Kapitel I: Eine unverhoffte Chance
Es ist der 08.06.2014. Mein letztes Trainerengagement ist knapp drei Jahre her. Im September 2011 lagen wir auf dem letzten Platz in unserer Qualifikationsgruppe der Europameisterschaft, sodass der Verband mich entließ. Mein letzter Trainerjob nach Stationen bei SK Rapid Wien, FK Partizan Belgrad, Ungarn, CA Paranaense, FC Red Bull Salzburg (Co-Trainer) und Maccabi Netanja. Danach habe ich mich um meine Familie gekümmert und war nebenbei als Kolumnist für SportBild und die Sun sowie als TV-Experte für Sky und die ARD tätig. Das hat zwar Spaß gemacht, aber lieber hätte ich Trainergeschäft Fuß gefasst. Aber es sollte wohl nicht sein!
Dorthin bin ich gerade auf dem Sprung. Zu einem meiner alten Vereine, wo ich von 1979 bis 1984 aktiv war. Wie lange das schon her ist. Unfassbar!, denke ich als als ich den Fahrer bezahle, aus dem Taxi aussteige und den Anblick zwei bis drei Momente auf mich wirken lasse, ehe ich das Gelände betrete. Man kennt mich hier noch immer und so ist es nach ein bisschen Smalltalk und zwei bis drei Autogrammen auch kein Problem, dass ich Zugang zum Stadion bekomme.
Ich setze mich in den obersten Rang und lasse den Blick schweifen. Aber so richtig will es mir nicht gelingen in die alten Zeiten einzutauchen. Ich schließe die Augen und versuche mir die Atmosphäre nochmal ins Gedächtnis zu rufen, doch die Erinnerung sind nur noch schemenhaft und blass. Kein Wunder angesichts der 30 Jahre, die seitdem vergangen sind. Hinzu kommt, dass ich damals noch aufm Bökelberg gekickt habe, was meiner Meinung nach deutlich besser klingt als BORUSSIA-PARK, aber auch unabhängig vom Namen ist es einfach nicht dasselbe. Aber naja, der Fußball ändert sich. Hinterher zu trauern macht da wenig Sinn, sondern höchstens depressiv.
Ein Seufzer entweicht mir und so entschließe ich mich nicht weiter alten Erinnerungen hinzugeben, sondern das Stadion zu verlassen und der Geschäftsstelle einen Besuch abzustattet. Ich habe sie noch nicht mal richtig betreten, da höre ich auch schon:
QuoteNein, das glaube ich jetzt nicht. Was machst du denn hier?
Ähhmm, Max...ich...
Freut mich jedenfalls, dass du mal wieder den Weg hierher gefunden hast. Sag mal, hast du noch ein bisschen Zeit? Ich muss hier noch kurz was fertig machen, aber danach hätte ich Zeit für dich. Es gibt da etwas, was dich interessieren dürfte. Gib mir 10 Minuten!
Und damit war Max Eberl auch schon wieder durch die Tür verschwunden. Ich stiefelte derweil durch den Empfangsbereich der Geschäftstelle und zermarterte mir das Hirn was Max mir zu erzählen haben könnte. Brauchte oder wollte er meinen Rat? Oder hatte er einen Job bei Gladbach für mich? Mir würde wohl nichts anderes übrig bleiben als ihn zu fragen. Und da war er auch schon wieder da und winkte mir ihm in sein Büro zu folgen. Nachdem wir über alte gemeinsame Zeiten, die aktuelle Arbeit etc. geplauscht hatten, fragte ich Max warum er mich denn zu sich gebeten hatte. Ob er meinen Rat bräuchte oder aber die Borussia Hilfe nötig hätte. Max verneinte breit grinsend und antwortete mit einer Gegenfrage:
QuoteDisplay MoreAber hättest du vielleicht Lust anderswo als Trainer zu arbeiten?
Klar will ich das. Hast du mir vorhin etwa nicht zugehört?
