegenheiten zu interessieren, die nicht unmittelbar mit dem Fußball der B-Jugend zu tun hatten. Es war ein ganz beachtliches Areal, über das ich da lief, und vor einem Gebäude blieb ich schließlich stehen und stutzte.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Jugendzentrum des VfB Lübeck“ stand draußen dran, aber der Zugang war versperrt. Ich umrundete das eingezäunte Gebäude zweimal, konnte aber nichts weiter erkennen. Deshalb rief ich am Nachmittag Daniel Celio an.


    „Sagen Sie mal, Daniel, stimmt das, dass wir ein Jugendzentrum haben?“


    „Ja, klar. Wussten Sie das nicht? Es wird allerdings ausschließlich für die A-Jugend genutzt oder für Gastmannschaften, wenn der Boss sich davon Kontakte zu Talenten verspricht, die er schon sehr bald einsetzen kann.“


    „Hm. Irgendwie kam mir da was komisch vor. Waren Sie in letzter Zeit mal drin?“


    „Nein.“, gab er zu. „Ich glaube, da wird gebaut, aber offen gestanden weiß ich nicht, was und warum. Haben Sie irgendeinen Verdacht?“


    „Naja, ich weiß nicht. Ist schon seltsam, dass auch Kristian nie etwas darüber gesagt hat. Hätten Sie heute Nachmittag vielleicht mal ein, zwei Stunden Zeit?“


    Wir trafen uns schon wenig später in meinem Büro. Mir war eingefallen, dass Daniel über beträchtliche EDV-Kenntnisse verfügte, und ich bat ihn darum, mir Zugang zum Vereins-Netzwerk zu verschaffen.


    „Das ist überhaupt kein Ding.“, sagte er, und dann fügte er mit einem verschmitzten Grinsen hinzu: „Wenn Sie möchten, können Sie ja auch mal einen Blick hinter die Kulissen werfen.“


    „Wie meinen Sie das denn?“


    Aber er sagte nichts weiter, fummelte nur geschäftig an den Einstellungen herum und mir fiel auf, dass er zweimal an Stellen, wo ein Passwort abgefragt wurde, ein mir unbekanntes Tool mit Zahlen und Buchstaben durchrattern ließ. Am Ende sagte er triumphierend:


    „Voilà!“


    „Was haben Sie gemacht? Was ist das?“


    Aber statt einer Antwort sagte er nur: „Viel Spaß! Ich muss jetzt leider weg.“


    Im Laufe des Abends wurde mir immer klarer, dass er mir offenbar eine Verbindung zu dem Server verschafft hatte, auf dem der Verein alle vertraulichen Daten hatte. Einschließlich der Finanzplanung, aller Buchungen und der Aufstellung des Anlagevermögens. Einfach alles, was das Management tat, getan hatte und noch vorhatte war mit wenigen Klicks einsehbar – unglaublich! Ich nahm mir vor, Daniel gleich am nächsten Tag zu einem Luxusdinner einzuladen und ihm endlich das Du anzubieten.


    Als Erstes interessierte mich jetzt aber dieses Jugendzentrum. Man konnte sehen, dass es seit über einem Jahr überhaupt nicht mehr genutzt wurde. Und dann entdeckte ich auf einer Grafik die Erklärung für das, was mein ungutes Gefühl ausgelöst hatte: Über dem Jugendzentrum des VfB Lübeck schwebte eine Abrissbirne! Gaston Deneuve, der Manager, hatte verfügt, dass es vom Level 2 auf die Ausbaustufe 1 rückgebaut werden sollte, um Unterhaltungskosten zu sparen – und das für einen Wahnsinnspreis! Ich war platt.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Am nächsten Morgen machte ich einen ausgiebigen Spaziergang durch die Umgebung, um in Ruhe nachzudenken. Sprechen konnte und wollte ich vorerst mit niemandem darüber, aber ich war entschlossen, den dubiosen Machenschaften des Herrn Deneuve ein wenig mehr nachzuspüren. Der Kontakt zu Jérôme konnte mich da vielleicht weiterbringen, wenn ich es vorsichtig anstellte. Aber dazu musste ich ja jetzt ausgerechnet einen Berg besteigen! Entschlossen lief ich im Marschtempo, wie ich es in den letzten Tagen regelmäßig getan hatte, über die Hügel des Lübecker Umlandes, um wenigstens einigermaßen zu Kondition zu kommen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Anschließend informierte ich mich über geeignete Berge, die für die unvermeidliche Expedition infrage kamen. Ich sollte mir einen aussuchen, hatte Jérôme gesagt, und das würde ich tun! Im Nu fand ich eine Datenbank, die eine gute Auswahl darstellte, und scrollte darin gleich mal bis nach ganz unten.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Von Feldberg und Kahlem Asten hatte ich schon gehört, aber nicht, dass sie ein interessantes Gesprächsthema für Bergsteiger gewesen wären. Auf dem Großglockner war ich sogar schon mal gewesen; da gab es eine Gletscherbahn und ein gemütliches Ausflugscafé. Etwas im Ausland fand ich sowieso cool, und da fiel mir ein Berg auf, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Er war angeblich der höchste seines Landes und auch gar nicht so weit entfernt von Schleswig-Holstein. Den würde ich Jérôme vorschlagen!


    Jérôme lachte herzlich, als ich ihm den Plan am Telefon unterbreitete.


    „Vergiss bloß nicht, eine geeignete Ausrüstung mitzunehmen!“, empfahl er mir.


    Und dann zogen wir schon am nächsten Sonntag los. Mit dem Zug fuhren bis nach Aachen und nahmen danach ein Taxi. Der Fahrer fragte, ob er uns bis zur Spitze hinaufbringen sollte, aber leider winkte Jérôme ab.


    „Lassen Sie mal“, sagte er, „den Rest gehen wir zu Fuß!“



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Das Wetter war ganz okay, etwas windig vielleicht, und am Ende fühlte ich mich doch ein bisschen angestrengt. Aber die Strapaze hatte sich gelohnt: Ich erfuhr von Jérôme allerlei an Insiderwissen, und dass er Gaston Deneuve ebenfalls nicht sonderlich schätzte, deutete er auch mehrmals an.


    „Ich kann ihn bloß nicht gut rausschmeißen, solange er als Trainer erfolgreich ist.“, brummte er.


    Das nahm ich als Ermunterung, mir über meine Schnüffeleien kein schlechtes Gewissen zu machen. Im Gegenteil durchstöberte ich in der nächsten Zeit alles auf den Laufwerken des Managers, was ich finden konnte.

  • 23. Teil: Saisonabschluss
    (16. Juni 2012)


    Um halbwegs meine Ruhe vor Sabrina zu haben, versäumte ich dieser Tage zwei Spielergeburtstage und begleitete sie stattdessen ins Theater. Als sie dann auch noch ihr Herz für Origami entdeckte, war sie davon so erfüllt, dass sie beinahe vergaß, sauer auf mich zu sein. Nur lagen, standen und flogen seitdem ständig irgendwelche Papiertiere und -blumen in unserer Wohnung herum, was mich dazu veranlasste, noch mehr Zeit als bisher im Büro zu verbringen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    In den Vereinsdateien, auf die ich eigentlich keinen Zugriff hätte haben sollen, fand ich so interessante Screens wie „Auf- und Abwertungsrunde“ und „Die besten Jugendspieler der Welt“. Da in beiden keine B-Junioren des VfB Lübeck vorkamen, übersprang ich sie. Wesentlich interessanter fand ich dagegen schon den Finanzstatus des Vereins. Wie sich zeigte, hatte der Herr Manager ganz gut Miese gemacht. Okay, bei den Einnahmen sah es so aus, als wenn die Erwartungen übertroffen worden waren, aber die Ausgaben waren eindeutig zu hoch. Immerhin erfuhr ich, dass die Lizenz für die nächste Saison ohne Auflagen erteilt worden war, und aus der nächsten Übersicht konnte ich auch schließen, warum.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Fünf Minuten vor der Angst war da offensichtlich noch einmal ein größerer Bankkredit aufgenommen worden, der auch dazu führte, dass die Budgets einigermaßen ausgeglichen erschienen. Ein uralter Trick! Aber das sprach weder für ein verantwortungsbewusstes Haushalten des Managers noch tat er damit dem Verein einen Gefallen, denn das Geld würde nun jahrelang zurückgezahlt und verzinst werden müssen. Aber ein Vorstandsvertrauen von 15/20 hatte er sich damit immerhin erkaufen können.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Einen Blick wert war mir schließlich noch die Vertragsliste der B-Junioren. Verträge gab es hier natürlich noch keine, aber eine Einschätzung der Marktwerte lag vor, in der sogar der gerade erst hinzugekommene Reginald Zarb enthalten war. Danach wurde von den Eigengewächsen allein Wolfgang ein Wert beigemessen. Nun, ich nahm mir vor, das zu beobachten, denn Jungs wie Emmo und Lan würden hier gewiss auch bald eine Hausnummer bekommen.


    Nebenbei pflegte ich übrigens weiterhin meine eigenen Statistiken. So zum Beispiel diese:



    (Quelle: eigene Tabellengrafik)


    Unser Vorlagenkönig der Saison war demnach Lan (6) vor Emmo (4), die besten Noten hatten sich von den Stammspielern Hany (TW) und Wolfgang (ST) verdient, aber auch Emmos Schnitt hatte sich seit der Winterpause deutlich verbessert. Beim Ein- und Auswechseln war Kristian sehr konsequent gewesen, hatte doch jeder Feldspieler immer mal seine Chance erhalten bzw. rausgemusst. Insgesamt hatten nur Angelo (IV), Stephan (RV), Emmo und Gunnar (OM) sämtliche Spiele gespielt.


