Prolog
Man sagt, wenn sich im Leben eine Tür schließt, öffnet sich eine andere Tür. Auch wenn das Schicksal diese direkt vor der Nase zuknallt und einen in seinen Planungen zurückwirft, so grätscht es doch ab und an auf schöne Weise dort hinein. Dieses passierte Sophia Johannsen, ihrerzeit aufstrebende Jungnationalspielerin und eines der beachtetsten Talente ihres Jahrgangs. Einen ersten, herausragenden Vertrag bei einem Bundesligisten hatte sie in der Tasche. Dieser sollte die Erfüllung ihres Traums bedeuten, sie aber quer durch die Republik schicken. Nun war es an der Zeit die Koffer zu packen und ein neues Kapitel aufzuschlagen. An diesem wollte ihr damaliger Freund nicht weiter mitschreiben, da er in seiner Heimat fest verwurzelt war und Zweifel hatte, auf "Basis eines besseren Hobbys", da der Frauen-Fussball noch immer semi-professionell war, ein gemeinsames Leben aufzubauen. So kam was kommen musste, wenn zwei unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen und keiner bereit ist, sich dem anderen Standpunkt zu nähern: Es knallt mit Wucht und am Ende bleibt sehr viel verbrannte Erde und verletzte Egos über.
Sophia machte sich allein auf in das Abenteuer das vor ihr lag. Die Brücke in ihr bisheriges Leben abgebrochen...
Die ersten Wochen im neuen Verein ackerte Sophia um sich möglichst schnell für Einsätze und einen Stammplatz zu empfehlen. Doch irgendwas veränderte sich, irgendwas lief nicht richtig. War ihr Eifer zuviel des Guten und hatte Sophia die Grenzen ihrer Belastbarkeit überschritten? Für sie war das alles nicht erklärbar, daher konsultierte sie einen Arzt. Niemals hatte sie mit der späteren Diagnose die ihr gestellt wurde gerechnet. War die Brücke in ihr bisheriges Leben wirklich abgebrochen? Die Geister der Vergangenheit riefen nach ihr...
Die Blutgrätsche des Lebens
"Herzlichen Glückwunsch Frau Johannsen, sie sind schwanger" bekam sie zu hören, mit entsetzen forderte Sophia ein, dass der Arzt klarstellen sollte, dass sie diese Diagnose falsch verstanden habe. Doch auch die Wiederholung machte klar: Sophia war schwanger! Alles, auf das sie seit Jahren hingearbeitet hat war nun in höchster Gefahr. Die Schwangerschaft würde sie um Jahre zurückwerfen. Doch was war mit einer Abtreibung? Das ging gegen jegliche Moralvorstellungen von Sophia, auch wenn es ein Ausweg aus der Situation gewesen wäre. Mit dem einzigen potenziellen Kindsvater hatte sie gebrochen und dieser lebte ja jetzt hunderte Kilometer entfernt. Ein anderer kam nicht in Frage, hatte sie sich doch voll auf den Fussball fokussiert und sämtliche Avancen seit der Trennung abgeschmettert.
