Cantera y Afición
Prolog: El Día de la Cantera
Eigentlich will ich es kurz machen. Ich heisse Pedro Quintana, bin 37 Jahre alt und… ach, ich glaube, mich kurz zu fassen, gehört nicht zu meinen Stärken. Wenn ihr mich auf diesem Abenteuer begleiten wollt, ist es ausserdem nur fair, wenn ihr die Hintergründe etwas besser kennt. Ich hole also aus, nur wohin? Am besten reisen wir zurück zum 17. Juni, als ein Reporter vom El Correo zum Interview geladen hat.
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„Ah, wissen Sie.“, begann Alex und breitete gutmütig seine Arme aus. Diese joviale Art war schon immer seine Spezialität gewesen. Dass sein Gesicht mittlerweile ein passabler Robert-Downey-jr.-Verschnitt war und er über einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften verfügte, hatte daran nichts geändert. Es war nur logisch, dass er es zum Präsidenten des Klubs geschafft hatte. Kennt ihr noch diese Freundebücher, die man seinen Kumpels in der Schule gibt, damit sie dort reinkritzeln können, welche Augenfarbe sie haben, wie gross sie sind und was sie später mal werden wollen? Wenn ich meins von damals noch hätte, würde bei mir sicher „Fussball-Profi“ drinstehen. Aber bei Alex wär’s keine Überraschung, wenn er „Präsident“ notiert hätte. „Eine gute Kollegin meinte einmal zu mir, als Präsident eines Fussballklubs müsse man Visionen mitbringen. Ich halte das für altbackenen Quatsch. Natürlich kann es nicht schaden, wenn man welche hat oder entwickelt. Aber entscheidend ist vor allem, dass man sich anderen Leuten mit guten Visionen nicht verschliesst, sondern ein offenes Ohr für sie hat und unvoreingenommen ist.“ Dabei klopfte er mir sachte auf die Schulter, um dem Reporter klarzumachen, dass er damit vor allem mich meinte.
„Dann hat ihr neuer Trainer seine Anstellung dieser Vision zu verdanken?“, fragte dieser und nickte mir kurz zu, als sei meine Anwesenheit bei diesem Gespräch etwa so wichtig wie jene der Putzfrau, die in der anderen Ecke gerade sauber machte. Visionen, die hatten Alex, Zarra und ich schon im frühen Teenager-Alter gehabt. Detaillierte Pläne hatten wir entworfen, wie wir den ganzen Laden der SD übernehmen. Keine zehn Jahre später hatten wir uns ob dieser Naivität köstlich amüsiert. Knappe 30 Jahre danach war unser damaliger Traum Realität. Die Wahrheit war jedoch auch, dass der Journalist mit der Frage ziemlich ins Schwarze getroffen hatte. Alex Aranzábal führte den Verein und konnte es sich nicht leisten, ein barmherziger Samariter zu sein. Einen Zweijahresvertrag hatte ich mir sozusagen erkauft. Aber wenn ich mich als Trainer nicht beweisen konnte, würde er nicht umhin kommen, den Plan womöglich mit anderem Personal umzusetzen. Zumal er im Vorstand kein Alleinherrscher war. Wieso mich Alex jedoch zu diesem Interview mitgeschleppt hatte, war mir nicht ganz klar. Insgeheim befürchtete er wohl, ich könnte mich vor den Kopf gestossen fühlen, wenn er mein, nein, unser Projekt präsentierte. Dabei kannte er mich doch besser. Das Reden überliess ich sowieso ihm, denn keiner beherrschte es besser. Ausserdem würde ich noch schnell genug in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. Im Moment machten mir jedoch der kaputte Ventilator und die gefühlten 35°C in diesem Café am meisten zu schaffen. Während ich darüber sinnierte, wie ich mir zuhause einen herrlich kalten, selbstgemachten Eistee gönnen würde, führte Alex bereits unsere Vision aus.
„Con cantera y afición, no hace falta importación. Den Spruch kennen Sie ja sicherlich. Unsere Nachbarn haben ihn berühmt gemacht. Diesem wollen wir folgen. Sehen Sie, in unserer Situation muss man sich überlegen, ob man sich damit zufrieden gibt, für alle Ewigkeit eine mittelmässig graue Maus zu sein. Wenn nicht, und wenn man etwas Aussergewöhnliches erreichen möchte, dann muss man auch besondere Wege gehen. Der Zeitpunkt dafür war nie besser.“ Das konnte man wohl sagen. Unsere Erstklassigkeit war eine Sensation. Dabei war der Abstieg im letzten Jahr eigentlich schon Tatsache gewesen, auf bitterstmögliche Weise. Selbe Punktzahl, bessere Tordifferenz, aber der entscheidende Direktvergleich war aufgrund der Auswärtstoreregelung verloren gegangen. Die Fussballgötter hatten ein Einsehen gehabt, dank einer Zwangsrelegation durfte der Verein oben bleiben und schaffte auch dieses Jahr den Ligaerhalt. Langfristig allerdings würde man wieder in der Versenkung verschwinden, wenn man dasselbe machte wie alle andern auch.