    Die zweite Hälfte des Monats Juni war dann geprägt von der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine. Etliche Spiele, vor allem die der deutschen Mannschaft, sah ich mir gemeinsam mit Mitarbeitern, Jugendlichen und ein paar Profis im Vereinshaus an. Auch Emmo und Kevin waren immer dabei. Alle hatten viel Spaß, denn in der Vorrunde wurden England, Dänemark und Norwegen geschlagen, ehe es in der K.-O.-Phase zwar stets knapp, aber sehr erfolgreich weiterging.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Gomez, Özil und Lahm landeten in der Elf des Turniers, mit Abstand die meisten Tore erzielte allerdings der Italiener Giampaolo Pazzini (11). Und damit war die Saison 2011/2012 dann auch endgültig beendet.



    24. Teil: Die zweite Saison
    (01. Juli 2012)


    Anfang Juli endete beim VfB Lübeck die trainingsfreie Zeit, aber der 1. Juli war ein Sonntag, was mir die Gelegenheit verschaffte, mich, bevor es richtig losging, noch einmal ungestört auf dem Vereinsgelände umzusehen – und im Computernetzwerk. Wenn ich in der Saison 2012/2013 meinen Einfluss auf die Geschicke des Vereins ausweiten wollte, musste ich zunächst einmal mehr wissen. Dabei galt mein Augenmerk zwar nach wie vor weniger den Profis als der Jugend, aber wer weiß – auch Insiderwissen über das Tätigkeitsfeld von Manager Gaston Deneuve konnte mir vielleicht durchaus noch nützlich werden.


    Mein erster Blick galt deshalb den Mannschaftsstärken zu Saisonbeginn. Unsere Profis belegten dabei in ihrer Liga den sechsten Platz, was die beste Elf anging, und hinsichtlich der Durchschnittsstärke teilten sie sich mit Magdeburg Platz sieben. Topfavorit waren hier diesmal die Leipziger Dosenkicker, gefolgt von den zweiten Mannschaften aus Bremen, Hamburg, Wolfsburg und Berlin. Unsere Reserve war hingegen in jeder Hinsicht Zweitbester in der Schleswig-Holstein-Liga, deutlich hinter dem FC St. Pauli II. Aber gar nicht recht glauben wollte ich dann, was ich über unsere Jugendarbeit zu sehen bekam.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    War es möglich, dass wir die Statistiker derart beeindruckt hatten? Nun, ich nahm an, dass jetzt, ganz am Anfang der Saison, die Zahlen einfach noch nicht komplett ermittelt waren. Deshalb beschloss ich, das künftig weiter zu beobachten.


    Weitere interessante Informationen fand ich noch, zum Beispiel dass die Vorsaison mit einem Verlust von 345.000 Euro abgeschlossen worden war, dass der VfB im Pokal zuerst gegen Hoffenheim spielte und dass es bei den Profis zwei namhafte Neuzugänge gab: Denis Wolf (ST, 29) und Patrick Herrmann (RV, 24). Übrigens spielten der VfB Lübeck und Holstein Kiel diesmal in keiner einzigen Liga zusammen: Die erste Mannschaft der Kieler war in die Dritte Liga aufgestiegen, die zweite war abgestiegen und die vier Jugendmannschaften trafen ebenfalls nicht auf den Derby-Konkurrenten.
    Neugierig war ich natürlich auch auf die Konkurrenz der B-Jugend.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Unser erstes Spiel bestritten wir am 13. August beim Mitaufsteiger Heidenheim. Da würde es wichtig sein, nicht gleich unter die Räder zu kommen, besser noch einen oder drei Punkte mitzunehmen, um sich in der neuen Liga nicht von Beginn an wie der sichere Absteiger zu fühlen. Denn was sich da an Kontrahenten tummelte, hatte schon ganz beachtliche Namen: Union, Cottbus, Braunschweig, auch die Rostbüchsen waren diesmal dabei – na, das würde den Jungs ganz schön Dampf machen!


    Die C-Jugend nahm, wie ich sehen konnte, dieses Jahr ebenfalls am Ligabetrieb teil. Sie waren in die fünfte Spielklasse aufgestiegen, während A und D erneut viertklassig spielten.


    Nachdem ich mir die wichtigsten Daten angesehen hatte (darunter auch die problematische Finanzkalkulation für die nächsten zwölf Monate), machte ich einen Rundgang über das Gelände. Die Arbeiten am Jugendzentrum waren beendet und es war eindeutig eine Nummer kleiner geworden.



    Ein paar Blicke durch die Fenster verdeutlichten mir, dass wir im Vereinshaus weiterhin besser aufgehoben sein würden. Diese Baracke war dagegen eher das Richtige für die Kleineren.


    Als ich zu meinem Büro zurückkehrte, traf ich auf Kristian, der irgendwie erleichtert wirkte, mich zu sehen.


    „Malte, hast du einen Moment? Ich muss mit dir reden.“


    „Okay, gern. Komm doch mit rein.“


    Wir setzten uns in meine Sofaecke – nein, da war jetzt gerade kein Geld mehr drin! – und ich versuchte gar nicht, ihm einen Whisky anzubieten, sondern stellte Mineralwasser und zwei Gläser auf den Tisch. Das Thema schien ernst zu sein.


    „Die Sache ist die: Der Boss, also Gaston Deneuve, hat die Parole ausgegeben, dass wir drittklassig werden wollen. Und zwar auf allen Ebenen.“


    „Du meinst, nicht nur die Erste, sondern auch die Jugendmannschaften?“


    „Richtig. Die B hat es ja nun schon geschafft, und das hat ihn angespitzt. Naja, irgendwie hat es ihn wohl auch gewurmt, dass uns der Aufstieg gelungen ist und ihm nicht.“


    „Na, da hat er sich ja was vorgenommen!“


    „Stimmt. Aber nicht nur er für sich. Von mir erwartet er jetzt, dass auch die A-Junioren den Sprung nach oben schaffen.“


    „Und – wird das klappen? Auf welchem Platz haben sie denn gleich noch die vorige Saison abgeschlossen?“


    „Naja, sie sind Sechster geworden. Wenn man sehr intensiv rangeht, könnten sie oben mitspielen. Aber das bedeutet, dass mir kaum noch Zeit für etwas anderes bliebe.“


    „Für die B-Jugend zum Beispiel?“


    Er nickte. „Und die Sache ist halt die, dass ich Daniel Celio damit nicht betrauen möchte. Er wäre dem wohl nicht gewachsen, und außerdem brauche ich ihn dringend als Unterstützung für allerlei anderen Kram.


    „Du meinst also im Ernst…?“


    Wieder nickte er nachdrücklich. Und so kamen wir überein, dass ich mich nun hauptverantwortlich um die Belange von Emmos Team kümmern sollte. Er hingegen hatte die Qual der Wahl, aus 26 Jungs mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten und Potenzialen eine erfolgreiche Mannschaft zu formen.



    (Quelle: Screenshot FM12)

  • 25. Teil: Herausforderung als Trainer
    (07. Juli 2012)


    Meine erste Amtshandlung bestand darin, erneut ein Trainingslager für die B-Jugend zu organisieren. Diesmal brauchte ich dafür nicht einmal Jérôme zu fragen, denn ich buchte es einfach am PC und veranlasste die Überweisung vom Vereinskonto. Dabei hatte ich überhaupt kein schlechtes Gewissen. Und falls es wider Erwarten Finanzierungsprobleme geben sollte, hatte ich ja immer noch meine schier unerschöpfliche Sofaritze.


    Aber dann standen wir zum ersten Mal gemeinsam und ohne einen weiteren Trainer auf dem Trainingsplatz: die B-Jugend des VfB Lübeck und ich, Malte Womerde, Ex-Trainer und Ex-Manager in seinen Anfängen auf dem Weg in eine neue Karriere.


    „Moin, Jungs!“, rief ich ihnen schon beim Kommen zu.


    „Moin, Trainer!“, schallte es zurück. Einige kickten schon locker auf dem Trainingsplatz, andere trudelten erst noch ein.


    „So, dann kommt mal zusammen!“, forderte ich sie auf, als alle da waren.


    Es hatte sich schon herumgesprochen, dass Kristian nur noch formal ihr Trainer war und ich jetzt das Training leitete. Ich erklärte ihnen, dass sie sich weiterhin an ihn wendeten konnten, falls Bedarf bestand, dass ich aber nun auch die Verantwortung für Taktik und Aufstellung hatte. Und die Nachricht, dass es gleich wieder ins Trainingslager gehen würde, stieß auf allgemeine Begeisterung. Dann ließ ich sie nebeneinander Aufstellung nehmen und begrüßte jeden mit Handschlag, was sie erst einmal amüsierte. Aber so konnte ich mir von jedem den Namen sagen lassen und seine bevorzugte Position, versuchte mir alles zu merken und ging auf jeden ein bisschen persönlich ein. Einige kannte ich ja schon aus der vorigen Saison: Emmo natürlich, Ingo und noch sechs andere, dazu Reginald, der erst nach dem letzten Saisonspiel aus Malta gekommen war.