Doch, doch...und wäre es ein Problem für die im Ausland zu arbeiten?
Das kommt darauf an. Wenn ich mich dort verständigen kann, dürfte das kein Problem sein. An wen oder was hattest du denn gedacht?
Weißt du, wir haben da doch diese alte Fanfreundschaft in Rumänien, die soweit ich mich erinnere sogar schon zu deiner Zeit hier bestand. Jedenfalls waren die vor Kurzem hier, haben sich das Gelände etc. angeschaut und sich mit den Verantwortlich ausgetauscht. Du kennst das ja.
Jedenfalls habe ich mitbekommen, dass der Verein gerade in die Liga II, Seria II, das heißt wohl so viel wie Gruppe zwei, abgestiegen ist. Der bisherige Trainer hat hingeschmissen und nun ist man auf der Suche nach einem neuen Mann, der den Verein wieder nach oben führt.
Das klingt interessant. Kannst du mir noch mehr über den Verein erzählen?
Leider nein, aber ich kann dir das Infomaterial zur Verfügung stellen, was unsere Presseabteilung zusammengestellt hat um an diese Fanfreundschaft gebührend zu erinnern. Und noch was: Ich kann, wenn du magst, den Kontakt zu dem Klub herstellen. Dann kannst du dir selber ein Bild machen ob sie zu dir und du zu Ihnen passt.
Ja, das wäre super, wenn ich mich mit den Verantwortlichen treffen könnte. Kannst du mir von den Unterlagen eine Kopie machen? Ich würde die dann mitnehmen, nachdem ich Uwe Hallo gesagt habe.
Klar, ich sag's gleich der Sekretärin. So, ich muss dann mal wieder. Wenn noch was wegen dem Verein sein sollte, weißt du ja wie du mich erreichst.
Top, danke dir. War schön dich mal wieder gesehen zu haben.
Wir tauschen einen festen Händedruck aus, ich gehe noch bei Uwe Kamps vorbei, der aber nur ganz kurz Zeit findet, hat er doch gerade ein Jugendcamp zu betreuen. Immerhin kommen die Jugendlichen so in den Genuss von einem Autogramm von und/oder einem Foto mit mir.
Ich verlasse den Bökelberg mit den kopierten Unterlagen, rufe mir ein Taxi und fahre zum Flughafen, setze mich in die nächste Maschine nach Budapest um zu meiner Familie zu kommen und fange, sobald ich Check-In etc. absolviert hatte und im Flieger saß, an die mitgenommenen Materialien zu lesen...
Die nächsten Abschnitte überfliege ich. Sie scheinen nicht besonders wichtig zu sein. Ein Jahr nach Pokalgewinn musste man den Gang in Liga zwei antreten und war seitdem zwischen erster und zweiter Liga gependelt. Der Verein hatte sich wieder einmal umbenannt und zwar in Politehnica Timisoara. Mit diesem neuen Namen gelang zumindest die Rückkehr ins rumänische Fußballoberhaus, wo sich Folgendes ereignete...
Und als ich darüber nachdachte, wo ich zu dieser Zeit gespielt hatte, fiel mir ein, dass ich damals sogar im selben Wettbewerb wie die Jungs von Poli gekickt hatte. Bei Inter Mailand war ich da gewesen und hatte 1990/1991 im UEFA-Pokal gespielt, war bis ins Finale vorgestoßen, wo wir 2:1 gegen Rudi Völlers AS Rom gewannen. Achja, das waren Zeiten gewesen. Den Rest des Fluges verbrachte ich damit in Erinnerungen zu schwelgen bzw. darüber nachzudenken wie ich es meiner Frau beibringen sollte, dass ich in Zukunft weniger zu Hause sein würde, sollte ich die Chance erhalten wieder als Trainer zu arbeiten. Aber eigentlich war das noch gar nicht wichtig, denn ohne dass ich eine Nachricht von Max oder noch besser vom Verein selbst bekam, brauchte ich mich den Tagträumen gar nicht hin zu geben.