„Wenn wir nur auf die eigene Jugend setzen wollen, und das wollen wir, ist das natürlich ein Problem. Ein verdammt grosses sogar.“, wurde Alex auf eine weitere Frage gerade ungewohnt deutlich. „Diese geografische Nähe bedeutet, dass wir erstmal vielleicht nur die Zweit-, Dritt- oder Viertbesten bekommen. Dann müssen wir eben diese gross rausbringen. Sie müssen sich mit dem Verein identifizieren und wenn nötig langfristig gebunden werden. Ich glaube, das kann uns gelingen, denn wir haben für die Entwicklung der Jungspunde den idealen Mann verfügbar.“ Gorka Zarraonaindía, kurz Zarra, Grossneffe des legendären Telmo Zarra und meiner bescheidenen Meinung nach einer der besten Jugendtrainer der Welt. Als Einziger von uns dreien hatte er tatsächlich das Talent und die Aussicht auf eine Profikarriere gehabt. Nur, wie es das Schicksal so will, mit 19 ruinierte er sich das Knie. Knorpelschaden, Kreuzband-, Meniskus- und Innenbandriss, das volle Programm. Ein Jahr Reha, zwei Wochen nach seinem Wiedereinstieg riss das Kreuzband erneut und Zarra zog die Reissleine. Drei Jahre trauerte er mit Alkohol und Drogen den verpassten Möglichkeiten nach, bis ich ihn an die Sportakademie mitschleifte. Dann fand er seine wahre Berufung als Trainer im Jugendbereich.
Zarra dankte es mir, indem er mit den Posten in Bibao verschaffte. Die hatten in erster Linie ihn als U18-Trainer gewollt, aber er nahm ihn nur unter der Bedingung an, dass ich im Trainerstaff von Bilbao B Unterschlupf fand. Der Poker ging auf und einige Jahre später war ich Vollverantwortlicher der Reservemannschaft. Jetzt kehrten wir beide zurück. Zurück ins beschauliche Eibar, wo wir in einem gefühlt anderen Leben Pläne geschmiedet hatten, wie wir zwischen Bilbao und Donostia eine neue Fussballgrossmacht aufbauen würden...
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Sociedad Deportiva Eibar
Gegründet: 30. November 1940
Vereinsfarben: blau/rot
Stadion: Ipurúa (Kapazität: 5.250 Plätze)
Erfolge: Aufstieg in Primera División 2014
Infos / Hausregeln
Manager: Anstoss 3
Schwierigkeitsgrad: Nur für die Besten
Entlassungen: Aus
Spielmodus: Torboxen
Datensatz: Anstoss-Jünger Userfile 2016/17
Spielbare Länder: Spanien, England, Deutschland, Italien, Portugal
Es dürfen nur Spieler aus dem Startkader, der Amateurmannschaft oder der eigenen Jugend für die Mannschaft auflaufen.
Ich glaube, damit wisst ihr über die wichtigsten Dinge Bescheid. Das ist auch nötig, denn heute, am 2. Juli 2016, fällt der Startschuss zur neuen Saison. Alex hat sich dafür etwas Spezielles einfallen lassen. Wir laden zum „Día de la Cantera“ ein. Ein kleines Volksfest, neben dem aber auch sowas wie ein Talentwettbewerb stattfindet. Zarra beobachtet mit Argusaugen die Trainingsübungen von Kickern aus der Region, die gerne in unsere Jugendabteilung möchten. Nur ungern verlässt er seinen Posten, als ihm die Ehre zukommt, den Spatenstich für unser Jugendinternat vorzunehmen. Das Internat soll binnen eines Jahres stehen. Alex schüttelt derweil zahlreiche Hände und zerrt gelegentlich auch mich auf eins der vielen Selfies.
Etwas verloren komme ich mir schon vor, denn ausser mir scheint jeder so seine Aufgabe zu haben. Die Mannschaft selbst steht für Autogrammwünsche und das eine oder andere Kabinettstückchen zur Verfügung. Daran versuche ich mich lieber nicht. Mein bevorzugter Platz ist daher an der Seite von Zarra bei den Jugendspielern. Ich hoffe sehr, dass wir hier ein paar Talente rekrutieren. Denn als Zarra letzte Woche unsere Jugendmannschaften in Augenschein nahm, war sein Urteil vernichtend. Keinem einzigen Nachwuchsspieler traute er eine Profi-Karriere zu. Nicht weiter verwunderlich. Wer was auf sich hält, kickt wahrscheinlich in Bilbao und von wirklich professionellen Strukturen war Eibar bisher weit entfernt. Aber das ändert sich ja jetzt.
Als der Abend anbricht und die Trainings beendet sind, setzen Zarra und ich uns in eins der Bierzelte. Ich will wissen, ob er nun einige Talente ausmachen konnte. Aber Zarra winkt nur ab und vertröstet mich auf morgen. „Ich mache dir einen Bericht.“ Das muss mir wohl reichen. Nach einer Weile, als die meisten Gäste gegangen sind, stösst auch Alex noch zu uns. Zu dritt heben wir die Krüge. „Auf die guten alten Zeiten!“, spricht Zarra. „Auf die guten Zeiten, die jetzt kommen!“, erwidert Alex und ich hoffe für uns alle, dass er Recht behalten wird.