Ratlos wandte sich Sophia an ihren Verein, der ihr volle Unterstützung versprach, wie auch immer sie mit der aktuellen Situation umgehen wollte. Sie würde bei ihrer Rückkehr weiterhin offene Türen vorfinden. Ihr widerstrebte es eigentlich, ihren Ex zu involvieren, aber es war für Sophia klar, das er wissen müsse, das er Vater werden würde. Sie rief ihren Ex an, doch jeder der Anrufe blieb unbeantwortet. In ihrem Messenger war sie von ihm geblockt, in den sozialen Medien verhallte ihre Kontaktaufnahme ebenso. So machte Sophia sich auf den Weg in die alte Heimat, um mit ihrem Ex über die Schwangerschaft zu reden. Tränenüberströmt drückte sie die Klingel an seiner Wohnungstür. Als er öffnete, verfinsterte sich seine Miene von einem Lächeln zu einem verachtenden Blick. Sie wurde mit den Worten "Was glaubst du eigentlich, warum ich dich komplett ignoriere?" begrüßt. Ihr Ex war im Begriff die Tür wieder mit Schwung zuzuwerfen, was er nur stoppte, weil Sophia einwarf, dass er Vater werden würde. Er riss die Tür wieder auf und rief ihr sichtlich entsetzt "WAS BITTE? Du willst mich ja jetzt wohl komplett verarschen, was?" entgegen. Weiter folgte ein Monolog in dem ihr Ex klarstellte, dass er anzweifeln würde Vater des Kindes zu sein, weil er ja nicht wisse "wo sie sich herumtreibt und auf wen sie sich so einlasse", Sophia vorwarf selber an ihrer Trennung schuld zu sein, da sie ja sich "gegen ihn und für den Fussball" entschieden habe und "jetzt nicht zurückgekrochen" kommen bräuchte. Darauf warf er die Tür zu und ignorierte jegliche weitere Versuche der Kontaktaufnahme seitens Sophia.
Kampf mit und nach der Entscheidung
Noch ratloser kehrte sie in ihre neue Heimat zurück, auch wenn ihre Eltern ihr auch Unterstützung angeboten haben. Doch hätte dieses für Sophia bedeutet ihre Zelte abzubrechen und ihren Traum zu begraben. Daher war dies nie eine relevante Option und der Entschluss es alleine zu packen und die Fussball-Zukunft aufrecht zu erhalten wuchs noch schneller, als das neue Leben in ihr.
Auch wenn sie noch nicht genau wusste, wie Sie sich für das was da kommen sollte, wappnen sollte. Ihr Verein hielt Wort und die kommende Zeit sollte sich Sophia, neben einem kleinen Job in der Geschäftsstelle, voll auf ihre Schwangerschaft konzentrieren können, bis am 11.04.2005 der kleine René das Licht der Welt erblickte.
Die vorherigen Teamkameradinnen immer wieder in Action zu sehen, während sie in Umständen war, hinterließ ein wehmütiges Gefühl in ihr und heizte in ihr immer mehr den brennenden Ehrgeiz an, sich in die Mannschaft zurückzukämpfen. So begann Sophia zügig nach ihrer Niederkunft wieder an ihrer Fitness zu arbeiten, im Grunde einem sehr zielstrebigen Reha-Programm nicht unähnlich.
Überambitionierte Trainingsschichten warfen sie mit daraus resultierenden kleineren Verletzungen immer wieder leicht zurück. Und dann war da ja noch der kleine René, um den sie sich ja schließlich kümmern musste, war sie ja schließlich die Mutter. Den ungeplanten Nachwuchs zu umsorgen hinterließ in Sophia ein bittersüßes Gefühl, musste sie sich doch immer wieder einschränken und konnte sich nicht dermaßen intensiv auf ihre Rückkehr fokussieren. In der Saison 2005/06 stand sie dann im weiteren Kader ihres Teams, konnte sich aber nicht einmal in der zweiten Mannschaft einen echten Stammplatz erspielen und rutschte zur Saison 06/07 fest in den zweiten Kader, in dem es auch in dieser Saison nicht so recht laufen sollte. Zwar blieben Sophia mehr Einsatzminuten, doch lief ihr Vertrag im Sommer aus, der ihr als Spielerin der zweiten Mannschaft nicht verlängert werden würde. Das Ziel war weiterhin klar: Fuß fassen im Spitzensport, doch wurden die Hürden immer höher. Sollte sie als Amateurfussballerin zukünftig nebenberuflich weiter dem Traum hinterherjagen oder das Glück bei einem Verein suchen, der mehr an sie glaubt? War so ein Verein überhaupt zu finden, der ihr die Möglichkeiten bot, die sie benötigte? Aber wie sollte sie andererseits als Amateurin Sport, Kind und Job unter einem Hut bringen?