    Ich ließ es zunächst locker angehen. Man merkte, dass sie wieder Spaß am Fußball hatten, und für die Herausforderungen der kommenden Saison brauchte ich sie praktisch nicht extra zu motivieren. Das Sondertraining mit Emmo aber ging nun zusehends im Mannschafts- und Einzeltraining auf. Nur gelegentlich sprach ich mit ihm über die speziellen Trainingsziele, die ich für ihn vorgesehen hatte.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Ich will, dass du künftig noch mehr den Abschluss suchst.“, erklärte ich ihm dazu. „Du bist torgefährlich, und da Wolfgang nun nicht mehr dabei ist, kommt es noch mehr auf dich an. Andererseits kann ich auch die neuen Außen noch nicht richtig einschätzen; deshalb übe mal auch verstärkt Flanken. Denn im Spiel wirst du nicht mehr nur durch die Mitte kommen können, du musst auch auf die Flügel ausweichen.“


    Der Weggang seiner alten Kumpels, soweit die jetzt in der A-Jugend spielten, schien ihm nicht viel auszumachen. Im Gegenteil war er offensichtlich auch ein wenig stolz darauf, jetzt zu den Älteren zu gehören und nicht stets seinen großen Bruder dabeizuhaben. Besonders mit zwei Jungs hatte er sich schon näher angefreundet; die drei kamen zusammen zum Training, verließen es zusammen und waren auch sonst oft gemeinsam anzutreffen:


    Jonathan Everswald, genannt Joe, war ein Liberotyp und konnte DM, IV und RV spielen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Keine Ahnung, woher er Rumänisch konnte, aber mit seiner Ruhe und Ballsicherheit konnte er unserer Abwehr nur guttun. Der zweite war Jack Warner jr., ein Typ für die Außenbahnen, der super Flanken schlagen konnte. Sein Vater, ein schwerreicher Ami, hatte gerade bei München 60 das Ruder übernommen und besaß ein riesiges Anwesen am Starnberger See, aber den Junior schickte er auf ein Lübecker Internat.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Dann fuhren wir für sieben Tage ins Lübecker Umland, wo die neue Mannschaft sich kennenlernen und fürs Erste aufeinander einspielen konnte.


    Am Tag unserer Abfahrt verlor übrigens die erste Männermannschaft ein Freundschaftsspiel gegen den Drittligisten Hansa Rostock mit 1:2. Das war zwar nun nur ein erster Test und nicht einmal ein schlechtes Ergebnis, aber ich ertappte mich dabei, dass ich begann, Gaston Deneuve Misserfolg zu wünschen. Warum eigentlich? Im Grunde konnte ich mir sogar schon jetzt etwas darauf einbilden, meine Mannschaft eine Liga höher zu haben als er seine. Ob es eines Tages noch zu einem Kräftemessen zwischen ihm und mir kommen würde?


    Egal. Jetzt hatte ich es erst einmal mit 23 Jungs zu tun, die wild entschlossen waren, alles für die neue Saison zu geben, was sie hatten. Wir trainierten intensiv, das Wetter war okay und zum Glück verletzte sich auch niemand. Dennoch war auf den ersten Blick klar, dass es nicht bei diesem Kader bleiben konnte.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Zunächst einmal brauchten wir keine fünf Torhüter. Alle wussten, dass in der Regel nur ein einziger durchgängig während der Saison zwischen den Pfosten stand, bestenfalls einer durfte einspringen, wenn der Stammkeeper mal ausfiel. Am Freitag vor der Rückfahrt rief ich die fünf zusammen. Wie sich herausstellte, hatten sie schon miteinander gesprochen und waren sich über das Problem im Klaren. So traf es die beiden nicht unvorbereitet: Stefano, der in der Vorsaison immerhin zu einem Einsatz gekommen war, und Helmut schickte ich nach Hause. Darüber hinaus ließ ich mich erweichen, die drei anderen Keeper im Team zu lassen. Paraskevas, genannt Para, und Buδra, genannt Bude, waren etwa gleich stark und nicht ohne Talent, und vielleicht fiel ja einer der drei auch mal länger aus. Aber ich legte mich gleich auf Kai als Stammtorwart fest.


    Daneben gab es aber auch zu viele Feldspieler, als dass in einer Mannschaft, die in der dritten Liga bestehen wollte, jeder von ihnen zum Einsatz kommen konnte. Bruno Nagel (IV) und Sepp Kamp (DM) erklärte ich gleichfalls, dass sie sich lieber einen anderen Verein suchten, wenn sie spielen und nicht nur beim Training dabei sein wollten. Piotr Michalski (LV) sollte dagegen zunächst noch auf eine Chance hoffen dürfen, weil seine Position mit Florian Bosch nicht optimal besetzt schien und er mit seinen 14 Jahren noch sehr jung war.


    Große Hoffnung setzte ich natürlich auf Reginald Zarb (RV), den ich ja vor sieben Wochen von Floriana aus Malta geholt hatte, und auf Emmo, den ich weiterhin im offensiven Mittelfeld vorsah. Zudem versprach ich mir einiges von Robert Schumann (ZM), auf den mich Kristian bereits im vorigen Jahr aufmerksam gemacht hatte, von Ingo (IV), der fast schon ein Routinier war, und von Jack und Joe, Emmos besten Freunden.


    Apropos beste Freunde – Pan und Lan sahen wir just nach unserer Rückkehr vom Trainingslager wieder, und zwar auf dem Nebenplatz vom Lohmühle-Stadion. Im Rahmen der Saisonvorbereitung waren Gaston und Kristian übereingekommen, ihre beiden Teams ein Testspiel gegeneinander austragen zu lassen: die erste Mannschaft des VfB Lübeck gegen die eigene A-Jugend. Unnötig zu erwähnen, dass Emmo und die meisten seiner Kumpels sich das nicht entgehen ließen.


    Leider konnte Lan nicht mitspielen, weil er gerade wegen einer Hüftverletzung für zwei Wochen außer Gefecht war, aber Pan war dabei, und am nächsten Tag hatte Rob Referees Klatschblatt sogar einen Schnappschuss von ihm im lokalen Sportteil, der seine vorbildliche Manndeckung erkennen lässt.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Kristians Jungs schlugen sich beachtlich. Sie gingen sogar durch ein Tor von Andrea Foggia in Führung.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Am Ende kamen die „Großen“ dann aber durch Tore von Lemke, Wolf und Kalus doch noch zu einem standesgemäßen 3:1-Sieg.



    26. Teil: Handlungsbedarf
    (15. Juli 2012)


    Am nächsten Tag erreichte mich dann die Hiobsbotschaft: Reginald Zarb (RV), der beste und nach Emmo talentierteste Spieler der B-Jugend, hatte sich verletzt. Für vier Monate würden wir auf ihn verzichten müssen.



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    Das war natürlich bitter. Die anderen Rechtsverteidiger, Can und Simon, würden ihn nicht wirkungsvoll ersetzen können, eher schon Joe, den ich eigentlich als DM vorgesehen hatte. Oder ein neuer Innenverteidiger, der mir gerade beim Jugendtag aufgefallen war.



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    Anil war Türke, was gut passte, da wir mit Bude (TW), Can (RV) und Bekir (DM) schon drei Landsleute von ihm dabei hatten. Allerdings hatte er erhebliche taktische Defizite (1/7). Ich nahm ihn trotzdem in den Kader auf.



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    Derweil war Gaston Deneuve, wie ich feststellte, noch einmal auf Einkaufstour gegangen und mit einem weiteren neuen Stürmer zurückgekommen: Martin Willmann (ST, 32) wurde für 3.800 Euro vom SV Elversberg 07 losgeeist. Ich begann mich zu fragen, wo das angesichts der Finanzsituation des Vereins hinführen sollte, zumal wir uns plötzlich auch noch einen Fitnesstrainer und einen Torwarttrainer leisteten. Dank meines Netzwerkzugriffs konnte ich das Defizit buchstäblich in die Höhe rauschen sehen, und da entschied ich, dass Handlungsbedarf bestand.


    Klammheimlich knüpfte ich Kontakte zu Vereinen wie dem SV Bremen-Nord, KSV Baunatal und FC Burg. Ihnen bot ich in zahllosen Telefonaten, E-Mails und Skype-Sessions einige der Reservespieler an, die der Club nicht wirklich brauchte und die nur das Personalbudget belasteten. Natürlich hatte ich das mit Marius Mattle, dem Amateurtrainer, vorher abgestimmt. Und siehe da, fünfmal war ich erfolgreich, und das brachte dem Verein sogar noch insgesamt 3.000 Euro Ablöse, ganz zu schweigen von den eingesparten Gehältern.



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    Tim Holt ging zum RSV Rotenburg und Jonas Colditz zum VfL Bückeburg (wo war mir dieser Club gleich schon begegnet?). Damit hatte ich mich nun wohl endgültig zur grauen Eminenz hinter dem Chefmanager gemacht, aber obwohl ich täglich mit einem Anschiss oder wenigstens einer dezenten Nachfrage rechnete, kam weiterhin überhaupt nichts von oben. Nur Jérôme, dem ich das auf dem Golfplatz erzählte (Handicap jetzt: 30), nickte, wie es schien, zufrieden.