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(Quelle: http://www.balaton-zeitung.inf…t-flughafen-budapest-671/)
Vom Flughafen geht es mit dem Taxi in die Innenstadt zu meiner Penthouse Wohnung hoch über den Dächern der Stadt.
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(Quelle: Budapest Tripbook - Jugendherberge Netzwerk - DJH - Hostelling International)
Dort angekommen stelle ich meine Reisetasche neben der Gaderobe ab und rief nach Anastasia, meiner Freundin, um ihr von dieser unerwarteten Option zu berichten. Doch sie antwortete nicht und als ich auf der Suche nach ihr und Sohn Milan die Wohnung durchquerte und dabei schließlich auch die Küche ansteuerte, fiel mein Blick auf den Kühlschrank und ich entdeckte eine schnell hingekritzelte Notiz:
QuoteHallo Schatz,
bin mit dem Kleinen zu meinen Eltern geflogen und komme erst Dienstag Abend wieder. Kannst du uns dann vom Flughafen abholen? Und ruf mich bitte an, wenn du zurück in Budapest bis. Ich mache mir doch immer Sorgen, wenn du unterwegs bist.
Kuss, Anastasia
Ich griff zum Handy um Anastasias Nummer zu wählen und als ich dies gerade tun wollte, sah ich, dass ich wohl während des Fluges eine SMS erhalten hatte:
QuoteDisplay MoreSehr geehrter Herr M.,
wie mir unser Geschäftsführer Ovidiu Maier mitgeteilt hat, hätten Sie Interesse wieder als Trainer zu arbeiten. Sollte diese Information korrekt sein, wäre es mir eine große Freude sie bald bei unserem traditionsreichen Verein zu einem Gespräch begrüßen zu dürfen, denn wie Ihnen Max Eberl wohl mitgeteilt hat, sind wir gerade auf der Suche nach einem Trainer und angesichts Ihrer großartigen sportlichen Expertise als Spieler mit ihren vielen Erfolgen und Titeln und ihren Erfahrungen im Trainernbereicht scheinen Sie mir genau der richtige Kandidat um den Verein wieder zu der Größe zu führen, die ihm gebührt.
Natürlich kann ich diese Entscheidung nicht alleine treffen, doch ich bin überzeugt davon den restlichen Vorstand davon überzeugen Sie einzuladen. Wenn es Ihnen recht ist, würde ich Sie deswegen heute Abend noch einmal kontaktieren
Hoffentlich bis bald,
Ihr Liviu Anton (Präsident)
[font='arial,helvetica,sans-serif']Hoffen wir mal, dass der Präsident seine Leute überzeugen kann, dachte ich und widmete mich wieder meinem eigentlichen Anliegen Anastasia anzurufen. Doch sie ging nicht ran und so hinterließ ich ihr eine Nachricht, dass ich wieder gut in Budapest gelandet sei. Vermutlich sie morgen Abend aber nicht vom Flughafen abholen können würde, da ich vielleicht einen neuen Job bekommen würde. Sobald sich das geklärt hätte, würde ich sie aber nochmal anrufen.
Dann ging ich zurück in die Küche, goß mir ein Glas Rotwein ein und schlenderte auf die Dachterrasse und genoss den Blick über die Budapester Altstadt...
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(Quelle: Anichten city and skyline of Budapest, the capital of Hungary | Stock Photo | Colourbox)
[font='arial,helvetica,sans-serif']...ehe ich mich daran erinnerte, dass ich ja die von Max Eberl zur Verfügung gestellten Unterlagen noch nicht zuende gelesen hatte und daher beschloss dies nachzuholen.
Aber welchen Verein soll ich denn dann trainieren? Liviu Anton hatte doch von einem traditionsreichen Verein gesprochen! Und während mir diese Gedanken durch den Kopf schwirrten klingelte mein Handy...
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