Nach langer und intensiver Suche stand am Ende fest: Sie würde keinen neuen Verein finden, der sie unter Vertrag nehmen würde. Da stand sie nun... alles auf die Karte Spitzensport gesetzt und alles verzockt. So sehr sie ihren René auch liebte, so sehr verachtete sie immer mehr die Entscheidung ihn bekommen zu haben, hatte die Schwangerschaft doch wohl entscheidend ihren Traum zerstört.
22 Jahre, das große Ziel in weite Ferne gerückt und keinen Plan B in der Tasche.
Der Wechsel
Zu Stolz die wiedereinmal angebotene Hilfe ihrer Eltern anzunehmen, suchte Sophia sich erstmal einen Job, um sich und ihren Filius über Wasser zu halten und spielte bei der wenigen Freizeit, die ihr Beruf und Kind ließen, eben noch in der zweiten Mannschaft weiter. Wehmütig erlebte sie die WM- und EM-Titel 2007 bzw 2009 und 2013 der Nationalmannschaft immer mit dem Gedanken, das sie dort auch stehen könnte.
Natürlich wuchs René mit einer klaren Begeisterung für den Fussball auf, hatte er sie ja quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Mittlerweile war er als 9-jähriger in der E-Jugend unterwegs, wurde er auch immer von Sophia angetrieben sich immer verbessern zu wollen und immer ein wenig mehr reinzuhängen. Oft legte Sophia mit René Extraschichten auf dem nächsten Bolzplatz ein. Dieses blieb nicht unbemerkt, sollte Sophia doch darauf angesprochen werden, ob sie nicht gerne als Trainerin in einer der Jugendmannschaften tätig sein wollte. Inzwischen 29 war der Zug zur Berufsfussballerin lange abgefahren und war sie in der Mannschaft auch altersmäßig schon die Mutti im Team, lag der Schnitt doch bei Anfang bis Mitte 20. Zudem war sie es auch gewöhnt die ganz jungen Spielerinnen anzuleiten. Was sollte schon anders sein, wusste Sie ja auch ihren Filius zu händeln? Hatte sie in den letzten Jahren eh den Augenmerk auf die sportliche Entwicklung ihres Sohnes gelegt, warum nicht statt selbst kicken andere das kicken lehren?
War es also abgemacht, hängte Sophia die aktive "Karriere" endgültig an den Nagel und begann mit dem Erwerb der C-Lizenz und stieg in der kommenden Saison erst als Assistenz und später als Trainerin des Teams ihres Jungens ein. Von ihr würde er eh am besten lernen. Nach den ersten Erfolgen kam etwas in ihr wieder auf, dass sie vor Jahren abgelegt hatte: Der flammende Ehrgeiz es nach ganz oben zu schaffen!
2017 folgte die B-Lizenz, die Sophia, für sie natürlich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit, mit Bravur absolvierte. René, inzwischen 12 und in der D-Jugend wurde neben seiner läuferischen Stärke ein echter Defensivabräumer und Ballverteiler, wodurch er sich zunehmend im defensiven Mittelfeld festspielte. Immer unter den wachsamen Augen seiner Mutter, die ihn unter keinen Bedingungen zurückstecken ließ. In der Saison 2018/19 wurde Sophia Trainerin der ersten Herrenmannschaft, nachdem ihr Vorgänger aus persönlichen Gründen zurücktreten musste. Ihre erste Saison absolvierte sie mit sehr viel Erfolg, verpasste den Aufstieg in die Verbandsliga nur knapp. 2019/2020 bestätigte sie den Erfolg und konnte ihrem Team sogar den Aufstieg schenken!
Sophia Johannsen hatte ihre Berufung gefunden! Sie war im Fokus ihren Weg nach oben zu bestreiten und sie hatte für Aufsehen gesorgt! Ihr war ihr Team zu klein geworden und passend dazu kam der Ruf von "weiter oben". Auf dem zweiten Karriereweg sollte es doch endlich im bezahlten Fussball klappen!