    Handlungsbedarf sah ich auch in meinem privaten Bereich. Sabrina war jetzt im neunten Monat und zunehmend unleidlich, was ich verstehen konnte, denn mitten im Hochsommer plötzlich rund zehn Kilo schwerer zu sein, ist bestimmt kein Vergnügen. Allerdings muss man deshalb nicht unbedingt wieder sein Auto schrotten. Meine Meinung. Ich schlug ihr vor, dass wir die Garage vergrößerten, aber das fand sie dann aus irgendeinem Grund auch wieder keine gute Idee, und wir hatten mal wieder Streit.



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    Der August begann damit, dass ich erneut ein Angebot für einen Jugendspieler bekam. Gary Lambe (Stürmer, 15, Nordirland) sollte 25.000 Euro kosten und ein großes Talent sein, das seinen Weg auf jeden Fall machen wird. Ich lehnte ab. Zwar galt das Stichwort Handlungsbedarf für kaum etwas so sehr wie für unseren Sturm, aber Gary schien nicht stark genug, und das gerade gesparte Geld wollte ich nun nicht gleich wieder hinauswerfen. Wenn schon, dann brauchten wir zuverlässige und kostengünstige Verstärkung.


    Solange wir die nicht hatten und zudem noch Reginald verletzt war, kam es umso mehr auf Emmo an.


    „Das Trainingslager hat dich ja einen Riesenschritt weitergebracht.“, sagte ich zu ihm, als er nach dem Training noch ein Extra-Torschusstraining einlegte.


    „Ja.“, erwiderte er stolz. „Hast du meine langen Pässe gesehen? Da habe ich mich mit Sicherheit am meisten verbessert. Und bei den Elfern. Meinst du, ich kann nächste Saison die Strafstöße treten?“


    „Würdest du gern, oder? Aber das warten wir mal noch ab. Je nach Spielsituation kann ein Elfmeter ganz unterschiedliche Auswirkungen haben. Er kann Aufbaumaßnahme, Belohnung oder einfach nur ein Zeichen für Vertrauen sein. Und da sehe ich noch gar nicht, was diese Saison nötig wird.“


    „Du meinst, wir steigen wieder ab, stimmt's?“, fragte er.


    „Sagen das die anderen?“


    „Nee, das nicht. Aber man kann sich ausrechnen, dass wir mit dieser Mannschaft nicht gut dastehen.“


    „Es wird nicht leicht.“, gab ich zu. „Außenverteidigung und Sturm sind unsere Schwachstellen. Aber mach' du mal hier dein Torschusstraining weiter, um den Rest kümmere ich mich.“


    Emmo grinste. „Okay, Trainer.“, sagte er und schlug einen Ball mit Schmackes ins Dreiangel des leeren Tores.


    Ich beobachtete ihn noch eine Weile vom Spielfeldrand aus und fand wieder einmal, dass er sich wirklich beachtlich entwickelte. In einem Jahr hatte er sich um mehr als 26 % verbessert (von 34 auf 43).



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    Am 4. August begann dann die Saison mit dem DFB-Pokal. Der VfB hatte ein Heimspiel gegen Hoffenheim, und gegen den Erstligisten waren sie natürlich krasser Außenseiter. Das Lohmühle-Stadion war gerammelt voll, Wetter und Stimmung super, und selbstverständlich war der größte Teil der Jugendspieler unter den Zuschauern. Wir sahen ein hochdramatisches Spiel, in dem der Außenseiter schon durch Tore des neuen Sturms (Wolf, Willmann) 2:0 führte und sich dann doch noch den Ausgleich einfing. In den letzten Minuten sah ich Gaston Deneuve nur noch in seiner Coaching-Zone toben, und während der Verlängerung wurde es nicht besser. Da aber nichts weiter passierte, ging es ins Elfmeterschießen. Und da wurde unser Keeper zum Pokalhelden: René Melzer hielt einen Elfer, einen weiteren verschoss Ryan Babel für Hoffenheim, und da die Lübecker sämtlich trafen, endete das Spiel 6:3. Der VfB stand in der nächsten Runde!


    Da würde es dann gegen Schalke 04 gehen. Weitere ausgeschiedene Bundesligisten waren Hamburg (in Unterhaching), Wolfsburg (in Aalen) und der 1. FC Köln (in Offenbach).

  • 27. Teil: Ligabeginn mit Ambitionen
    (11. August 2012)


    Am darauffolgenden Wochenende ging endlich auch der Ligabetrieb los. Und wie! Nicht nur Gastons Männer gewannen ihr Spiel (2:0 gegen Hertha II), auch die Reserve stürmte sogleich mit einem 1:0 bei St. Pauli II auf Platz 2 der Schleswig-Holstein-Liga und die A-Jugend toppte das sogar noch: Ein klares 4:1 in Regensburg brachte sie auf Platz 1.


    Am Montag waren nun also wir dran. Und es wurde so ungefähr das Spiel, das ich befürchtet hatte. Gegen Mitaufsteiger Heidenheim waren wir nicht einmal chancenlos, und André (ST), der in der vorigen Saison nur ein einziges Spiel durchgespielt hatte, traf sogar zum zwischenzeitlichen Ausgleich. Aber für Ingo, der wegen Muskelproblemen kurzfristig fehlte, hatte ich den unerfahrenen Martin (IV) bringen müssen, der sich schon in der 4. Minute nach einer ungeschickten Aktion die Rote Karte einfing. Danach kamen wir nie richtig ins Spiel, und zudem erwischten Emmo, Robert (OM) und Bekir (DM) einen so schlechten Tag, dass das gesamte zentrale Mittelfeld praktisch ein Ausfall war.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Da drei andere Mannschaften höher verloren hatten, belegten wir nach dem ersten Spieltag wenigstens nicht gleich einen Abstiegsplatz. Wir waren Elfter von 14 Teams, aber die Enttäuschung war natürlich riesig, da die meisten kommenden Gegner durchaus stärker einzuschätzen waren als die Heidenheimer.


    In dieser Phase kam mal wieder ein Tipp von Arne, dem alten Scout.


    „Giorgio Griffo vom SV Breitenfelde. Solltest du mal drüber nachdenken.“, sagte er.


    „Wieder ein Italiener?“


    „Haben wir doch keine schlechten Erfahrungen mit gemacht! Ich sage dir, der ist vielversprechend. Wir sollten ihn beobachten, bevor sich das rumspricht.“


    „Hmm“, machte ich, während ich mir das Datenblatt ansah, „linkes Mittelfeld, geschätzte Stärke 30. Ehrlich gesagt, Arne, da halte ich nichts von. Wir haben andere Positionen, auf denen größerer Bedarf besteht, und ich will jetzt nicht unnötig Unruhe ins Team bringen, nachdem das erste Spiel verlorengegangen ist.“


    „Na gut, mien Jong. War nur ein Vorschlag.“


    Immerhin war ich froh, dass ich weiterhin auf seine Unterstützung rechnen konnte. Von Kristian sah und hörte ich kaum noch etwas, da er sich total für seine A-Jugend aufrieb. Daniel Celio war mehr und mehr zu seinem und Gastons Wasserträger geworden, auch die Reserve fand viel Beachtung; die drei unteren Jugendteams führten dagegen nur eine Randexistenz.


    Im zweiten Spiel gegen Waldhof Mannheim, die zum Saisonauftakt gewonnen hatten, war zum Glück Ingo (IV) wieder fit. Außerdem brachte ich Christopher Tremmel (ST) für André. Doch unsere Schwäche im Sturm war unübersehbar. Emmo bediente ihn ein paarmal vorbildlich, aber im Abschluss haperte es erheblich.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Am Ende war ich dann wenigstens mit dem einen Punkt und der Kondition meiner Jungs zufrieden. Auch wenn kein gutes Fußballspiel zustande kam, konnten sie mit einer Energieleistung den Rückstand aus der 86. Minute im unmittelbaren Gegenzug noch ausgleichen. Dabei war es symptomatisch, dass ausgerechnet Emmo der Torschütze war; an ihm orientierten sich seine Mitspieler jetzt zusehends, und wenn wir in dieser Liga bestehen wollten, dann würde ihm mehr denn je die Führungsrolle zukommen müssen.


    Trotz des Punktgewinns blieben wir Elfter. Aber auch in den nächsten drei Spielen konnten wir nicht viel reißen. Dabei schwammen die anderen VfB-Teams auf teils sehr hohen Erfolgswellen: Kristians A-Jugend hielt und festigte die errungene Tabellenführung, die Männer hatten immerhin noch Kontakt zur Spitze und die Reserve rockte die SH-Liga (vier Siege, 8:0 Tore, 1. Platz). Nur bei uns wollten sich die dringend benötigten Erfolge nicht einstellen.


    Bei Greuther Fürth verloren wir dank guter Abwehrleistungen nicht höher als 0:2 und rutschten auf Platz 12 ab. Joe (RV) verletzte sich (Knochenstauchung, 12 Tage), Anil (IV) flog mit Gelb-Rot vom Platz. Das nächste Heimspiel gegen Ingolstadt endete wieder 1:1, und wieder war Emmo der Torschütze. Erstmals auf einem Abstiegsplatz fanden wir uns dann nach dem Match beim 1. FC Saarbrücken wieder, der uns als Tabellenschlusslicht empfing. Diesmal schlug sich die Offensive besser als die Abwehr. Die Führung der Gastgeber konnte erneut André (ST) unmittelbar vor der Pause noch egalisieren, aber ein Eigentor von Ingo (IV) und das 3:1 nach 70 Minuten sorgten für die Entscheidung. Ausgerechnet Martin Gruber (IV), der nach seiner Rot-Sperre zum ersten Mal wieder dabei war, gelang kurz vor Schluss noch der Anschlusstreffer zum 2:3, aber wir blieben auswärts ohne Punkt und insgesamt sieglos.



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    Und spätestens da war mir klar: Es musste etwas geschehen!



    28. Teil: Neue Besen oder viele Köche?
    (11. September 2012)


    Glücklicherweise war privat zurzeit alles bestens. Am 31. August hatte Sabrina einen gesunden Jungen zur Welt gebracht, und wir waren beide einfach nur glücklich darüber. Als Namen schlug sie „Lukas“ vor, ich war einverstanden. Und infolge der familiären Harmonie konnte ich mich in Ruhe auf meinen Job konzentrieren.



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    Der bestand in den nächsten Wochen und Monaten unter anderem darin, mich nach Jugendlichen umzusehen, die unser Team bereichern konnten. Unablässig studierte ich Vereinslisten, telefonierte mit Hinz und Kunz und sah mir Training und Spiele anderer Jugendmannschaften an. In kürzester Zeit hatte ich fünf Kandidaten Angebote gemacht, denen noch etliche weitere folgen sollten, und ich begann mich zu fragen, ob am Ende nicht zu viele Neue das mühsam Errungene eher gefährdeten, als dass sie uns weitergeholfen hätten.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Im Finnegan traf man dieser Tage auch längst nicht mehr so viele Vereinsmitglieder wie noch gegen Ende der vorigen Saison. Dabei hätte ich gerade zurzeit gern von den Erfahrungen von Kristian Gentner oder Marius Mattle profitiert. Immerhin lernte ich einmal hier die beiden Neuen kennen: Stefan Gebhardt war 55 und ein Fitnesstrainer, der auch seine Qualitäten als Psychologe besaß. Zehn Jahre jünger und deutlich weniger qualifiziert war der neue Torwarttrainer; er hieß Stefan Knaller und machte nach meinem ersten Eindruck seinem Namen keine sonderliche Ehre.


    „Habt ihr Erfahrungen mit Abstiegskampf?“, fragte ich rundheraus.


    „Hmm, durchaus.“, kam vom Fitness-Stefan. „Gerade vorige Saison, bei meinem alten Club. Die ganze Saison haben wir um jeden Punkt gerungen, aber am Ende war's doch umsonst. Wieso fragst du?“


    „Naja, meine B, um die geht's. Wir sind knapp und glücklich aufgestiegen, jetzt sind die Leistungsträger weg und wir holen, wenn wir Glück haben, gerade mal zu Hause ein Unentschieden.“


    „Wievielter seid ihr? Nach wieviel Spielen?“


    „Vorletzter von vierzehn. Zwei steigen ab. In fünf Spielen haben wir zwei Punkte geholt.“


    „Fünf Spiele?“ Stefan steckte sich einen Zahnstocher in den Mundwinkel und begann darauf zu kauen. „Zu früh.“


    „Du meinst, jetzt hat es noch keinen Sinn, etwas zu unternehmen?“


    „Naja, unternehmen musst du natürlich gleich was, wenn du kannst. Aber mit irgendwelchen Psychomaßnahmen, egal welcher Art, wirst du noch warten müssen.“


    „Die Sache ist bloß: die Jungs verlieren mir das Selbstvertrauen, wenn sie nie gewinnen. Hast du schon mit Jugendlichen gearbeitet?“


    Er nickte, und ich fand seine Art zunehmend nervend und selbstgefällig. „Hab' ich. Ich kann dir sagen, du musst Geduld haben. Die Zeit arbeiten lassen. Wahrscheinlich kommt der eine oder andere Sieg von ganz allein, das bewirkt viel mehr als jede Motivationsschulung.“


    „Und wenn nicht?“


    „Dann kannst du immer noch was machen.“


    Nun, ich war nicht zufrieden. Aber allein auf mich gestellt, das wusste ich, würde ich nicht genug bewirken können. Deshalb verfiel ich auf die Idee, es mal wieder gezielt mit Mentoren für die talentiertesten Spieler zu versuchen. Oder genauer: nicht mir selbst kam dieser Gedanke, sondern ein denkwürdiger Anruf war der Auslöser.


    „Warner hier.“ Schweigen in der Leitung.


    „Ja?“


    „Jack Warner aus München. Sind Sie der Hansel, der meinen Sohn trainiert?“


    Jetzt fiel es mir wieder ein. Der Krösus aus den Staaten, der glaubte, man könnte mit Geld und schlechten Manieren jeden für sich tanzen lassen.


    „Der Vater von Jack, unserem Mittelfeldmann.“, sagte ich und bemühte mich, locker zu wirken. „Ist ein ganz ordentliches Talent, Ihr Junge.“


    „Ein was? Ein ordentliches Talent?“ Dann kam etwa zwanzig Minuten lang ein Gemisch aus Amerikanisch und Bayrisch, das mir offenbar zu verstehen geben sollte, dass Jack Warner jr. der künftige Leistungsträger des VfB Lübeck war, und zwar gefälligst nicht im Mittelfeld, sondern als Sturmspitze. „Und dafür, verehrter Herr – wie war nochmal der Name?“


    „Womerde. Malte Womerde.“


    „Wom-was? Das kann sich ja kein Mensch merken!“


    Kurz und gut, der Filius des ehrenwerten Geldmagnaten sollte nichts weniger als der Star der B-Jugend werden, und dazu bedurfte es eines persönlichen Mentors, der selbstverständlich kein Geringerer war als der Stürmerstar der ersten Herrenmannschaft. Jack senior hatte da bereits alles Erforderliche in die Wege geleitet.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Gut, ich tat umgehend, wie mir geheißen. Aber zugleich arrangierte ich Entsprechendes für Ingo (IV), der dem Innenverteidiger Jan Kalus zugewiesen wurde, und für Joe (DM), für den sich mit Marius Winkelmann (ZM) ebenfalls ein Spieler aus der ersten Mannschaft fand. Zudem freute ich mich sehr, dass ich Gottfried Ehrenreich wieder als Mentor für Emmo gewinnen konnte. Alle „Erwachsenen“ nahmen die Aufgabe und Verantwortung gerne an und ließen sich sogar öfters mal auf dem Jugendtrainingsplatz blicken.


    Nur am Rande sei an dieser Stelle bemerkt, dass ich – natürlich – nochmal auf die Statistik der besten nationalen Jugendarbeit geschaut hatte, und erwartungsgemäß lag der VfB Lübeck dort nun erheblich weiter hinten. Aber für einen Viertligisten fand ich den 37. Platz immerhin noch ganz akzeptabel.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    In den nächsten Tagen wurde mir bewusst, dass meine Sorge, viele Köche könnten bei uns den Brei verderben, ausgesprochen unnötig gewesen war. Es hagelte Absagen von den angefragten Jugendspielern. Die Begründungen reichten von „möchte momentan lieber weiter für seinen Verein spielen“ bis „die Spieler in Ihrem Kader hätten einfach nicht genug Niveau“. Schade, denn da waren durchaus einige interessante Talente drunter gewesen.


    Im sechsten Saisonspiel holten wir dann endlich unseren ersten Auswärtspunkt. Zwar gelang uns in Braunschweig weder ein Tor, noch kam ein sonderlich schönes Spiel zustande, aber dank einer geschlossenen Mannschaftsleistung blieb es beim torlosen Remis. Joe, der zurzeit formschwach war, ließ ich zunächst draußen, für ihn verteidigte Anil rechts. Ohne den verletzten Reginald war die rechte insgesamt unsere schwache Seite, zumal sich in diesem Spiel auch noch Stephan (RM) verletzte und durch Yusuf ersetzt werden musste.



    (Quelle: Screenshot FM12, bearbeitet)


    Doch dieses 0:0 war ja immerhin etwas, auch wenn wir auf Platz 13 blieben. Dennoch blickte ich nicht ohne eine gewisse Missgunst auf die derzeitigen Erfolge der ersten Mannschaft. Gerade hatte Gaston Deneuves Team den SV Halstenbek, immerhin Tabellenvierter, mit 8:3 nach Hause geschickt, da kanzelten sie auch noch Hannovers Zweite in deren eigenem Stadion 5:0 ab! Ihr – und Gastons – Pech war nur, dass RB Leipzig sich keine Blöße gab; Platz eins blieb unerreichbar.
    Aber dann gab es doch endlich auch bei mir einen Erfolg zu vermelden.



    (Quelle: Screenshot FM12)

  • 29. Teil: Endlich siegreich
    (24. September 2012)


    Man konnte es wohl so ausdrücken: Alle Spieler waren froh über die Neuverpflichtung und überzeugt davon, dass Bruno der Mannschaft wirklich helfen konnte. Ich war es auch. Vor unserem siebten Saisonspiel, das wir zu Hause gegen Energie Cottbus bestritten, rief ich das ganze Team zu einer Sonderbesprechung zusammen.


    „Leute, das heute ist vielleicht das wichtigste Spiel der Saison.“, sagte ich, und alle verfolgten meine Ansprache äußerst ernsthaft. „Cottbus liegt zwei Plätze und zwei Punkte vor uns. Heute Abend um acht Uhr wollen wir da sein, wo die jetzt sind. Und das geht, wenn ihr das wollt!“


    Ich hatte umgestellt. Ingo (IV) fiel wegen einer Wadenzerrung noch für fünf Tage aus, für ihn rückte Anil nach innen und Joe begann auf der RV-Position. Der sollte aber zugleich auch offensiv die rechte Außenlinie übernehmen, wenn sich dazu Gelegenheiten boten, sodass wir diesmal ohne RM spielten. Und um Bruno als Neuzugang nicht allzu viel Alleinverantwortung zuzumuten, traten wir zum ersten Mal mit zwei Spitzen an: er neben André. Eine offensive Variante, und ich hoffte stark, dass die Abwehr sie mittragen würde.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Der Witz ist“, erklärte ich, „dass der Gegner bei uns eine schwache rechte Seite im Mittelfeld erwartet. Das war ja zuletzt auch durchaus der Fall. Ich will aber, dass wir heute vor allem über rechts kommen – gerade deshalb! Entweder rückt Joe von hinten auf, oder Robert geht verstärkt nach rechts raus, um nach innen zu passen oder zu flanken. Emmo, du hältst dich in der Mitte oder links, aber auch Jack kann ruhig mal die Seite wechseln.“


    Ich bemerkte, dass sie kurzzeitig verwundert waren über diese neue Marschroute. Aber sie waren auch stolz darauf, dass ihnen eine derartige Taktik zugetraut wurde, und es war nicht zu übersehen, wie entschlossen sie danach auf den Platz gingen.


    Sechs Minuten dauerte es, da zeigte sich bereits der Erfolg der neuen Taktik. Robert (OM) hatte den Ball von rechts hereingebracht, in der Mitte brauchte Bruno (ST) praktisch nur noch den Fuß hinzuhalten, und es stand 1:0! Durch den Erfolg beflügelt, gingen danach alle Spieler sehr engagiert zur Sache, was Florian (LV) und Bekir (DM) allerdings je eine Gelbe eintrug. Leider war Anil (IV) heute mit seiner Aufgabe etwas überfordert. In der 31. Minute ließ er einen der beiden Cottbusser HS ziehen, und schon stand es 1:1.


    „Macht fast gar nichts.“, sagte ich in der Pause. „Ihr macht einfach so weiter. Und wenn sie anfangen, rechts zuzumachen, dann gehen Jack und Emmo verstärkt über links nach vorn. Denkt immer dran: ihr habt heute zwei statt einem in der Mitte, da kriegt schon leicht mal einer einen Abpraller vor die Füße!“


    Sie taten ihr Bestes und sahen dabei gar nicht so schlecht aus. Nach rund einer Stunde ersetzte ich beide Stürmer, die viel gelaufen waren, durch Christopher und Yusuf und brachte Piotr (LV) für den verwarnten Florian. Und siehe da, es funktionierte, wenn auch ganz anders als erwartet: Während der Gegner sich bemühte, die Flügel abzusichern, marschierte Bekir (DM) schnurstracks durch die Mitte und ließ dem gegnerischen Keeper mit einem strammen Schuss keine Chance. Es war sein erstes Tor überhaupt für die B-Jugend, und es brachte uns unseren ersten Sieg in der dritten Liga. Das Spiel endete 2:1.



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    Was ich vorhergesagt hatte, war eingetroffen: Statt Energie Cottbus standen jetzt wir auf dem 11. Tabellenplatz, und wenngleich es nach unten weiterhin eng war, konnte man den Anschluss ans Mittelfeld schon förmlich riechen.


    Eine Woche später gelang es uns beim FSV Frankfurt sogar, erfolgreich an die gute Leistung anzuknüpfen. Diesmal wechselte ich zu einem 4-2-4, was weniger wegen der offensiven Aufstellung mutig war als deshalb, weil ich Christopher und Stephan als Außenstürmer auflaufen und Jack und Joe auf der Bank sitzen ließ. Aber mich hatte vorige Woche außerordentlich beeindruckt, wie begierig die Jungs darauf waren, eine veränderte Taktik umzusetzen, und das ließ mir die Gelegenheit für ein weiteres Experiment geeignet erscheinen. Zu Recht, wie sich zeigen sollte.



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    Über außen kam diesmal so gut wie gar nichts, und das war vielleicht gerade der Grund für den Erfolg. Emmo und Robert bauten jeden einzelnen Angriff aus dem zentralen Mittelfeld auf und die Stürmer sorgten für Unruhe im gegnerischen Strafraum. Dabei kam Emmo vorrangig die Aufgabe zu, ein, zwei Gegner auf sich zu ziehen, während Robert die steilen Pässe spielte. Am Ende konnte man wohl sagen, dass er der Matchwinner war.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    In der Tabelle brachte uns das auf Platz 10, und zum Abstiegsplatz 13 hatten wir nun erst einmal einen beruhigenden Abstand von vier Punkten.


    „Na, Glückwunsch!“, sagte Kristian, als ich ihn dann doch wieder einmal im Finnegan traf.


    „Gleichfalls!“, war meine Antwort. Er war mit der A-Jugend in allen acht Saisonspielen bisher ungeschlagen. „Wie machen sich denn Emmos Kumpels Pan und Lan?“


    „Gut, gut. Lan ist ein solider RM und macht jedes Spiel, hat sogar schon ein Tor erzielt und zwei Assists gegeben. Pan dagegen hat das Pech, dass der aktuelle LV unser größtes Talent ist, Christian Kraetschmer. Bin gespannt, wann Marius ihn in sein Team holt; das Zeug dazu hat er. Dann wäre natürlich Pan endlich auch erste Wahl für diese Position.“


    Zufrieden tranken wir das eine oder andere Bier miteinander und plauderten über unsere Teams. Bei ihm sah es durchaus so aus, als wenn der Aufstieg in die Drittklassigkeit gelingen konnte, und wir hatten jetzt reelle Chancen auf den Klassenerhalt.


    „Auf einen erfolgreichen neunten Spieltag!“, sagten wir schließlich optimistisch und stießen darauf an.


    Die Wahrheit sah anders aus: Am nächsten Wochenende verlor die A-Jugend 1:2 gegen Bielefeld und die B-Jugend 1:3 gegen Aachen.



    30. Teil: Jeder Punkt zählt
    (8. Oktober 2012)


    Während für Kristians Team die Niederlage ein einmaliger Ausrutscher war, blieben wir erst einmal weiterhin ohne Sieg. Die beiden nächsten Spiele endeten jeweils 1:1, Paderborn und Offenbach hießen die Gegner. Unsere Tore in diesen drei Partien erzielten gegen Aachen Robert Schumann (ZM), in Paderborn Martin Gruber (IV) und gegen die Kickers Bruno Gregoritsch (ST). Von dem 4-2-4 war ich nach der Schlappe in Aachen wieder abgerückt, zumal nun Reginald Zarb (RV) erfreulicherweise endlich wieder fit war. Er fügte sich sofort gut in das Team ein, und auch Bruno machte sich inzwischen gut als einzige Spitze. Dennoch war ich nicht zufrieden; allzu leicht ließen wir uns ein Spiel noch aus der Hand nehmen, wenn eigentlich eine konzentrierte Leistung drei Punkte oder wenigstens einen hätte sicherstellen können.


    Nun, immerhin waren es inzwischen fünf Punkte, die uns von Platz 13 trennten. Zwei Spiele waren es noch bis zur Winterpause, aber die Gegner hießen Union Berlin und RB Leipzig, was wenig Hoffnung auf bedeutende Erfolge machte.



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    Aber am Sonnabend zog es uns erst einmal alle wieder ins Lohmühle-Stadion. Es war Pokaltag. Der VfB Lübeck ging mit einigem Selbstvertrauen in die Partie gegen Schalke 04, denn immerhin hatte man ja in der ersten Runde Hoffenheim rauswerfen können, und zuletzt war es den Mannen von Gaston Deneuve gelungen, Tabellenführer RB Leipzig nach acht Siegen in Folge den ersten Punktverlust beizubringen. Nach dem 1:1 waren unsere Männer jetzt allerdings nur noch Fünfter.



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    Die Stimmung auf den Rängen war gut, aber gegen die Königsblauen war der Klassenunterschied dann doch deutlich spürbar. Recht bald stand es 0:2, und als Wolf (ST) auch noch die Rote Karte sah, brauchte der Gegner seinen Vorsprung nur noch über die Zeit zu bringen. In deren Reihen spielte übrigens einer, dessen Wechsel nach Gelsenkirchen ich zuvor gar nicht mitbekommen hatte: Michael Ballack (DM).



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    Das Pokal-Aus wunderte oder betrübte niemanden wirklich. Rausgeflogen waren übrigens auch Holstein Kiel (0:1 gegen Hertha) und RB Leipzig (1:2 gegen Mainz). Wenigstens Ingo freute sich, denn seine Bremer hatten in Stuttgart 1:0 gewonnen. Sie spielten überhaupt eine super Saison und waren gegenwärtig Tabellenführer der Bundesliga, zwei Punkte vor den Bayern.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Bei uns verletzte sich André Finke (ST) im Training und fiel wegen muskulärer Probleme zwei Wochen aus. Aber im Angriff war ja ohnehin Bruno Gregoritsch, der Neue, gesetzt. Doch bei Union Berlin, die zu den Stärksten der Liga zählten, hatten wir dann am darauffolgenden Montag ebenso wenig eine Chance wie die Männer zuvor im Pokal. Und dabei waren wir mit einem 0:2 noch gut bedient. Eine Stunde lang leistete die Abwehr tapfer Widerstand, mit allen Mann standen wir massiv hinten drin, aber dann verletzte Jack sich bei einem beherzten Einsatz, und prompt machten die Berliner das Tor. Zehn Minuten später folgte das zweite, und das Spiel war entschieden.



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    „Was war los?“, fragte ich Emmo hinterher auf der Heimfahrt im Bus. „Mir fällt auf, dass du dich schon seit ein paar Wochen immer wieder hängen lässt. Schlechte Form?“


    Er zuckte nur mit den Schultern und schwieg. Überhaupt wirkte er in letzter Zeit verschlossen, und seine Werte im Spiel lagen zwischen 4 und 5.


    „Die Schule, ist es das?“


    „Nö.“, antwortete er einsilbig. „Geht so.“


    Mehr war nicht aus ihm rauszukriegen. Deshalb sprach ich in den nächsten Tagen mal seinen Bruder Kevin an. Der wollte zwar auch nicht recht raus mit der Sprache, aber eine Andeutung machte er doch: anscheinend steckte ein Mädchen dahinter – Emmo war verliebt!



    Jacks Verletzung war zum Glück nicht gravierend. Wegen einer Hüftprellung fiel er neun Tage aus. Eine andere Personalie hingegen ärgerte mich außerordentlich. Mir war es nämlich gelungen, mit Yero May (RM) einen 16-jährigen Mittelfeldspieler zu holen, der uns sehr hätte weiterhelfen können. Aber dann wurde er der A-Jugend zugewiesen.



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    Ein etwas genauerer Blick auf sein Datenblatt erklärte, warum: Er wurde noch vor dem Jahreswechsel 17 – ich hatte schlicht nicht aufgepasst! Mist! So richtig verstehen konnte ich das allerdings nicht, denn auch unsere beiden Ersatzkeeper Para und Bude waren bereits 17 und durften dennoch B-Jugend spielen. Galt da für Torhüter etwas anderes als für Feldspieler? Ich nahm mir vor, Daniel Celio gelegentlich danach zu fragen, der sich mit derlei Dingen auskannte.


    Noch in meiner ersten Verärgerung reagierte ich, allen Sparvorsätzen zum Trotz, auf ein interessantes Angebot.



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    Gut, 25 Mille waren kein Pappenstiel, aber ich wollte jetzt unbedingt eine Verstärkung holen. Und Robin hatte am 4. Januar Geburtstag, würde also bei uns spielen.


    „Hm, verstehen kann ich das schon.“, erklärte Kristian, als wir mal wieder zusammen im Finnegan saßen. „Aber du musst dem Team auch eine Chance geben. Immerhin läuft es doch zurzeit nicht schlecht!“


    „Stimmt schon.“, gab ich zu. „Aber es verletzt sich halt auch immer mal einer. Jetzt gegen Leipzig zum Beispiel fallen Jack und André aus. Um so etwas auf Dauer zu kompensieren, haben wir zu wenige Leistungsträger, die eine schlagkräftige Mannschaft bilden können.“


    „Die dann im nächsten Jahr wieder auseinanderfällt! Nein, Malte, wenn du ein Jugendteam trainierst, sind die strategischen Möglichkeiten immer begrenzt. Willst du ein Team mittelfristig aufbauen und zu Erfolgen führen, dann musst du eine Männermannschaft übernehmen.“


    Ich schwieg nachdenklich. Wollte ich das? War ich doch schon wieder so weit, an eine richtige Trainer- und Manageraufgabe zu denken?


    Kristian schmunzelte, als er mich so grübeln sah. „Lass dir Zeit.“, sagte er. „Vielleicht machst du ja auch nächstes Jahr mit der B-Jugend weiter? Dann dürfte dich schon mal Hendrik Wane interessieren.“



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    Ich ließ ihn ein bisschen über den Jungen erzählen, einen nicht untalentierten LM, und wir beschlossen, ihn in die C-Jugend aufzunehmen. Gut möglich, dass er nächste Saison schon zu einer Stütze für die B-Junioren wurde.

  • 31. Teil: Abschluss der Hinrunde
    (5. November 2012)


    Am Sonntag rief mich Jérôme an. Ich hatte schon länger nichts von ihm gehört, was aber bei unserem Präsidenten öfters mal vorkam. Unter den Vereinsangestellten wurde gemunkelt, dass er mal wieder irgendein superteures Projekt zur Selbstverwirklichung plante.


    „Hallo, Malte. Wie geht's?“


    Ich lachte. „Na, Jérôme, du rufst doch nicht am Sonntagmittag an, um zu fragen, wie es mir geht!“


    „Stimmt.“, gab er zu. „Deshalb ganz direkt: Hast du Zeit und Lust, mal eben zum Golfplatz rauszukommen?“


    „Wie, jetzt? Nach Travemünde? Und bei dem Wetter – Golf spielen?“


    „Nein, nicht spielen. Ich hab' da nur gerade so einen Plan, und vielleicht interessiert dich das ja. In den nächsten Tagen kommt ein ganz interessanter Typ aus Bristol vorbei…“


    „Nee, du, danke, tut mir leid.“ Der hatte aber auch Vorstellungen! „Morgen ist unser letztes Spiel des Jahres, und da muss ich hier unbedingt noch…“


    „Okay, okay. Vergiss es einstweilen. Ich melde mich wieder.“ Damit legte er auf.


    Das Spiel am folgenden Montag, zu dem wir erstmals die brausegesponserten Knaben aus Leipzig empfingen, wurde auf eine spezielle Art dann noch einmal etwas Besonderes. Der Aufstiegsaspirant lag punktgleich hinter Fürth auf Platz 2 und war natürlich haushoher Favorit gegen uns. Vermutlich planten sie, mit einem hohen Sieg an den Franken vorbeizuziehen.


    Aber daraus sollte nichts werden. Die Roten waren uns zwar klar überlegen, und allein Florian (LV) verdiente sich mit einer 3,5 nicht eine schlechtere Note als sämtliche Leipziger. Wir spielten unser bewährtes 4-1-4-1, doch irgendwie gelang uns überhaupt nichts. Auch Emmo war erneut schwach.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Aber wir hatten den Spieler, der heute den Unterschied machte: Joe Everswald (DM). Eigentlich fiel er nur zweimal im ganzen Spiel auf, nämlich in der zweiten Minute und zwei Minuten vor Schluss. Aber ohne ihn wäre es um ein Haar bei dem 0:1 aus der zwölften Minute geblieben.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Mehr aus Verzweiflung, weil die ganze Mannschaft so schwach spielte, hatte ich Christopher für Bruno (ST) gebracht, und der sorgte nach Joes Vorarbeit kurz vor dem Abpfiff noch für den total unverdienten und glücklichen Ausgleich. Meine Güte, waren die Leipziger Jungs fertig! Und uns war es gelungen, sie gleich beim ersten Aufeinandertreffen mächtig zu ärgern!



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Die Situation sah damit zur Winterpause gar nicht einmal schlecht für uns aus. Wie auch die Mitaufsteiger aus Heidenheim hatten wir keine geringen Chancen, in der dritten Liga zu bestehen. Und als ich mich in den nächsten Tagen einmal hinsetzte und die Mannschaftsstärken der Liga berechnete, soweit das nach den vorliegenden Erkenntnissen möglich war, stellte sich sogar heraus, dass wir dabei inzwischen einen ordentlichen Mittelfeldplatz belegten.



    (Quelle: eigene Tabellengrafik)


    Übrigens war mein guter alter Arne beim letzten Spiel außerordentlich aufmerksam gewesen, wusste er doch, dass ich gern noch eine Verstärkung für die B-Jugend geholt hätte. Unablässig machte er sich Notizen über die Leipziger, nachdem er sie schon bei ihrem Abschlusstraining beobachtet hatte.


    Nach dem Spiel übergab er mir eine Liste. „Hier, weil du doch partout nach Verstärkungen suchst!“



    (Quelle: Screenshot FM12)


    „Danke, Arne. Das wäre natürlich ein Knaller, wenn wir den Leipzigern nach diesem Frustspiel auch noch den einen oder anderen ihrer besten Spieler abluchsen könnten!“


    „Naja, wenn du mich fragst, solltest du höchstens einen für links oder den Angriff ins Auge fassen.“


    Das war natürlich richtig. Ich strich gleich mal den Torwart von der Liste, ebenso Neuberth und Aydin. Dafür setzte ich selbst noch einen Namen hinzu: André Niesen (LV) hatte auf mich einen ganz ordentlichen Eindruck gemacht.


    „Ich werde mal ein bisschen rumtelefonieren. Das sind ja zwar alles nur ungefähre Werte, aber weiterhelfen könnte uns wahrscheinlich schon jeder Einzelne nach dem, was ich da heute so gesehen habe.“


    „Tu, was du meinst.“, erwiderte Arne. „Aber ich muss jetzt doch wieder vermehrt für Gaston scouten, insbesondere seine nächsten Gegner beobachten.“


    „Heißt das, dass ich nicht mehr auf dich zählen kann?“


    „Du hast meine Handynummer, Malte. Ruf mich an, wenn ich dir helfen kann, aber vermutlich muss ich demnächst vermehrt durchs Land reisen, weil der Cheftrainer partout den Aufstieg erzwingen will.“


    „Und was meinst du: schafft er's?“


    Aber Arne zuckte nur mit den Schultern. Ich wünschte ihm viel Erfolg für seine Aufgabe und wandte mich wieder meinen zu. In den nächsten Tagen fragte ich bei den Leipziger Jungs an, die mich interessierten. Wie nicht anders zu erwarten, lehnten die 50-er alle ab, aber die anderen hörten sich meine Angebote immerhin mal an.



    32. Teil: Jahresausklang
    (8. November 2012)


    Und dann verletzte sich Kai Cenig (TW). Das war zwar an sich kein wirkliches Problem, weil wir ja mit Para und Bude zwei ganz fähige Ersatzleute hatten und weil gerade erst die Winterpause begann. Aber es erwies sich, dass Kai nach neun Tagen schon deutlich schwächer geworden war als seine beiden Konkurrenten. Nun war die Position im Tor ohnehin eine unserer schwächsten (jetzt: 32 gegenüber einem Gesamtschnitt von knapp 37). Fazit: ich wollte unbedingt dieses schwedische Torwarttalent holen! Leider gab es einen Mitbieter, und zwar U.D. Levante, den spanischen Club aus Valencia. Sie boten 35 Teuros, ich überbot sie mit 40. Sie erhöhten auf 50, ich ging auf 55. Plötzlich waren sie bei 70, und ich fing wirklich an zu zittern: War der Junge so gut? Wenn ja, dann musste ich ihn haben! Aber jetzt stieß ich an eine Grenze, die meine heimlichen Reserven deutlich überschritt. Trotzdem, nach einigem Überlegen sandte ich eine SMS ab, die keinen weiteren Text enthielt als: 75.000!


    Eine Woche später kam der nächste Schock.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    War das da tatsächlich eine Neun mit vier Nullen? Hatte ich es hier mit einem besonders abgezockten Agenten zu tun, oder war der Junge das wert? Eines stand fest: 90.000 Euro hatte ich nicht. Mindestens 50.000 mussten irgendwo anders herkommen, wenn ich das Ding hinbiegen wollte.


    Am folgenden Sonntag war Arnes Geburtstag. Auch dieses Jahr lud er alle Vereinsangestellten ein, und wieder kamen die meisten (außer Gaston Deneuve). Es gelang mir, ihn einmal zur Seite zu nehmen und mein Problem zu schildern, aber diesmal war er mir keine große Hilfe.


    „Ich sach' dir, übertreib es nicht! Du hast drei Jungs für das Tor und eine sehr ordentliche Abwehr. Nur weil so ein Agent seinen Schützling groß vermarkten will, ergibt das nicht zwangsläufig einen Vorteil für den Verein.“


    Er hatte ja recht. Und das fehlende Geld konnte er mir erst recht nicht beschaffen. Am Büffet bei den Rollmöpsen und Lachsbrötchen sprach ich dann Kristian an, der der Sache auch nicht viel aufgeschlossener gegenüberstand.


    „Neunzigtausend? Na, du hast ja Ideen! So viel kriegt nicht einmal Marius für eine Verstärkung seiner Reservemannschaft bereitgestellt.“


    „Hast du denn vielleicht eine Idee, wo ich das Geld hernehmen kann?“


    Er zögerte. „Daniel Celio?“, sagte er dann.


    „Du meinst, er könnte was vom Vereinskonto umleiten?“ Ich erwähnte nicht, dass ich das im Grunde bereits selbst konnte.


    „Also, von mir hast du das nicht! Ich hab' nichts gesagt!“ Dabei schmunzelte er, dann wandte er sich ab.


    Die folgende Nacht verbrachte ich schlaflos, was durchaus nicht nur an den genossenen Getränken lag. Klar, an den Konten hatte ich schon vereinzelt herumgespielt, zum Beispiel um die Transfererlöse für drei Reservespieler zu verbuchen. Auch für das Trainingslager, das ich den Jungs der B im Januar wieder gönnen wollte, hatte ich schon heimlich einen Betrag eingezahlt und beiseite geschoben. Aber so richtig angezapft hatte ich die Konten bislang noch nicht, und ich nahm auch stark an, dass das dem Steuerberater ohne weiteres auffallen würde. Spätestens wenn die Rückrunde begann und er sich an die Prüfung des Jahresabschlusses machte.


    Um sechs Uhr früh brühte ich mir einen starken Kaffee. Um sieben ging ich in mein Vereinsbüro. Um acht hatte ich das Konto ausgemacht, von dem ein mittelgroßes zinsloses Darlehen vermutlich am wenigsten auffallen würde. Und um Viertel nach acht klickte ich auf „Senden“ – das Angebot war raus. Mir war heiß und mein Puls ging stark beschleunigt.


    Ich wollte gerade aufstehen und mir einen weiteren Kaffee kochen, als ich eine helle Stimme sagen hörte: „Sie haben Post!“



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Ich fiel auf meinen Stuhl zurück und glotzte minutenlang auf den Bildschirm, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können.


    In den nächsten Tagen überlegte ich fieberhaft, woher ich 90.000 Euro bekommen konnte, um sie dem Vereinskonto wieder gutzuschreiben. Oder wenigstens 50.000. Aber ich hatte nicht die leiseste Idee.


    Um mich abzulenken, befasste ich mich mit allem, was sonst so in der Welt des Fußballs geschah. Gastons Team hatte die letzten drei Spiele der Hinrunde sämtlich zu Null gewonnen, lag aber dennoch mit sieben Punkten Rückstand nur auf Platz 4. Erster war jetzt, da die Leipziger schwächelten, Wolfsburg II, und auch Bremens Zweite lag noch zwei Punkte vor dem VfB. Der Aufstieg war danach doch in ziemlich weite Ferne gerückt. Marius Mattles Reserve hingegen führte die Tabelle der Schleswig-Holstein-Liga mit drei Punkten Vorsprung an und schien nur dann in der Klasse verbleiben zu müssen, wenn die Erste nicht aufstieg. Gaston Deneuve stand also unter doppeltem Druck!


    Kristian konnte ebenfalls mit sich und seinen Jungs zufrieden sein. Sie waren auf einem guten Weg, die Drittklassigkeit zu erreichen.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Dabei konnte er auf einige sehr vielversprechende Spieler zählen, zum Beispiel auf Kai Köppel (ST), der die Torschützenliste seiner Liga mit großem Vorsprung anführte.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Spieler des Jahres wurde bei der FIFA World Player Gala 2012 übrigens David Villa, und die Bayern hatten sich doch noch den Herbstmeistertitel geholt, vier Punkte vor Werder Bremen. In der Zweiten Liga lag 1860 München, der Club, den der verrückte Ami Jack Warner im Sommer übernommen hatte, auf einem beachtlichen zweiten Platz und war drauf und dran, nach neun Jahren wieder in die Bundesliga aufzusteigen. Respekt – der Daddy unseres Flügelspielers schien da ja ein goldenes Händchen zu beweisen!


    Im Dezember erweiterte sich unser Kader dann auch noch um einen fähigen LV. Tobias Ribbeck kam – ohne Ablöse – vom 1. FC Kaiserslautern. Ich freute mich darüber, wurde aber durch diesen Transfer unangenehm daran erinnert, dass ich da ja noch ein Problem hatte…


    „Dies ist die Mailbox von … Jérôme Vollborn. Bitte sprechen Sie nach dem Signalton.“


    „Eh, Jérôme, was war das da mit dem Typen aus Boston oder woher er sonst war? Ruf mich doch bitte bald mal zurück. Ist wichtig.“


    Keine fünf Minuten später klingelte mein Handy, aber es war nicht Jérôme.


    „Hey, Malte! Hast du Lust, zu meinem Geburtstag zu kommen?“ Das war Emmo.


    „Ja klar, sehr gerne!“


    Emmo wurde sechzehn und hatte nur einen verhältnismäßig kleinen Kreis eingeladen. Jack und Joe waren da, Pan und Lan ebenfalls, und dann lernte ich auch das Mädchen kennen, das möglicherweise für Emmos Formtief der letzten Zeit verantwortlich gewesen war. Sie hieß Effie und spielte – Fußball! Neuerdings hatte der VfB Lübeck auch eine Nachwuchsabteilung für Mädchen, auch wenn sie bislang noch an keinem Ligabetrieb teilnahmen. Aber so war klar, was das alles beherrschende Thema war. Und zudem konnte ich feststellen, dass Emmo viel gelöster war als in der letzten Zeit – der Liebeskummer hatte offensichtlich sein Ende gefunden.


    Aber am nächsten Tag erhielt ich eine Information, die mich nachdenklich machte.



    (Quelle: Screenshot FM12)


    Ich wandte mich umgehend an Kristian, den Jugendtrainer, und auch an Marius, der die Reserve betreute. Beide rieten mir, nur ja bald mit Emmo und vor allem seinen Eltern zu reden. Denn ab sofort bestand die akute Gefahr, dass die Scouts anderer Vereine an Emmo herantraten und ihn fortzulocken versuchten. Auf meine Frage, ob wir ihm selbst ein Angebot machen sollten, antworteten sie aber einhellig, dass es dafür noch zu früh sei und dass man das gegenüber all den anderen talentierten Spielern nicht rechtfertigen könne.


    Mir half das nicht wirklich. Da hatte ich zu Silvester nun – neben dem Geld-Problem – noch ein weiteres Thema zum Grübeln.

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